In Köln-Ehrenfeld möchte die Politik mit einer Clubschutzzone gegen das Clubsterben angehen und ein Gegengewicht zu Lärmschutzbeschwerden und heranrückender Wohnbebauung schaffen. GROOVE-Autor Tom-Luca Freund war vor Ort, um sich über die Vorteile und die Grenzen der Zone zu informieren.
An einem gewöhnlichen Mittwochnachmittag ist viel los auf der Venloer Straße im Kölner Stadtteil Ehrenfeld. Hier existieren verschiedene Realitäten nebeneinander: der mit Legendenstatus verbundene Schnellimbiss, der auf den Namen Kebapland hört. Die bougy Bar, mit Getränkepreisen jenseits von Gut und Böse. Der Discounter mit großem Beton-Parkplatz vorm Eingang. Die Gründerzeithäuser neben den billigen Nachkriegsbauten. Während des Wirtschaftswunders war Ehrenfeld das wirtschaftliche Zentrum Kölns, in den Siebzigern kam der Strukturwandel – und mit ihm der Leerstand. Wie so oft in deutschen Nachkriegsstädten wurden die Leerräume von Clubs und Veranstaltungsräumen besetzt. Unter ihnen: das Artheater.
Seit 26 Jahren bietet die Location unter der Woche Kleinkunst, Jazz, Konzerte aller Genres, am Wochenende wird es zum Club. Früher war es ein Feinkostladen. Als der ehemalige Besitzer seinen Laden verkaufen wollte, traf er auf das Team von Clubgründer Bernd Rehse und fand die Idee so unterstützenswert, dass er ihm das Vorkaufsrecht zusprach. Diese Verkettung glücklicher Zufälle, an die Rehse nach eigenem Bekunden fest glaubt, hilft ihm wiederum daran zu glauben, auch das aktuelle Clubsterben meistern zu können. Was man nicht glauben mag, wenn man Rehse so zuhört: dass der Club vor einigen Jahren wegen einiger unglücklicher Begebenheiten selbst in großer Gefahr war.

Spulen wir zurück in das Jahr 2020: Damals wollte ein Investor auf einem Gelände, das sich in unmittelbarer Nähe von Artheater und drei weiteren Clubs befindet, Mikro-Apartments bauen – ein klassisches Produkt der Gentrifizierung. Dann hat Bernd Rehse das Heft des Handelns selbst in die Hand genommen: „Wir haben die Stadt über die Pläne informiert. Im Laufe der Gespräche kam heraus, dass die Verwaltung nicht wirklich mit der Politik gesprochen hatte, das haben wir dann zusammengeführt. Durch diese Kontaktierung sind ein paar Leute aufgewacht, die gesagt haben: Wir nehmen jetzt selbst Einfluss und versuchen die Clubs von unserer Seite zu schützen.”
In der deutschen Rechtssprechung ziehen Clubs traditionell den Kürzeren in Konflikten mit den Lärmschutzbedürfnissen von Wohnbebauung, selbst wenn diese Wohnbebauung erst deutlich später dazukam.
Gesagt, getan: In einem deutschlandweit einmaligen Schritt beschloss die Kölner Stadtpolitik, insgesamt sechs Clubs in Ehrenfeld mithilfe eines angepassten Bebauungsplanes zu schützen. Dieser legt fest, dass innerhalb der Zone keine neue Wohnbebauung stattfinden darf, die Clubs nach aktueller Rechtslage aufgrund von Lärmschutzbestimmungen häufig in ihrer Existenz bedroht. Damit war der politische Wille gegen diese – und zukünftige – Bebauungen offenkundig.

Gentrifizierungsprozesse haben bisher oft zur Verdrängung von Clubs geführt: zu laut, zu subversiv, vom falschen Publikum besucht: In der deutschen Rechtssprechung ziehen sie traditionell den Kürzeren in Konflikten mit den Lärmschutzbedürfnissen von Wohnbebauung, selbst wenn diese Wohnbebauung erst deutlich später dazukam. Der grundsätzliche Konflikt dahinter lässt sich nicht lösen. „Alle möchten ein Viertel, das eine lebenswerte Durchmischung hat, die aber auch den Pflegenotstand, die Wohnungsnot oder das Clubsterben mitdenkt. Es ist eine Gratwanderung, den knappen Raum zu verteilen”, sagt Benjamin Thele, Leiter des Kulturraummanagements der Stadt Köln. Die Clubschutzzone ist nur ein Teil, wenn es darum geht, diesen Wunsch nach der „eierlegenden Wollmilchsau”, wie Thele es nennt, zu erfüllen.
Die Clubschutzzone in Ehrenfeld schützt die Clubs also vor heranrückender Wohnbebauung. Bestehende Wohnungen, die in der Nähe von Clubs schon existieren, werden damit aber nicht im Nachhinein illegalisiert.
Dass Clubnutzungen dabei von der Politik als wünschenswert anerkannt werden, hat in der Beobachtung von Julia Klehr, die die Abteilung für Städtebauliche Planung in Ehrenfeld leitet, auch mit gesamtgesellschaftlichen Veränderungen zu tun: „Clubs sind inzwischen viel stärker in der Gesellschaft akzeptiert. Das Wort „Clubkultur” zeigt ja auch, dass es stärker als früher eine Daseinsberechtigung gegenüber anderen Nutzungen gibt.” Benjamin Thele beobachtet besonders in Ehrenfeld „eine gewisse Akzeptanz anderer Nutzungen neben der reinen Wohnnutzung. So eine Akzeptanz trotz der Gentrifizierungsprozesse haben wir auch nicht in vielen anderen Stadtteilen.”

