Bambounou x Bruce – Final Conference (Bambe)
Der Titel dieser EP deutet schon darauf hin, dass es sich hier nicht um leichte Muße handelt. Aber was wird hier final verhandelt? Der Opener „Crash” macht unmissverständlich klar, dass das Thema komplex und ernst ist. Das Stück beginnt mit einer minimalistischen Bass- bzw. Rhythmusfigur, die sich nicht spontan in ein Genre einordnen lässt, und statt stildefinierender Elemente kommt als Erstes ein Tinnitus-artiger Ton hinzu, dazu pulsierende Synthie-Sounds, und erst nach über einer Minute ein verhaltener Groove, der im weitesten Sinn Richtung Bass Music und Breakbeat deutet. Der Track wird von Polyrhythmik geprägt, die Sounds sind verhalten, jedoch nicht soft. Im Gegenteil, „Crash” strahlt etwas Gärendes, Ringendes aus, das ausbrechen will, den Weg zum Auslass-Ventil aber lange nicht findet, bis dann eben doch eine Art Breakdown die Erlösung bringt. Die aber auch nur von kurzer Dauer ist, dann übernimmt wieder das In-sich-gekehrt-Sein die Regentschaft. Ein weiteres derart faszinierend-abstraktes Wunderwerk findet sich nicht mehr auf dieser EP, aber auch das dubhousige „Rai” und der abschließende Titeltrack transportieren eine spezielle Eigenständigkeit, eine Deepness, die, über die Beats und Sounds hinausgehend, auf so etwas wie „die richtige Haltung” hindeutet, in einen – zugegeben diffusen – metasprachlichen Bereich, den nur Musik so erahnbar machen kann. Mathias Schaffhäuser
Junes – Shifting Sands (Kalahari Oyster Cult)
Der in Berlin lebende Chef der Labels Galdoors und Dote, DJ und Technoproduzent Neil McDermott alias Junes, kommt ursprünglich aus Newcastle. Seit 2013 veröffentlichen er und sein Bruder eigene organisch glitzernde, luftige Techno-12-Inches mit Dub-Techno- und Deep-House-Einflüssen. Ab und zu auch Produktionen von international arrivierten Künstler*innen wie Audio Werner. Junes’ Debüt auf dem Amsterdamer Label Kalahari Oyster Cult ist durch spannende Hallräume geprägt, die entfernt auch an frühe R&S-Technotracks und den Glasglocken-Sound von Jay Dees “Plastic Dreams” erinnern („Witching Hour”). „Vessel” verirrt sich tiefer in Bleeps und einem Basslauf, der ein sanft aufheulender Motor sein könnte. Ähnlich macht „Shifting Sands” weiter. Der PR-Text formuliert dazu folgende Assoziationen: „Eine Höhlenfahrt durch mineralische Kammern und bodenlose Spektraltiefen, in denen seltsame Maschinenmonster und ihre entstellten Vetter in relativer Ruhe hausen”. Der Remix von „Shifting Sands” auf der Flipside kommt vom Help-Rec-Labelchef Central aus Aarhus. Vor einigen Tagen gab Kalahari Oyster Cult auf Facebook aufgrund eines Presswerk-Fehlers die Verzögerung des Vinyl-Releases bekannt. Deshalb erscheinen die Nummern bisher nur digital via Bandcamp. Die Vinyl-Nachpressung ist jedoch bereits in der Pipeline und wird sobald wie möglich nachgeliefert. Mirko Hecktor
KΣITO – Manget (Knekelhuis)
