Answer Code Request & Amotik – LED (Delsin)
Es gibt diese Synthesizerflächen, die die Knie zittern lassen und ohne Umwege das menschliche Gefühlszentrum ansteuern – schon vor frühestem Techno wussten Kraftwerk, aber auch Bands wie Genesis zu Prog-Rock-Zeiten oder 10cc von dieser Superkraft.
Answer Code Request & Amotik beweisen im Titelsong ihrer ersten gemeinsamen EP, dass auch sie wissen, wie sie ihre Hörer:innen weichkochen. Das Stück beginnt mit einem eher kühlen, nüchternen Technobeat ohne Hi-Hats und Snares, nur ein Schnarren treibt die Kickdrum nach vorne. Doch wenn nach gut einer Minute diese Fläche einsetzt, öffnen sich in Sekundenschnelle alle Schleusen. Und die Produzenten fackeln nicht lange und legen schnell noch eine Schippe Dynamik nach – wunderbar. Und Zack, ist der Sound verschwunden, nicht ausgeblendet oder raffiniert eingebunden in andere Elemente. Ein paar Takte Beat pur, dann geht das Spiel von vorne los – so einfach, eigentlich. Mathias Schaffhäuser
Hysteria Temple Foundation – Atlante (HTF)
Mit dem französischen Duo Hysteria Temple Foundation kommt die Kult-Ästhetik, wie sie bei Psychic TV oder ihren Nachfolgern, Psychick Warriors ov Gaia, zelebriert wurde, in die Clubmusik zurück. Der Name passt schon mal, klingt sehr nach Sekte im Zeichen der Bewusstseinserweiterung.
Auch die Musik trägt ihr Übriges dazu bei. Tribalistische, perkussive Breaks mischen sich mit Dub-Hall und Goa-affin treibenden Synthesizerbässen. Alles nicht grundstürzend neu, doch mit leidenschaftlich anmutender Energie versehen, die stets dazu neigt, ins Dräuende zu driften. Optimist:innen scheinen da nicht am Werk zu sein, ihr Anliegen hat aber etwas Dringliches, dem man schwer entkommen kann. Aufs Schönste reduziert findet sich das im Stenny-Remix von „Submarine Drift”, wenn Perkussion und Echo sich gegenseitig zur Ekstase hochsteigern. Tim Caspar Boehme
JANEIN/Stigmatique – Synergy (SEELEN.)
Auf dieser Mini-Compilation des Leipziger Vinyl-Labels SEELEN. gibt es je einen Track von Labelmacher JANEIN und Stigmatique und dazu je einen Remix von Ignez und Lakej. Beginnen wir zum Spaß ganz am Ende: Der Lakej-Remix von Stigmatiques „Ein Tropfen Pure Dunkelheit” klingt wie eine Lagerhalle, die durch die Frequenzen eines Raves halb zum Einstürzen gebracht wird. Ratter, gatter, schnatter, röchel, mmm-pf, mmm-pf.
Und da das englische Wort für Lagerhalle Warehouse ist, stellt sich der Eindruck ein, der Raum wachse mit der Länge des Stücks. Liegt das am Original? Großhallen-Rave auch hier, doch Ex-Distillery-Resident Stigmatique legt Gewicht auf die tiefen Frequenzen, sodass sich zur Trance ein böses Grundknurren gesellt und schöne Spannung erzeugt.
Anders als in den beiden Fassungen von „Hyperspace”. Die Stimme von Olga Phage veranschaulicht in ihrer Eintönigkeit, wie sehr (nach Baudelaire und mit Heiner Müller) Langeweile der über die Zeit verteilte Schmerz ist. Darunter lässt Ignez in seinem Remix ein Cello und viele Handclaps miteinander wrestlen; JANEINs Original hingegen erzeugt einen flüssig knüppelnden Flow und bindet ebenfalls das Streichinstrument ein. Auch dieser Track benötigt eine gewisse Club-Größe, um nicht an die Decke zu stoßen. Christoph Braun
Sweater on Polo – Go Wild Harlem Trax (L.I.E.S)
Über Sweater on Polo ist nicht viel bekannt, außer dass er aus New York zu kommen scheint und Ron Morelli ihn im Zuge seiner ersten Veröffentlichung auf seinem Label L.I.E.S. als eines der vielversprechendsten Talente der Stadt bezeichnet, ihn gar in eine Reihe mit den Legenden des „early-90s psychedelic Chicago House” stellt.
Und er hat Recht: Go Wild Harlem Trax basiert auf den Tunes, die Larry Heard Ende der Achtziger unter dem Pseudonym Gherkin Jerks veröffentlichte. Die Musik hat was von Phuture, von Sleezy D oder Gene Hunt. Sie setzt wie einst auf den Maschinenpark von Roland, auf 808, 303 und 727. Und ist unterm Strich verspulter, wenig opulenter House, der in erster Linie auf Drums und Bass setzt. Sweater On Polo variiert nun diesen legendären Sound, indem er vor allem an der Rhythmik schraubt, Details hinzufügt, verschiebt, ändert.
In „Fresh Squeeze” lässt er am Ende die Bassdrum für drei, vier Takte allein, um sie dann wieder der Komplexität zu überantworten. Ein kurzer Zeitsprung und einer der vielen achtungsvollen Blicke des Musikers von der Gegenwart in die Vergangenheit. Eines der Highlights ist „Hot December”, vielleicht auch weil es ein wenig aus dem Rahmen fällt, deutlich langsamer ist, mit Virgo Four’scher Lässigkeit voranschreitet. Die Katze auf dem Cover hört es sich gerade an. Sebastian Hinz
Skee Mask & MJK presents: Patchworks Vol .1 (Obligated)
Drei Bass-Tunes präsentieren Skee Mask und Rinse FMs MJK auf Patchworks Vol.1. Das treibende „One By One” kommt dabei einmal als Instrumental, einmal mit Grime-Vocals des Roll-Deep-Crew-Mitglieds Riko Dan. „Patchwork, Pt.1” lebt von den rollenden Breakbeats, „Part 2”, der Höhepunkt der EP, schürft wiederum tiefer. Hart swingende Kickdrums dringen, angetrieben von frenetischen Snares, tief ins Subfrequenz-Unterholz, umschwungen von dubbig blubbernden Akkorden. Bass Musc par excellence. Tim Lorenz