Dana Ruh – Different Places Different Faces (Smallville)
Strictly dancefloor vibes. Dana Ruh hatte noch nie Probleme damit, sich aufs Wesentliche zu konzentrieren. Ihre EPs sind meist knackige Sammlungen präzise arrangierter Tools für den Club – oder zumindest den Tanzkontext. Ihre neue EP für das Hamburger Label Smallville macht da keine Ausnahme, wobei Different Places Different Faces vielleicht eine der wärmsten Platten ihrer jüngsten Vergangenheit darstellt.
„The Spirit” orientiert sich am straighten Korsett von Chicago und rollt zwischen extrem saftigen Subbässen und simplen, aber effektiven Chord-Stabs hin und her. „TJ Mornings” ist mit schwebenden Pads melodiöser und eine Hommage an Detroiter Deep House, während „LA Nights” mit seinen zuckrigen Vocals und bounciger Bassline an UK-House aus den Anfangstagen von Dusky erinnert. Den Schluss macht die fein texturierte Technonummer „Reach Out For Me”, die einen clever-subtilen Groove elegant über glimmende Akkorde fließen lässt. Leopold Hutter
Drumskull – Muscle Memory (Hooversound)
Einfach nur Drum’n’Bass wiederbeleben, als sei nichts gewesen, ist so eine Sache. Die von Joel Harrison alias Drumskull ist sie nicht. Zumindest sein Einstand bei Hooversound mischt zerbrochene Schläge im Jungle-Stil mit Dingen wie bittersüßen House-Harmonien und hineingesampleten Gesangseinlagen. Der Kontrast sorgt für leichte Reibung und Interesse bei geneigten Hörer:innen.
„Muscle Memory” ist eine schwebende Hymne mit synkopenbedingter Bodenhaftung. Der Lone-Remix erhöht das perkussive Potenzial beträchtlich, bevor er sich an die übrigen Spuren wagt. Im Ergebnis ein bisschen gravitätischer als das Original. In „Recovered Artefacts” scheinen sich Breaks und Fills zu verselbstständigen, werden jedoch rechtzeitig von den Stakkato-Akkorden, die sich schützend um sie legen, wieder eingefangen. Auch LMajor setzt in seinem Remix die Drumcomputer entschieden heftig ein, erzeugt aber durch mehr Atemluft zwischen den Schlägen und ansonsten deutlich weniger Bombast die stärkere Wirkung. Tim Caspar Boehme
n9oc – Memory Allocator (Die Orakel)
Die Mixe der Frankfurterin n9oc zirkulieren schon seit geraumer Zeit im digitalen DJ-Orbit. Noch ist n9oc nur lokal bekannt, man muss aber nicht Nostradamus sein, um hier einen Paradigmenwechsel vorherzusagen. Auf Die Orakel schlägt sie nämlich mit gewaltiger Wucht als Produzentin auf.
Ja, Memory Allocator ist im Genre der Intelligent Dance Music zu verorten. Etikettierungen sind bekanntlich mit Vorsicht zu genießen, doch die obligatorischen The-Black-Dog-, Autechre- oder AFX-Vergleiche, die gerne mal mitgereicht werden, kann man sich hier sparen. n9oc macht es anders, und diese erste Scheibe ist allzu progressiv, um sie mit dem schwerschwiegenden Vergleichehammer abzuspeisen.
Kryptischer Name, kryptische Musik, ja, schon – das wäre jedoch ebenfalls zu einfach. Denn trotz gewollter Verzwicktheit ist Memory Allocator eine verständliche Veröffentlichung. In „Entity” schwebt zum Beispiel eine mystische Nebelwand aus Pads durch den Raum, paart sich mit himmelzarten Drums, verspult im Abgang mit zartbitteren Weichspülermelodien den Gehörgang. Diese Vielschichtigkeit ist ebenso gewagt wie gekonnt. Bei „Explorer 2.0” nimmt n9oc richtig Fahrt auf, webt neuronale Beatnetzwerke und Flächen kunstvoll zusammen, sodass der Faden nie reißt. Andreas Cevatli
Santa Muerte – Eslabón EP (Hyperdub)
Ambient-Nebel, Dub, trickreiche IDM-Klänge, Trap, Tech-House-Pop, Reggaeton: Pancho Briones alias Santa Muerte debütiert abwechslungsreich auf Hyperdub. Der in Houston, Texas ansässige Produzent stammt aus Mexiko und wuchs in den Bergen zwischen der spanischen und der indigenen mexikanischen Kultur auf. Seine Musik verarbeitet die Mythologien seiner Heimat und vergräbt sie in basslastiger Musik, die mit einem unbefangenen Charme tief in diverse Genrebereiche elektronischer Musikstile eindringt.
Ein Track wie „Coahuiltecan” dürfte Motomami-Fans und PAN-Anhänger:innen erfreuen. Stücke wie „Laberinto” oder „Tonantzin” könnten DJ Koze gefallen. Alle Tracks sind aufgeladen mit einem klaren, leidenschaftlichen Synthesizer-Sound, verpackt in kurze, Algorithmus-freundliche Tunes, die sich erfrischen in den Katalog von Hyperdub einreihen und ihn mit Latin-Rhythmen und Hip-Hop-Versatzstücken sprudelnd-emotional und weitestgehend klischeefrei zeitgenössisch aufwerten. Michael Leuffen
Sound Support – The Beauty and the Beat EP (AUS Music)
Drei Tracks für Frühlings-Feelings schieben uns Sound Support durch den Beatport. Nennt es Deep House auf Mallorca oder Disco mit Kristallzucker – was das Producerduo auf The Beauty and The Beat (lol!) über die Kleinkunst-Klaviatur räsoniert, sorgt sogar in Ehrenfeld für Bodensatzauflockerung. Dort kennt sich Lorenz Rhode, der Kapellmeister von Böhmi, aus. Was ich nicht wusste: Seit über 15 Jahren produziert Rhode am Rhodes House. Mit Lars Dales von Dam Swindle tanzfunkorchestriert er außerdem als Sound Support. Dass sich die beiden auf dem Dancefloor auskennen, zweifle ich deshalb keine Sekunde an. Die Frage ist nur: auf welchem?
„Eve” und der Titeltrack gehen als geschniegelte Segelschuhbänger auf der nächsten Reizwäschenregatta durch. Den Zauberkasten lüften die beiden erst mit „Fantasies”. Der gebrochene Beat büßt seine beauty ein, über Pausbäcken-Pads landet Hyaluronsäure-House. Das zieht in der Nacht ein und wirkt untertags. Für Frühlings-Feelings! Christoph Benkeser