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Die Platten der Woche mit Amy Dabbs & Coco Bryce, Bella, Kerri Chandler, Move D und Linn Elisabet & Stina Francina

Amy Dabbs & Coco Bryce – Slightly Involved Vol. 2 (Dabbs Traxx)

Zum zweiten Mal schon sind die Produzenten Amy Dabbs und Coco Bryce miteinander verwickelt. Hatte ihr erster musikalischer Austausch vor allem im Zeichen von Drum’n’Bass beziehungsweise Jungle gestanden, weiten die beiden diesmal leicht das Spektrum des Bass-Music-Kontinuums. Aus dem Breakbeat-Ungetüm „Desire” von Bryce macht Dabbs die elegante Garage-Nummer „Decipher”, und aus seinen quirligen „Trust Issues” werden bei ihr synthesizerschwül federnde „Lust Issues”. Umgekehrt verwandelt Bryce den Bleep-affinen House-Track „Ghosts” in die hektisch-spukhafte Jungle-Heimsuchung „Banshees”. Und ihre schwelgerische House-Hymne „Til You See” wird bei ihm als „Still You See” zum breaklastigen Acid-Jazz inklusive dezenten Klavierbeigaben. Beide fassen sich übrigens recht kurz: Zwischen dreieinhalb und gut vier Minuten genügen für die gegenseitigen Remix-Kommentare. Stimmige Sache. Tim Caspar Boehme

Bella – Note To Self EP (Big Saldo’s Chunkers)

Aus Amsterdam kommt Bella mit ihrer Debüt-EP für Sally Cs Label Big Saldo’s Chunkers. Das ist Bellas Ansatz: Orgelton-Schnipsel, Scat-Gesang und Breakbeats brezeln das Breakbeatsonnenscheinchen namens „Odd Symphony” auf. Acid-Keys in mittleren Frequenzbereichen, ein schönes Gleiten weg vom und zurück zum Thema, und fertig ist der Sommerhit für die Open-Air-Treffen. Olsvangèr remixt das Stück, sagt jedoch nicht viel dazu.

Anders als Bella mit den beiden übrigen Tracks: Auf sportlichen 136 BPM hebt „Orchestra Spring” die Tanzfüße, und das über Kniehöhe. Denn ist es nicht schön, wenn die Zehen erst mit der überakzentuierten, jackigen Eins den Boden wieder berühren? Auch hier viele Beschwörungen der Vergangenheit, in Sheffield, in London, in Bristol, circa 1992. Das Titelstück geht voll rein ins Warehouse, und dort wird es unerwartet sogar ein bisserl cheesy, doch auch das beherrscht die Produzentin. Nicht-eben-noch-nie-gehörte Harmonieabfolgen machen den großen Raum auf, wo anfeuernde Männerstimmen, Mini-Girlanden und auseinanderstiebende Klangwolken das große Wir auf Zeit befeuern. Leute, es ist Sommer! Christoph Braun

Kerri Chandler – Lost & Found EP Vol 3 (Kaoz Theory) 

Knapp zwei Monate ist her, dass Kerri Chandler 73 Tracks aus seinem Archiv auf Bandcamp verschenkte. Am 27. Februar wäre sein Vater, der in den Siebzigern und Achtzigern ebenfalls DJ war, 73 Jahre geworden. Wir wissen nicht, wie viel weiteres Material der nimmermüde US-Produzent auf Festplatten oder DATs liegen hat, das irgendwann mal durchs Raster gefallen oder schlicht in Vergessenheit geraten ist.

Hier sind jedenfalls noch mal vier Tracks. Kerri Chandler macht bei der Auswahl quasi halbe-halbe: Zwei Vocal-Garage-Tracks und zwei Instrumentals. Die Vocal-Stücke kommen mit diesen für ihn typischen Chords, die so dezent erhebend gestimmt sind. Und natürlich mit Chandler-Trademark-Beats, rough und smooth zugleich. Insbesondere auf dem von Abbie Lee gesungenen „Let It (Give Me Back My Love)” geht die Formel extrem gut auf. Die Rückseite hält zwei zwei skizzenhaftere Instrumentals im Oldschool-New-Jersey-Style bereit, beide sind bemerkenswert gut. „The Bassline” im „Dark Mix” erinnert ein wenig an den Tony-Humphries-Mix des Zanzibar-Klassikers „Ma Foom Bey” von Cultural Vibe, der Titel ist hier Programm. Auf „The Breeze” sorgt eine 808-Cowbell für die Hookline. Mal abwarten, wie viele Folgen der Lost & Found-Serie noch kommen. Holger Klein

Move D – Something ‘Bout The D (Source) [Reissue]

Die zuvor bloß über verschiedene VA-Compilations veröffentlichten Tracks der EP Something ‘Bout The D erscheinen erstmals auf dem von David Moufang alias Move D mit geführten Label Source und gelten als Start der Serie Recurrent Recollections.

Als Eröffnung dient „Aspiration 2010”, ein sich langsam entfaltender Deep-House-Track mit wuchtiger Bassdrum und sanften Acid-Einsprengseln von fast siebeneinhalb Minuten.  Ziemlich speziell daran sind die Synths, die, so assoziiert das Achtziger-Art-Pop-Ohr, ebenjene aus David Sylvians und Ryūichi Sakamotos „Bamboo Houses” sind. Träume, die man nie zu träumen wagte, werden hier wahr. „Bamboo Houses” in Acid House. Zwölfer im Lotto. Die Nummer eins auf Seite B, der Titeltrack, beamt das Ohr musikhistorisch zehn Jahre in die Zukunft nach Detroit, verzaubert es mit 909-Technosound, dem sparsam eingesetzte Melodien ein warmes Ambiente verschaffen. Wie das Universum mit den Sternen, nur nicht ohne Heizung. „Marshmellow Boots” tragen Astronautenkinder auf dem Mond. Und der gleichnamige quirlige, aber geerdete Track illustriert das, so gut, wie Musik das eben kann. Groovy, entspannt-dubby, etwas verspielt, gemütlich, verträumt und euphorisch. Lutz Vössing

Linn Elisabet & Stina Francina – Secrets EP (UFO)

Die beiden in Berlin verorteten DJs und Musikerinnen Linn Elisabet und Stina Francina setzen mit ihrer ersten gemeinsamen EP Secrets auf UFO Inc. ein Ausrufezeichen, das im Clubkontext weit über Berlin hinaus Beachtung finden dürfte. Welche verschiedenen Geheimnisse Linn und Stina offenbaren, zeigt sich hier.

Trocken beginnt der Titeltrack und entwickelt sich zum treibenden, sweaty Industrial-Tech-Tune mit auf- und abschwellendem, dubbigem Refrain-Loop. Die geschickt eingesetzte Stimme macht den Unterschied. „Secrets” entwickelt sich dann aber doch nicht so trocken und ist vor allem: Was für die extatic dancers. Damit nicht genug: „Powerhouse” hält das, was der Name verspricht – schneller, hochenergetischer Techno mit Psytrance-Einflüssen. Abgerundet wird die EP von „Skies In Her Hand” und „In Eternity” – beide Tracks präsentieren weitere technoide Herangehensweisen der beiden Künstlerinnen. Neben den Grundmustern der vorwärts treibenden Bassdrums verweben die beiden ihre Ausflüge mit Soundscapes, Percussions und Stimmen und erzeugen so ihre eigenen Musiken, die im Club liefern. Immer tanzbar, aber eben auch mit ihrem eigenen Twist. Liron Klangwart

Hörbeispiele findet ihr in den einschlägigen Stores.

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