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Motherboard: März 2024

Loop-Drone-Experimentalmusik und Lautpoetik als akustischer Folk-Pop, darin ganz klassische New Yorker Knitting-Factory-Avantgarde, aber doch Klänge, wie sie in den Siebzigern oder Achtzigern des vergangenen Jahrhunderts eben nicht genau so hätten passieren können. Das apart mit Stimme, Cello (gestrichen) und Kontrabass (gezupft) besetzte Brooklyner Trio sinonó findet eine ganz besondere Ausdrucksweise, um die fragile Beinahe-Lyrik Isabel Crespo Pardos in höchst fragile, immer an der Grenze des Auseinanderfallens befindliche Songs zu binden. La espalda y su punto radiante (Subtext Recordings, 1. März) steht für sich, steht für grundsätzlich komponiert-strukturierte und doch ebenso improvisierte freie und queere neue Musik ohne innere Beschränkungen, die aber genau in dieser Freiheit jederzeit nahbar, zugänglich, ja, verständlich bleibt.

Der in Bergen, Norwegen lebenden Eva Pfitzenmaier alias By The Waterhole gelingt auf dem wieder auf ihrer eigenen Experiment-Plattform erschienenen Album und Buch three (Playdate Records, 8. März) etwas Vergleichbares in Elektronisch. Mit milder Modularhilfe von Ehemann Stephan Meidell wird das Stimme-Schreibmaschinen-Kunst-Drone-Projekt zu elektronischem Beinahe-Pop, in dem ein Cello-Drone mit Rezitativ unvermittelt in einen mumpfigen Schredder-Rave-Techno übergehen darf, ohne dass dabei etwas kaputt geht.

Dass bassbollernder Grummeltechno und Hyper-Pop keineswegs miteinander fremdeln, ist eigentlich naheliegend und hat es schon in die Streaming-Charts geschafft. Wenn das Ganze dann aber in avanciert-leidenschaftlicher Bedroom-Produktion und einem zutiefst experimentellen Spirit passiert, entsteht mitunter etwas wirklich Besonderes wie Taiwan Bay Be (Establishment, 1. März), der (ja, genau) taiwanesischen Produzent:in Betty Apple aus Taipeh. Alles, was glitzert und glänzt, alles was, neu und anders ist, alles, was knallt auf tiefexperimentelle wie hochreflektierte Weise in Lo-Fi zusammenzukochen, dazu gehört einiges. Dass B e T T y A P P l e, wie sie sich in zeitgemäßer Diktion grafiziert, zudem noch als Körper- und Performancekünstler:in in queeren Kontexten agiert, passt dazu natürlich perfekt. Aus der Praxis entsteht doch meist die beste Theorieabstraktion.

Das schwedische Duo Suite Simone mixt auf Bird (Suite Simone, 1. März) noch ein paar Kellen Hochprozentiges und Zuckriges in die Bowle, einfach alles, was knallt. Hedonismus, Big Beat, Nu-Rave, Trance-Schlunz, Breakbeat, Gabba, Hype, Hyper-Pop. Ganz ohne existenziellen Schmerz, dafür aber jede Menge Genuss mit Reue, Hangover-Kopfschmerz garantiert. Warum das trotzdem großartig ist und in diese Kolumne gehört wie nix Gutes? Da wäre die Oldschool-Anmutung, die mutwillige Erinnerungsbeschwörung (un)glanzvoller halcyonischer Trance-Tage und, noch besser, von ganz frühem ungekochtem Vocal House.

Soll anschließend das Zucker-High auf der Tanzfläche abgearbeitet werden, bietet sich der faszinierend hibbelige Techno-Workout Amazing Carnaval (Cry Baby/InFiné, 1. März) von Lucie Antunes an, eine Art Postskriptum zum überbordend hyperinspirierten Album Carnaval Album aus dem vergangenen Jahr. Die Stücke der EP sind tatsächlich eher Tracks als Songs, straighter und auf Tanzbarkeit hin optimiert. Dennoch sprudeln sie keinesfalls weniger über vor Ideen und – tatsächlich – karnevaleskem Achtziger-Spaß, nur eben mit mehr Schweiß und Psychedelik.

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