Die Clubschutzzone in Ehrenfeld schützt die Clubs also vor heranrückender Wohnbebauung. Bestehende Wohnungen, die in der Nähe von Clubs schon existieren, werden damit aber nicht im Nachhinein illegalisiert. Mit den Anwohner:innen müssen die Clubs also weiterhin leben – und damit auch mit der immer latenten Gefahr einer Lärmschutzklage von neuen Anrainer:innen. Dem ist sich auch Bernd Rehse, der Betreiber des Artheater, bewusst: „In der Kommunikation mit den Anwohnenden haben die Veranstaltungsstätten auch weiterhin eine Verantwortung. Die versuchen wir im bestmöglichen Sinne wahrzunehmen und sind im ständigen Austausch mit allen Beteiligten.”

Im Umkehrschluss zeigt sich hier: auch eine Clubschutzzone ist nicht das Allheilmittel. In Städten wie Stuttgart ist die Clubszene beispielsweise sehr nah an bestehender Wohnbebauung. Dort würde eine Schutzzone also nicht wirklich zum Schutz von Clubs beitragen, weil Lärmschutzkonflikte mit bestehenden Anwohnenden trotzdem auftreten können. Die Verantwortung für den Clubschutz ist auch nicht allein auf kommunaler Ebene zu suchen, betont Kulturraummanager Benjamin Thele: „Das ist auf kommunaler Ebene ein einmaliges Instrument. Viele weitere Instrumente zum Schutz der Clubs müssen aber auf der Bundesebene beschlossen werden.”
Auch wenn die Clubschutzzone also nicht das allheilbringende Mittel für jede Kommune ist, kann dieser Geist der Gemeinschaft trotzdem ein Vorbild für andere Städte und Gemeinden sein.
Und auf der gibt es viel Handlungsbedarf, wie Paulina Rduch, Vorsitzende der Kölner Klubkomm, im GROOVE-Interview sagt: „Das Problem ist, dass Clubs noch planungsrechtlich unter Vergnügungsstätten fallen. Da ist es Aufgabe des Bundes, uns eine eigene Kategorie zu geben. Eine eigene Kategorie für Clubs hilft bestehenden Clubs enorm weiter und erleichtert eine Neugründung.” In einem Entschließungsantrag hat der Bundestag dieses Vorgehen schon 2021 unterstützt. Passiert ist bisher wenig. Auch im Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung steht dieses Vorhaben. Rduch ist trotzdem skeptisch: „Im Gegensatz zum vorherigen Koalitionsvertrag ist die Passage kürzer, die Vorhaben wurden deutlich abgeschwächt. Es bleibt also abzuwarten, was passiert.”

Abgesehen vom konkreten Nutzen der Maßnahme geht von der Entscheidung für die Clubschutzzone ein Signal aus, das sowohl von der Stadt als auch von der Klubkomm und den Clubbetreiber:innen positiv aufgefasst wurde: Die Zusammenarbeit zwischen den Akteur:innen. „In der aktuellen Planung der Schutzzone nimmt uns das Stadtplanungsamt und die gesamte Verwaltung wirklich mit. Wir sind in den Prozess eingegliedert und werden nicht mehr vor vollendete Tatsachen gestellt. Deswegen hat das mehr als eine Symbolwirkung”, so Paulina Rduch von der Klubkomm. Auch Bernd Rehse vom Artheater freut sich über den „eingeschlagenen Weg zwischen Veranstaltungsstätten, Politik und Verwaltung” und hofft, dass dieser von beiden Seiten transparent und offen weitergeführt wird. Auch wenn die Clubschutzzone also nicht das allheilbringende Mittel für jede Kommune ist, kann dieser Geist der Gemeinschaft trotzdem ein Vorbild für andere Städte und Gemeinden sein.