Nachdem wir in der letzten Ausgabe von Charts from the Past die jüngste Vergangenheit aufarbeiteten und sich alles um Krystal Klears Sommerhit „Neutron Dance” drehte, tauchen wir nun in ganz andere Sphären ein: Produktionen aus dem Jahr 1998 – eine Zeit, in der Techno aus Detroit in seiner Blüte war und der Sound sehr roh und repetitiv daherkam.
Gerade in diesem harten Maschinenklang aus Detroit – das aufgrund seiner Autoindustrie oft nur Motor City genannt wurde – fanden sich Lichtblicke in Form von Streichern oder Synthesizer-Pads. Insbesondere auf Jeff Mills’ Label Axis, auf dem auch Claude Young veröffentlichte, entwickelte sich das, was man als Tribal Techno bezeichnete und 1998 vermutlich seinen Höhepunkt erreichte.
DJs dieser Zeit haben die loopartigen Tracks genutzt, um drei Platten gleichzeitig laufen zu lassen, schnell zu mixen, zu cutten und gelegentlich zu scratchen. Ein Meister dieser Techniken, die aus dem Hip-Hop stammen, ist Claude Young aus Detroit. Er produzierte seit 1993 unter anderem mit Terrence Parker, Anthony Shake Shakir und Kevin Saunderson. Er war schließlich auch einer der Künstler, die für die Detroit-Berlin-Achse standen. In ihrem Zuge herrschte ein reger Austausch zwischen den beiden Städten, der maßgebend für die Entwicklung von Techno in Europa war. Repräsentativ hierfür ist die 2001 erschienene Mix-CD Essential Underground Vol. 3 (Berlin / Detroit) von Rok & Claude Young.
Aufgrund der prägenden Rolle, die Claude Young als DJ hatte, ist ein Blick in seinen Plattenkoffer von 1998 hochinteressant. Für seine Charts listete er oft gleich ganze EPs, weshalb wir eine Auswahl einzelner Tracks für euch getroffen haben.
Die Liste beginnt mit dem ominösen „White” von Adam Beyer, womit vermutlich die Untitled-DJ-Tools seines Projekts Code Red von 1998 gemeint sind. Es sind sehr gelungene, perkussive Tracks, die auch heute noch spielbar sind. Verlinkt ist A2 von Code Red 06 – mit seinen Dub-Elementen besonders toll. „Sound Pressure, Pt. 3” von Surgeon & James Ruskin ist ebenfalls ein Klassiker und geht in Richtung Industrial Techno. „Distance” von The Advent hat eine Synth-Line, die die Zeit wohl nicht so gut überlebt hat: Sie lässt den sonst groovigen Track etwas nach Spielzeug-Techno klingen.
„Summer of Blood” von Rue East könnte das schwer zu ermittelnde Highlight in der Liste sein. Mit verschobenen Rhythmen und dennoch repetitiven Samples ist hier eine große Portion House eingestreut. Auf Platz eins landet für Claude Young „Metaphor” von Oliver Ho. Es ist eine Platte, die paradigmatisch für die Zeit steht, denn Produktionen in dieser Radikalität wird man heute kaum mehr finden: Ein Beat, der an Jeff Mills erinnert, wird von jazzy Streichern im Stil von Terrence Dixon ergänzt und bleibt wunderbar düster.