Seit dem Regierungswechsel im Oktober 2022 steht die Clubkultur in Italien immer wieder unter Druck. Dem renommierten mailändischen Club Leoncavallo droht nach einem Gerichtsurteil erneut die Räumung. Er gilt als eines der ersten und berühmtesten sozialen Zentren Italiens, das selbstverwaltet ist. Die Räumung durch das Zivilgericht wurde bereits den 10. Dezember angesetzt.
Grund dafür ist ein Gerichtsbeschluss, der das italienische Innenministerium aufforderte, den Eigentümern des Gebäudes etwa drei Millionen Euro Schadensersatz zu zahlen. Dieser erhöhte den Handlungsdruck auf die Stadt Mailand, die Zwangsräumung durchzuführen. Das Gebäude in der Via Watteau im Stadteil Corvetto gehört der Familie Cabassi, die seit Jahren auf die Rückgabe ihres Eigentums drängt. Nach mehreren gescheiterten Verhandlungen und der Weigerung des Zentrums, das Gebäude zu räumen, wurde ein gerichtliches Räumungsurteil erwirkt.
In einem Aufruf bittet das Zentrum um Unterstützung: „Seit 50 Jahren steht das Leoncavallo als Symbol des Widerstands, der Selbstverwaltung und der Förderung einer inklusiven, solidarischen Vision der Gesellschaft. Diese Vision steht in krassem Gegensatz zu der zunehmend polarisierten und spekulativen Realität des heutigen Mailand – einer Stadt, in der der Profit der Betreiber:innen von Betontürmen alle anderen Werte in den Schatten stellt und in der Luxus-Wolkenkratzer kulturelle Alternativen auszulöschen drohen. Eine lange Geschichte des politischen Kampfes, des Kampfes für informelle soziale Räume, Selbstverwaltung und radikale kritische Kultur ist in Gefahr. Wir können und müssen uns verteidigen!”
Seit der Erstbesetzung 1975 hat das Leoncavallo einen Teilabriss, einen Wiederaufbau, eine Räumung und eine Umsiedlung erlebt. Kürzlich spielten dort DJs wie Om Unit, Stenny, NVST, Mantra, DJ Storm und dBridge.
Auch einem anderen Mailänder Club und alternativen Ort, dem Tempio del Futuro Perduto, droht die Schließung: Unerwartet schrieb die Stadt Mailand das Gebäude zur Restaurierung aus, die Miete verdoppelte sich im Anschluss. „Diese spekulative Strategie droht, gemeinschaftsorientierte Räume durch profitorientierte Unternehmen zu ersetzen und damit unabhängige Initiativen zu untergraben, insbesondere solche, die auf Minderheiten, junge Menschen, Multikulturalität und sozialen Zusammenhalt ausgerichtet sind”, heißt es in der Erklärung des Tempio del Futuro Perduto.
Die Fronten zwischen dem italienischen Staat und der Clubkultur verhärteten sich seit dem Regierungswechsel 2022 mit der neuen Ministerpräsidentin Meloni. Schon zu Beginn ihrer Amtszeit wurde ein kontroverses Gesetz beschlossen, nach dem für das Veranstalten von illegalen Raves eine Haftstrafe von bis zu sechs Jahren und eine Geldbuße von bis zu 10.000 Euro fällig werden können.