Mathilde Nobel – Marcel Dettmann Remixes (Nous’klaer Audio)
Im Herbst 2022 veröffentlichte die Holländerin Mathilde Nobel ihr Debütalbum Founds on Land über das Rotterdamer Label Nous’klaer Audio. Zum Einjährigen hat sich Marcel Dettmann den düsteren Deconstructed-Pop-Sound vorgeknöpft und liefert eine clubtaugliche Remix-EP mit insgesamt vier Tracks. Dabei gelingt dem gebürtigen Brandenburger der durchaus bemerkenswerte Kunstgriff, Nobels sehr eigenen Sound mit Blick auf den Dancefloor zu interpretieren und trotzdem den ursprünglichen Schwermut der Stücke beizubehalten.
So büßt die Musik nichts von ihrer melancholischen Gewalt ein, sondern kanalisiert diese lediglich dreimal auf gerade Basslines und wabernde Pads. Nach einer sehr technoiden Eröffnung auf „Bliss” wagt sich Dettmann mit „I Eat Air” tiefer in den psychedelischen Sound aus Glocken und Vocal-Schnipseln, um schließlich auf dem gleißenden „Nehalennia” Nobels Gesang in Szene zu setzen. „I Eat Air“ wird zum Abschluss gleich nochmal geflippt und schließt die EP in der zusätzlichen „Space Version” als mystisch-sakraler Ambient gebührend ab. Till Kanis
Olof Dreijer – Rosa Rugosa (Hessle Audio)
Olof Dreijer erlangte zusammen mit seiner Schwester Karin und dem Live-Act The Knife in den Nullerjahren internationalen Ruhm. Allerdings ist davon in seinen eigenen Dance-Music-Produktionen der letzten zehn Jahre wenig zu hören. Da hilft auch die panafrikanische Polyrhythmik-Annäherung wie auf dem Titeltrack seiner neuen 12-Inch-EP nicht wirklich. Denn die Polyrhythmik wirkt metrisch im Grid zu bemüht. Die Drums sind überhaupt nicht loose („Camelia”).
Im Gegensatz zu diesen mäßigen und wenig berührenden Nummern hat seine Schwester mit Fever Ray das lustigste Soloprojekt seit langem am Start. Da fragt man sich schon, wer wirklich für den Ruhm von The Knife verantwortlich war. Allerdings steuerte Dreijer zum letzten Fever-Ray-Album Radical Romantics aus dem Jahr 2023 auch einige gute Nummern bei. Im sicheren Frequenzbereich ist bei Olof Dreijer tontechnisch alles im Lot. Auf der Rosa Rugosa EP langweilt diese Soundästhetik jedoch. Mirko Hecktor
Peder Mannerfelt – The Benefits of Living in a Hole (VOAM)
Peder Mannerfelt, der in der Vergangenheit gerne mal ausufernde, wabernde und ominöse Technotracks herausgebracht hat, geht nun Schritt in die entgegengesetzte Richtung. The Benefits of Living in a Hole ist eine unkomplizierte Sammlung energiegeladener Dancefloor-Stücke, die oft nur eine Idee verfolgen und diese dann auf DJ-Tool-Länge durchexerzieren.
„Pumping Plastics” schreit mit schrillen Kaugummi-Synths, bleibt aber gerade noch aufgeräumt genug, um nicht von der eigenen Hyperaktivität aufgefressen zu werden; „Vankelmotor” folgt dem Hochgeschwindigkeits-Trend und sampelt The Prodigys Firestarter auf 155 BPM, bleibt sonst eher blass. Auf der Flip geht’s heftiger zur Sache: „Eurotrashed” macht keine Gefangenen und bollert in Erinnerung an Subjecteds Vault Series vor sich hin. Seine abstraktere Seite lässt Mannerfelt noch kurz in den wirren Synths von „Liquid Rattan Mainframe” durchscheinen; ein schräges Stück, dessen Konfusion die Energie dieser Platte auf den Punkt bringt. Leopold Hutter
Tammo Hesselink – Work Work Work (Midgar)
Wer hätte gedacht, dass ein Stil wie Minimal Techno, der einst bis zur Sättigung rauf und runter gefeiert wurde, eine triumphale Auferstehung erleben würde? Bei Produzenten wie dem Niederländer Tammo Hesselink lautet das Erfolgsgeheimnis starke Reduktion plus starke Synkopation.
Das demonstriert er auf seiner ersten EP für das Berliner Label Midgar aufs Konsequenteste. Reduziert ist die Sache so stark, dass man praktisch nur Perkussionsklänge hört und die Sounds dort, wo sie nicht an Trommeln erinnern, gleichwohl ebenso perkussiv eingesetzt werden wie der Rest. Fünf Tracks, eine halbe Stunde und keine Sekunde Langeweile. Tammo Hesselink bewährt sich einmal mehr als Meister des Weglassens. Tim Caspar Boehme
Tiger & Woods – DJs On Film (Running Back)
Das italienische Duo Tiger & Woods hat sich aufs euphorische Lockermachen spezialisiert. Sei es mit breitbeinigem Boogie-Funk oder fröhlich vor sich hin kreiselndem House. Man ist selbst schuld, wenn man sich angesichts dieser klassischen Methoden der bewegungsfördernden Animation mittels rhythmischer Wiederholung zieren sollte.
Diesmal betreiben sie in der zweiten Hälfte der EP übrigens eine kulturelle Aneignung des French-House-Sounds à la Daft Punk. Alles sehr in your face, was ja bedeutet, dass man der Sache nicht ausweichen kann. Beim Film mag man zur Not weggucken, bei Musik wird es mit dem Weghören schon schwieriger. Und der Allmacht des Beats entkommt am Ende eh keiner. Wichtiger Hinweis der Produzenten im Abspann: „No samples were harmed during the filming of this record!” Einfach schön. Fast wie früher. Tim Caspar Boehme