Anoesis – Frame Jack 1 (Kranq)
Auf Anoesis’ neuer EP dominieren Tracks, die stoische Breakbeats und relaxte Keyboard-Flächen und -Melodien sehr gelungen verschmelzen. Was gar nicht so einfach ist und gerne mal, vor allem bei IDM-Produktionen, schiefgeht. Dann nämlich, wenn allzu krachige Beats zu lieblichen Synthies rattern, was eher unvereinbar und willkürlich zusammengefügt wirkt.
Dem Briten gelingt die Melange allerdings perfekt, und er macht auch nicht den Fehler, allzu harmlose Grooves zu kreieren – Kuschel-Step ist definitiv nicht seine Alternative zu besagtem Geballer. Hier geht es nicht um Harmonie ohne Kanten, sondern um Stimmigkeit – die auch mal ungemütlich sein kann. Und diese Gratwanderung schafft Howard Dodd, der schon seit 1994 als Anoesis produziert, anscheinend spielerisch – auf rhythmischer wie auf harmonisch-melodischer Ebene. Wenn’s im letzten Track noch psychedelisch wird, lösen sich endgültig alle plakativen Zuweisungen in ideengesättigte Luft auf. Mathias Schaffhäuser
Barker – Unfixed EP (Smalltown Supersound)
Die letzten Barker-Alben sind allesamt ziemlich gut ohne Kickdrums ausgekommen. Sein experimenteller, vom Dancefloor beeinflusster Ambient-Sound war einfallsreich und unterhaltsam zugleich. Auf seiner neuen EP für Smalltown Supersound dreht der Produzent das Rezept um und lässt sich vom Bassdrum-Experiment zu neuen Ufern leiten.
Was „Birmingham Screwdriver” ausmacht, sind nichts als die einzelnen Elemente einer Kick, immer wieder neu zu einem stotternden, abrasiven Rhythmus zusammengesetzt. Das macht den Track lebendig, der Klangraum wirkt groß, obwohl aus minimalistischen Einzelteilen zusammengesetzt.Der Rest der EP ist ebenfalls Barkers ganz eigenen Klanglabor-Versuchen entnommen, mutet jedoch ein wenig zugänglicher an. „Wick and Wax” erinnert an einen kosmischen Shed, die Versatzstücke von „Golden Hammer” stoßen zwar sperrig ineinander, wirken auf sanften Flächen getragen dennoch fast schwerelos, während „Percussive Maintenance” dubbig-weite Synths und kleinteilige Arrangements gekonnt kombiniert. Leopold Hutter
DJ Manny – Control (Planet Mu)
Wenn DJ Manny gut ist, dann ist er richtig gut. Dann entstehen mitunter Smasher wie Signals in My Head (2021), und auch simple Tracks mit blöden Titeln wie „Get The Money” machen nicht nur zappelig, sondern berühren auch das Herz. In seinem gesamten Output changiert er zwischen absolut funktionsmusikalischem Footwork, der auch mal an einem völlig uninteressanten Sample freidreht und manchmal fast dreieinhalb Minuten einfach nur nervt, und diesen äußerst dynamischen, melancholisch angehauchten R’n’B’-vibigen Übernummern. Die Rosinchen müssen also händisch und in aufwendiger Handarbeit aus seinen zum Teil schwer erhältlichen Veröffentlichungen selbst gepickt werden.
Control knüpft nicht nur vom Artwork her an sein Album von 2021 an. Der Titeltrack beweist Mannys Talent für eingängige Beats. „Spaceship” bringt, wie der Name andeutet, Träume von Weltraum und Sternenhimmel aufs Keyboard. „Bang This Joint” ist einer dieser erwähnten Skip-Tracks. „Let It Break” zeigt sein Können als Jungle-Producer. Auch hier: dynamisches Geballer und moody Melodien und Akkorde sind ein Rezept, das niemals enttäuscht. Auch das superbe, Gefühle von Nostalgie evozierende „Time Travel” würde sich, wie nahezu alle Tracks der EP, perfekt ins erwähnte Album einreihen. Herr Manny bleibt famos. Lutz Vössing
Jonny From Space – Heat Wave (Self-released)
„Heat Wave” klingt mit Klischee-Filter in den Ohren gehört nach London, dunklen Gassen und noch schummrigeren Keller-Clubs. Aber nix da, Jonathan Trujillo alias Jonny From Space lebt unter der Sonne Miamis und ist Resident im dortigen Club Space. Seine Tracks basieren im weitesten Sinne auf Breakbeats – sprich: Die durchgehende Kick wird konsequent vermieden –, und diese sind meist eher untypisch programmiert und sorgen dadurch für eine coole Distanziertheit. Hier wird nicht einer auf Kumpel gemacht, werden nicht die Buddy-Arme weit ausgebreitet.
Also muss man ein wenig genauer hinhören, und dann fällt das Freunde-Werden gar nicht mehr schwer, denn über den Beats liegen organische Percussion, klug programmierte Synthie-Sequenzen und ideenreiches Sounddesign. Zudem baut Trujillo in die Arrangements immer wieder Überraschungen ein, wie in „Drip Or Drown”, wo nach zwei Dritteln des Songs ein zusätzlicher Bass-Synth den Track nochmal deutlich anschiebt. Mathias Schaffhäuser
STL & Duckett – Why Not? (Solar Phenomena Music)
Die Split-EP der beiden Produzenten kommt mit je drei Stücken, die sich in ihrer minimalistischen, funkig-verträumten Stimmung ergänzen.
Der Opener „Simple As That” bleibt seinem Namen treu, einfach gesetzte Beats mit einer schrägen Synth-Melodie, in seiner extremen Reduzierteit aber kaum noch schwingend. Auch die Drums des Titeltracks „Why Not” klingen so banal und ungeschliffen, als wären die Samples im eigenen Badezimmer aufgenommen worden. Hat was, aber ein wirklicher Groove mag sich auch nach elf Minuten Laufzeit nicht einstellen. Zumindest haben die Lo-Fi-Breakbeats von „Realidad Aparte” mehr Charme als ihre geradlinigen Vorgänger, doch auch hier geht das Rezept vom Weirdo-Trippy-House mit verschrobenen Beats nicht überzeugend auf.
Mit seinen schneidenden, scharfen Digital-Sounds wirkt die Flip von Duckett im Gegenzug schon fast überproduziert, dabei kranken auch diese drei Stücke leider an zu viel Minimal-Konzept und zu wenig Groove. Das wäre dann auch meine Antwort auf den EP-Namen. Leopold Hutter