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Motherboard: September 2024

Erinnert sich eigentlich noch wer an Jens Massel? Der hat knapp vor der Jahrtausendwende den Sound des seinerzeit noch Kölner Labels Karaoke Kalk mitgeprägt. Und die starke Behauptung wahr gemacht, dass Dub und Electronica zwingend zusammengehören. Das Label ist nach Berlin gegangen, und Massels Veröffentlichungen auf anderen Plattformen wie Raster Noton oder Detach wurden zunehmend abstrakter und dunkler. Das hat sich für die Rückkehr seines Alias Senking auf Karaoke Kalk nicht geändert. Ein gemeinsam mit dem rumänischen Beatmacher DYL produziertes Mini-Album namens Diving Saucer Attack (Karaoke Kalk, 27. September) montiert nun dunkel grummelnde Donner-Beats und psychoaktive Furzbässe zu einem ungerade poltergeisternden Beinahe-Groove. Das sind Dub-Abstraktionen, die einerseits Hirnareale ansprechen, von deren Existenz noch wenig bekannt war, andererseits aber auch einen tiefenwirksamen Massage-Effekt haben – die Anspielung des Albumtitels an die Bristoler Noise-Shoegazer aus den Neunzigern ist garantiert nicht zufällig.

Ich wundere mich schon lange, dass Jörg Follerts Geniestreich Wunder, 1998 auf Karaoke Kalk erschienen, so folgenlos blieb, so wenig Nachahmer fand. Vielleicht war die Verbindung von nostalgiesatten, ausgelaugt-mürben Samples und exquisit zurückhaltendem Songwriting in traurig-sanfter Electronica doch zu speziell, zu eigenartig, zu introvertiert gewesen. Nun, der Glasgower Isik Kural ist mit Moon In Gemini (RVNG Intl., 6. September) tatsächlich in ähnlich wunderlichen Gefilden angekommen. Die Produktion ist moderner, der Klang insgesamt ausgefeilter, aber die rohe, wunderschöne, lebensrettende Melancholie verspürt und versprüht Kural ebenfalls.

Endlich gibt es das von Beginn an als Ambient konzipierte Ambientalbum, das Hiroshi Watanabe alias Kaito eigentlich schon immer gemacht haben sollte, aber dann doch nie gemacht hat. Denn wenn es einen Kritikpunkt an den überbordenden Soundschwelgereien des Japaners gab, dann waren es die im Vergleich mit den sorgfältig und effektvoll geschichteten Flächensounds immer ein wenig plumpen Bässe und die im Verhältnis zum subtilen Detailreichtum der restlichen Produktion doch sehr statischen, wenig groovenden, variationsarmen Trance-Beats und leicht klischierten Pads. Dass es sehr gut – ich würde sogar behaupten: besser – ohne Beats, Bässe und Arpeggio geht, zeigt nun die speziell für sein Debüt auf dem französischen Label Infiné beatlos arrangierte Collection (Infiné, 13. September). Jedes Stück ist ein Treffer hochwertigster, vollmundiger Synth-Ambient, der melodisch aus dem Vollen schöpft.

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