David Lynch ist tot. Der US-amerikanische Filmemacher und Musiker – nur zwei seiner etlichen Berufsbezeichnungen – verstarb am 15. Januar im Alter von 78 Jahren. Bereits im November eröffnete Lynch, dass er aufgrund seines 70-jährigen Zigarettenkonsums an einem Lungenemphysem litt. Seine Familie gab seinen Tod auf Facebook bekannt: „Jetzt, wo er nicht mehr unter uns weilt, klafft in der Welt ein großes Loch. Aber, wie er sagen würde: ‚Behalte den Donut im Auge und nicht das Loch.’”
Bekanntheit erlangte Lynch vor allem durch seine Filme, die Elemente aus Film noir, Horror und Komödie kombinierten und so einen unverkennbaren Surrealismus schufen, der fortwährend mit Konventionen, besonders jenen Hollywoods, brach. Zu seinen wichtigsten Werken zählen Eraserhead (1977), Blue Velvet (1986), Wild at Heart (1990), der Lynch einen goldene Palme bei den Filmfestspielen in Cannes einbrachte, die Los-Angeles-Trilogie aus Lost Highway (1997), Mulholland Drive (2001) und Inland Empire (2006) sowie die Serie Twin Peaks (1990/91, 2017).
Letztere markierte ein Medienereignis und entwickelte eine massive popkulturelle Wucht. In Twin Peaks prallten Versatzstücke aus amerikanischen Soaps der Achtziger, Mystery, Horror und Krimi aufeinander, unterlegt vom legendären Soundtrack Angelo Badalamentis, der 2022 verstarb. Besonders das „Laura Palmer Theme” strahlte in die Clubmusik aus und wurde etliche Male gesampelt, am prominentesten wohl in Mobys „Go” (1991). Daneben existieren zahlreiche weitere Verarbeitungen, etwa in UK-Rave– oder Acid-Ausführung. Auch abseits der musikalischen Ebene wird Twin Peaks in der Club- und Nachtkultur regelrecht fetischisiert. In Berlin beispielsweise in der Bar The Black Lodge, die nach einem Schauplatz der Serie benannt ist und bis letztes Jahr im Design des Red Rooms gehalten war.
Einen noch größeren Einfluss als auf den Dancefloor hatte David Lynch, erklärter Fan von Autechre, aber auf experimentelle elektronische Musik. Der Soundtrack zu Eraserhead brachte schon 1977 Pop mit scharfkantigen Noise-Elementen zusammen, Badalamentis sinistre Scores nahmen nicht an die Hand, sondern ermöglichten es dem Publikum, Lynchs Werk selbst mit Bedeutung zu füllen. Biospheres Ambient-Meisterwerk Substrata (1997) wäre ohne die Samples aus Twin Peaks weniger atmosphärisch geraten.
Neben seinen filmischen und gestalterischen Tätigkeiten musizierte Lynch auch selbst. Mit Angelo Badalamenti bildete er das Duo Thought Gang und veröffentlichte 2018 ein Album zwischen Ambient und Noise, solo produzierte er die Alben BlueBOB (2001), Crazy Clown Time (2011) oder The Big Dream (2013), die weitestgehend experimentellen Rock erkunden. Sein Song „The Big Dream” wurde von Venetian Snares geremixt, „Good Day Today” oder „Stone’s Gone Up” tauchen immer wieder in DJ-Sets auf.
Von seinem eigenen Œuvre abgesehen, beeinflusste David Lynchs Ästhetik Generationen an Künstler:innen verschiedener Provenienz. Sein größtes Verdienst dürfte darin liegen, mit seinem Werk konsequent vom Konkreten abgerückt zu sein, surreale und doch diesseitige Traumwelten eröffnet zu haben.