Bruce – Ready (Timedance)
Nervös bewegte Breakbeats und leicht exaltierter Gesang: Diese Reizwörter allein verursachen womöglich Fluchtreflexe. Und zugegeben: Eigenwillig klingt das, was der Bristoler Produzent Larry McCarthy alias Bruce auf seiner zweiten EP für Timedance in diesem Jahr ausprobiert. Wie man die Sache tauft, ist dabei im Grunde egal, avancierter Pop dürfte taugen. Hat man die von den Nummern auf Ready ausgelöste Verwunderung dann ein bisschen auf sich wirken lassen, entwickelt sich die anschließende Reaktion mit einiger Wahrscheinlichkeit hin zu so etwas wie anerkennender Zustimmung. Selbst wenn man aus Prinzip nicht übermäßig aufgeschlossen für diese digital hell klingelnden Songmutationen sein sollte, muss man sich vermutlich energisch die Ohren zuhalten, um nicht zum Ergebnis zu kommen, dass Bruce das, was er hier tut, kann. So gut, dass er einen bei der Stange hält. Den Mutigen gehört schließlich das Glück. Tim Caspar Boehme
DJ Heartstring & Narciss – Why Can’t We Live Forever (Polydor)
Ja, komm, jetzt Major! Narciss und die Heartstrings machen Mukke für Polydor, da haben schon andere Sstars wie Helene, Karel und Matthias Seh-ich-echt-so-gut-aus-Reim ihre Rente gesichert. Deshalb passt das wie der Fernsehgarten zur dritten Hüfte. Und weil die Leute gerne gute Laune haben, geht das auch gut rein, rein, rein. Vier Songs, ach was: Ein richtige schnuckeliges Medley, wie das Barbara Schöneberger stellvertretend für Andrea Kiewel moderieren würde, schenken uns Narciss und die Heartstrings hier. Man schunkelt mietfrei mit und klatscht auf die 1 und 2 und die 3 und die 4. Schon kommt Stimmung auf. Bis irgend so ein Jens mit vollgepisstem Hosenbein von der Seite reingrölt: DAS HIER HAT NICHTS MIT SCHLAGER ZU TUN!!! Ja, gut, das killt jetzt natürlich ein bisschen den Vibe. Aber liebe Leute, machen wir uns nichts draus! So jung komma nimma zamm, carpe diem, party hard! Denn irgendwann ist es vorbei, dann ist derdiedas Rizz raus und man stellt sich große Fragen: Lieferando oder Wolt, ARD oder das Zweite, Why Can’t We Live Forever? Christoph Benkeser
Previews findet ihr in den einschlägigen Stores.
Ma Sha – Elastik (Nervous Horizon)
Das Londoner Label Nervous Horizon steht für vorwärtsgewandte Bassmusik. Auf dieser EP stellt DJ Ma Sha, die New Yorkerin hinter dem dortigen Kindergarten-Label, vier Tracks voller Wumms und Warp-Techniken vor. Ihr Sound benutzt viele Time-Stretch-Effekte, um Atmosphäre zu kreieren und unvorhergesehene Modulationen im Track zu erzeugen. So bleibt er abseits von Vierviertel-getakteter Rhythmus-Gymnastik stets frisch und überraschend. Man kann diesen Stücken ihre Artverwandtheit zu Drum’n’Bass und Dubstep zwar gerade noch anhören, trotzdem schwingt hier nicht mehr der Vibe des jamaikanischstämmigen Hardcore Continuums mit, sondern eine schroffe, sich manchmal selbst überholende Energie, die sowohl Techno aus den Staaten als auch Europa zuzuordnen wäre. Hier werden langsame und schnelle Sounds miteinander verwoben, können experimentelle Soundcollagen und Timewarp-Texturen einen abrasiven Groove bestimmen, der ebenso tanzbar wie unberechenbar bleibt. Leopold Hutter
Reeko – Energía Magenta (Delsin)
Die alles verbindende Klammer von Reekos Debut auf Delsin bildet nicht eine einheitliche Stilistik, sondern das immense Clubpotential der Tracks. Egal, welche Rhythmik die Stücke bestimmt – Breakbeats auf 132 BPM mit hymnischen Arpeggios oder die abgespact-chillige Variante davon mit verträumten Flächen und psychedelischem Acidgezwitscher, respektive die gerade Kick mit entweder smoothem Trance-Appeal oder gesund dosierter Härte –, sie alle werden die Dancefloors der Welt glücklich machen. Und zwar nicht mit offensichtlichen Tricks und modischem Glitter, eher mit clever in die Feinstruktur der Tracks eingewebten Elementen – oder sogar nur Stimmungen, die nicht simpel ableitbar sind von Producerskills und den neuesten fancy Plug-ins. Sie ergeben sich aus dem Gesamtkonstrukt der jeweiligen prägenden Idee organisch, instinktiv aus der Uridee wachsend. In Juan Ricos Stücken ist jede Menge Leidenschaft im Spiel, und die überträgt sich unweigerlich. Mathias Schaffhäuser
Toribio – Tongue in Cheeks EP (Bring Dat Ass)
Als Produzent ist der Brooklyner Musiker César Toribio alias Toribio noch nicht allzu oft in Erscheinung getreten. Könnte sich aber ändern. Toribio, der auch die Band Conclave anführt, in der er House und lateinamerikanische Rhythmen teils handgemacht zusammenbringt (vor zwei Jahren erschien ihr selbstbetiteltes Debütalbum), ergeht sich auf diesen vier Tracks in etwas „dreckigeren” Spielarten von Clubmusik. Da ist der aufgekratzte Electro von „No Pare”, die Ghetto-House-Hommage „Work That Shit”, gefolgt von heftigen Synkopen in „Cimarron Palace”. Am Ende gibt er mit „Anti Narcoleptic” ein Beispiel dafür, wie aufgeweckt Techno dieser Tage noch geraten kann, wenn man bloß genügend fiepende Synthesizer mit einem Perkussions-Freakout kurzschließt. Schmutz? Ja, bitte! Tim Caspar Boehme