Der aus Tokyo stammende Produzent KΣITO alias Keito Suzuki schätzt das Experiment und bleibt trotzdem gern zugänglich. Seit 2016 veröffentlicht er solo oder mit Freunden wie Mars89 oder Takuya Nishiyama auf dem von ihm mitbetriebenen Label Cliffhanger Musick Laboratory sowie auf Imprints wie Polaar oder Kool Switch Works eigenwillige Musik zwischen Techno, Tribal, Dub, Ghettotech und Footwork. Seine Tunes zeichnen sich durch eine dunkle Note aus und zeugen vom geschickten Umgang mit der MPC. Nun erscheint Manget auf dem niederländischen Label Knekelhuis und reiht sich im Labelkatalog perfekt zwischen De Ambassade und Zaliva-D ein. Der EP-Opener „Kannon Yu” schiebt mit drillenden Drums, einer angedeuteten Also-Sprach-Zarathustra-Trance-Melodie, digitalen Strings und dunklen Synth-Schleifen psychedelisch nach vorne. Anschließend vibriert „6th Street” mit feinfühlig arrangierten Digital-Sounds, kitschigen Melodie-Breaks und südafrikanischem Gqom-Bounce ansteckend. Auch das Titelstück hält, was sein Name verspricht, und zieht offene Geister tief in eine mit viel Suspense gestaltete Track-Architektur, deren rhythmische Spannung durchgehend an der Schwelle zur Explosion balanciert, aber nie explodiert. Demgegenüber bleibt „Ao Zora” auf voller Länge energetisch und reizt mit treibenden Claps, verführerischen Synth-Pads, fiebrigen Arpeggios und trockenen Drums. Abgerundet wird die EP durch zwei Remixe. Der aus Belgrad stammende Kӣr verwandelt „6th Street” in einen düsteren, von Acid bestäubten Avant-Industrial-Dub-Track. Und Tolouse Low Trax lässt die für ihn typisch schattigen Gespenster-Grooves gründlich in „Kannon Yu” eindringen und zieht das Original in einen nervös-kaltschnäuzigen Dubstrudel. Michael Leuffen
Losoul – Individual Sin (Slices of Life)
Die Unbeirrbarkeit beeindruckt: Die beiden Tracks auf Individual Sin, Losouls Debüt auf Slices Of Life und zugleich erstes Lebenszeichen von Barbara Preisingers Label anderthalb Jahre nach Dana Ruhs formidabler EP Still Vause, schreiben genau an dem minimalen Deep House weiter, mit dem Peter Kremeier vor einem Vierteljahrhundert zu einem der Protagonisten des Genres geworden ist. Sowohl „Ghost Talk” als auch „Idealist Jungle” beanspruchen eine Laufzeit von zehn Minuten und 28 Sekunden. Zupackender im Groove und mit verwehten Vocal-Samples sowie einer Prise „Flat Beat” der erste Track, wärmer und gleitender der zweite. Episch in ihrer Entwicklung, elegant und verhalten psychedelisch in ihrer Wirkung sind beide, womit sie sich nicht nur in Kremeiers Diskografie nahtlos einfügen, sondern als ausgesprochene Highlights zu Buche stehen. Harry Schmidt
Sherelle – 160 Down The A406 EP (Sherelle)
Der hibbelige Rimshot ist schon mal toll. Geht gleich damit los, abgefedert von gegenläufigen Synkopen eines Ride-Beckens. Könnte eigentlich so bleiben. Die gerade Bassdrum, die den Takt bei 160 BPM vorgibt, sorgt dann aber erst für gebündelte Energie. Im Hintergrund Deep-House-Akkorde und ein kurzes Sample, melismatischer Gesang einer Frauenstimme als Melodie. Das alles ergänzt sich in „160 Down The A406” zu einem wunderbar wuseligen Gesamtdings, in dem eine Art synthetisches Xylofon und energische Crash-Akzente in kluger Dosierung weitere Elemente bilden. Die Londoner Produzentin Sherelle scheint mit dieser Zwei-Track-EP ihr Debüt vorgelegt zu haben. „Rhythm Love (Feel It)”, die andere Nummer, variiert die Sache noch einmal mit etwas – wohlgemerkt etwas – zurückgenommenerem Ansatz. Auf ihrer Bandcamp-Seite bittet Sherelle die interessierte Öffentlichkeit übrigens sehr charmant: „Enjoy my debut pls xxx”. Nichts leichter als das. Tim Caspar Boehme