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Die Platten der Woche mit Ikonika, Mor Elian, Patrick Cowley, Pearson Sound und Soreab ft. Cinna Peyghamy

Ikonika – Bubble Up (Hyperdub)

Klare Sounds, trippige Melodien, hier und da erstmals die eigene Stimme charmant am Werk: die neue Ikonika ist schwer mit Pop beladen und ein klares Bekenntnis zur House Music.

Denn auf ihrer ersten EP seit 2020 verzichtet die Londonerin auf bewegenden Chiptune, Grime oder andere Bass-Music-Experimente. Stattdessen hat Ikonika variable, detailverliebte House Tracks produziert. Alle energisch, alle clubgtauglich, wenn auch zu unterschiedlichen Tageszeiten. Düstere, eingängige Synthesizer-Melodien und dynamische Vintage-Deep-House-Einflüsse machen Bubble Up zu einer EP mit viel Hitpotenzial.

Drei Tunes werden auch noch durch Ikonikas Debüt als Sängerin veredelt, deren Stimme Tracks wie „Bubble Up” oder „When You Look At Me” zu, wie sie selbst sagt, „queeren Liebeshymnen für die Tanzfläche” aufwertet. Zu allem gliedern sich sensitiv eingesetzte Synth-Arpeggios, vielschichtig treibende Drums und dezente Italo-House-Reminiszenzen ausbalanciert in die poppige Gesamtatmosphäre ein. Exotischer Big-Room-House, fesselnd, eigensinnig, charmant retro und universell einsetzbar. Michael Leuffen

Mor Elian – Diva Test (Fever AM)

Mor Elian lässt sich nicht festlegen. Ganz früher klangen ihre Tracks mal spacey und neigten zum Deep House, dann fuhr sie lange mit schwingendem, minimalistischem Techno sehr gut. In ihren Sets mischt sich ab und an noch immer Microhouse mit den UK-Tunes aus ihrer Show auf RinseFM.

Als Produzentin aber nahm Elian zuletzt eine Auszeit, widmete sich dafür dem Projekt Alloy Sea und veröffentlichte zwei LPs voller wunderschöner, anspruchsvoller Ambient-Elektronik. Jetzt ist sie zurück auf dem Dancefloor, mit einem druckvollen, vielseitigen und verspielten Sound.

Mit bollernden Kick-Salven zwischen 130 und 140 BPM lassen sich auch diese Stücke nicht auf Techno oder Breaks festlegen. Dafür gibt es farbenfrohe Synths und vielfältige Percussion. Auf der B-Seite kontrastieren gedämpfter Garage und schillernde Neon-Synths, bevor in der Kollabo mit Labelkollege Rhyw weiter zwischen UK-Funky und Techno geforscht wird. Eine spannende, erfrischend anders klingende Platte! Leopold Hutter

Patrick Cowley – Malebox (Dark Entries) 

Die Akribie, mit der sich Josh Cheon der Nachlassverwaltung des Schaffens von Patrick Cowley widmet, ist bewundernswert. Das Gros der bisher über Dark Entries veröffentlichten Reissues des Hi-NRG-Pioniers und Weltklasse-Remixers ist nicht weniger als essenziell.

Bei Malebox allerdings, einer Zusammenstellung von sechs bisher unveröffentlichten Tracks, handelt es sich eher um einen Zusatz zur historisch-kritischen Gesamtausgabe seines Werks. Abgebildet wird der Zeitraum zwischen den Jahren 1979 bis 1981, zwischen dem „I Feel Love”-Remix und den LPs Menergy und Megatron Man. Bei zwei Tracks handelt es sich um Vorskizzen zu späteren Stücken des von Cowley produzierten Hi-NRG-Sängers Paul Parker.

Ein gewisser Demo-Charakter eint die Tracks in Machart und Produktion, im Spannungsfeld zwischen funkigem Disco und Hi-NRG-Anleihen, klassischer Instrumentierung und elektronischem Gerätepark scheint Cowley hier noch auf der Suche nach der perfekten Sound-Rezeptur und dem spannungsvollsten Arrangement. Hinsichtlich letzterem scheint aber meistens (noch) etwas zu fehlen, und sei es nur Gesang.

Malebox erlaubt einen genaueren Blick auf seine Arbeitsmethoden, abgesehen vom tollen Disco-Swagger „Love & Passion” und dem elektronisch aufgeladenen Funk von „Low Down Dirty Rhythm” mit Jeanie Tracy können die Stücke nicht komplett für sich alleine stehen. Kristoffer Cornils

Pearson Sound – Red Sky EP (Hessle Audio)

Zwei Jahre nach der letzten EP für Hessle Audio zeigt Pearson Sound auf vier neuen Tracks, was ihn musikalisch ausmacht. Red Sky verschmilzt rüttelnden Breakbeat mit euphorischen Synths zu einem Vibe, der sowohl zur Peaktime als auch zum Ende der Nacht hin seinen Platz finden dürfte. Auf „Sinkhole” dreht sich alles um den Wobble, umspielt von hohler Perkussion und sparsam gesetzten Echos. Dubby, reduziert und genau das Richtige für die Subbass-Nerds.

Weird wird es auf der Flip: Samples aus der Retro-Soundcollage „Dreams” von 1964 mischen sich auf „Freefall” mit schrägen Synths und knackigen 909-Beats. Schließlich geht es nochmal zu abstraktem Halftime-Drum’n’Bass à la Instra:amental. Auch zehn Jahre nach dem Autonomic-Sound funktioniert die Gleichung aus Deepness, großzügigen Bassläufen und verletzlichen Melodien noch.

Die EP bildet den Pearson-Sound im Kompaktpaket ab: schwere Rhythmen jenseits der Erwartung und immer ein Blick über den Tellerrand. Leopold Hutter

Soreab ft. Cinna Peyghamy – Teleportation (Control Freak)

Für seine erste eigene Veröffentlichung auf dem Londoner Label Control Freak – er war zuvor schon mit einem Track an dessen Compilation Psycho/Soma beteiligt – tat sich der Italiener Soreab mit der Perkussionistin Cinna Peyghamy zusammen. 

Nur zwei Tracks, „Untitled 1” und „Untitled 2”, bilden das Grundgerüst der EP. Zwei Tracks, in denen Soreab Peyghamys höchst tribalistische Rhythmen mit zurückhaltender Elektronik verwebt, in hypnotische Bass-Trance verwandelt. Der Erste ist dabei der minimalistischere Trommeltanz, während Stück Nummer zwei in melancholischen Synthesizer-Flächen schwelgt.

Doch damit nicht genug. „Untitled 1” kommt zusätzlich als noch einmal minimierte und dadurch in der Tat noch hypnotischere Dub-Version sowie in einer stark verlangsamten 33-RPM-Fassung. Und als wäre das immer noch nicht genug, darf dann Jay Duncan das Stück in einen psychedelisch verdubbten Latenight-Groover remixen. Genug Variation also, dass für jede:n etwas dabei sein sollte. Tim Lorenz

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