Kasra V – Hyperdelic EP (Radiant)
Kasra V formt aus eher konventionell klingenden Beats im Zusammenspiel mit ultrareduzierten Synthesizer-Effekt- und -Bass-Zutaten eine verblüffend effektive und hochästhetische Electro-Funk-Variante.
Der Opener „Voice Note To Self” gibt die Richtung vor: Wenig passiert, aber alle Elemente von Bass über spooky Samples bis zu coolen Cuts kommen zur rechten Zeit in perfekter Dosierung zum Einsatz. Der folgende Remix von Byron Yeates und Roza Terenzi verfolgt ein ähnlich reduktionistisches Prinzip, zieht daraus aber nicht die Intensität wie das Original. Zu dieser kehrt Kasra V auf Seite B aber wieder zurück. „Vesper” über Downtempo-Beats auf 80 BPM zieht seinen Reiz aus einem modulierenden Synthiebass-Bordun, „Night Prime” aus einer mit geringsten Mitteln inszenierten Funkyness und gezielt gesetzten Störgeräuschen und „Warm Up Great” aus dem akustischen Nachstellen einer schummrig-bedrohlichen Seitengassen-Szene einschlägiger US-Gangsterfilme. Really Hyperdelic! Mathias Schaffhäuser
Lårry – How Was That For You (BRUK)
Ich bin kein Experte für Zombie-Apokalpysen, habe aber genügend von The Last of Us gesehen, um zu behaupten, dass die Welt zum Sound von Lårry untergehen wird. Wobei: Welt ist übertrieben. Es ist eher das, was davon übrig geblieben ist, nachdem sich der Fungus – anschaulich abgebildet auf dem Cover der EP – ausgebreitet hat.
Spoilerwarnung: Viel ist es nicht. Deshalb beschränkt sich der Sound von Lårry auf die Basics: unheimliches Dröhnen, eine humpelnde Kick, dazwischen ein Zischen und man landet im Jungle. Für Menschen, die wie ich nach drei Sekunden in der Loop-Starre nach dem Ritalin-Nachschub fingern, könnte How Was That For You also zu einem anstrengenden Unterfangen werden. Ist nämlich nicht so, dass uns die Scheibe auf dem Berliner Label BRUK mit Reizen übergießt. „In Water” klingt so, als hätte Squarepusher die Hälfte seines Studios verscherbelt. „Angela’s Knife” wobblet wie Dubstep, für den die Kids keine Kohle ausgeben. Bei „Uniform Uniform” weiß man nicht, wo vorne und hinten ist. Und „Yargachin” überlegt sich in Zeitlupe, ob vielleicht, mitunter oder doch eher kein Break in die Untergangsstimmung krachen soll. Nach Plan B hört sich das nicht an, eher wie ein Trauma. Christoph Benkeser
Tim Reaper – The Cosmik Connection Vol. 3 (Unknown To The Unknown)
Gegen den Stillstand anzukommen, scheint in der Clubmusik derzeit schwierig. Jungle und Drum’n’Bass etwa gibt es reichlich, vieles davon eher der Tradition verpflichtet als dem Weiterdenken eines Breakbeatmusters, das seiner Wiedererkennbarkeit wegen mitunter wie eine leblose Zeitkapsel erscheint.
Aus dieser Schlaufe auszubrechen trachtet der britische Produzent Tim Reaper, diesmal beim Label UTTU in dessen The Cosmik Connection-Reihe. Mit Erfolg. Von Track zu Track variiert er seine Breaks, teils selbst in mutwillig begradigter Form. Die Synthesizer sorgen für den gebotenen Weltraumanteil; in „Solar Flare” mit dezent-weichen Akkorden, tröpfelnden Klängen und hochgepitchten Stimmen, während im Titeltrack der Beat lediglich im Hintergrund von unaufdringlichen Harmonien etwas Rückenwind erhält. „My Definition” nimmt dem hohl pochenden Break die Spitze durch tänzelnden Bass in der Tiefe und die darüber segelnden, sternenstaubartigen Tonkaskaden. Letztere kommen noch prominenter zur Geltung in „DJs In The Mix” mit hochtourigem Rappelbeat und gläsernen Glissando-Harmonien. Alles ein bisschen drüber, doch den vitalen Funktionen des Patienten geht es in den Händen von Tim Reaper ausgezeichnet. Tim Caspar Boehme
Tomás Urquieta – Calatea EP (Seilscheibenfeiler)
Der Chilena Tomás Urquieta macht so was wie cinematische Bassmusik. Gewaltig, mit Schmiss, selten rund und trotzdem mehr als tanzbar. Seine neueste EP für das Label Seilscheibenpfeiler der Jungs von Modeselektor ist deutlich clubbiger als frühere Instanzen seiner Leftfield-Breaks, rollt zielsicher auf den Dancefloor zu und behält sich dennoch das Überraschungsmoment und Kopfkinopotenzial bei.
Dabei wurden die Tracks allesamt im Krankenhaus gebastelt, während Urquieta seinem damals schwerkranken Vater beiwohnte. Trotz des sterilen Umfelds klingen die vier Stücke auf Calatea ganz schön lebhaft, mit donnernden Bässen, zügelloser Perkussion und vor allem einer Menge Alarm für den Dancefloor. Dabei trifft die Mischung aus UK-Hardcore, Industrial und lateinamerikanischen Rhythmus-Einflüssen genau den Zahn der Zeit. Leopold Hutter
Volruptus – Moxie (Herrensauna)
Das isländische (okay, mittlerweile natürlich in Berlin ansässige) Electro-Alien Volruptus meldet sich mit seiner ersten Veröffentlichung dieses Jahres auf Herrensauna zurück. Los geht’s mit der düsteren Ambient-Vignette „Anima Mundi”, bevor „Lodestar” in vergleichsweise schöne Electro-Gefilde entführt. Das folgende „Propel” nimmt relativ offensichtlichen Bezug auf Underground Resistances „Final Frontier” – und muss sich vor dem eiskalten Klassiker durchaus nicht verstecken (und Kopie ist ja bekanntermaßen die höchste Form der Anerkennung). Hit. So viel zum ernsthaften Teil.
Auf der B-Seite werden dann andere Saiten auf die Klaviatur aufgezogen. Oder der Zuhörerin ganz neue Flötentöne beigebracht? Die Wahnsinns-Schraube angezogen? Jedenfalls: die rasend übereinander stolpernden Breakbeats von „Exist Dance” untermalen in perfekter Weise die überkandidelten Melodiebögen des Tracks. Überboten wird das noch vom fröhlich hoppelnden Rhythmus-Pattern des Abschlussstücks „Wizardry”. Die dazu passenden, so kindlichen wie Speed-gesättigten MIDI-Melodien legen nahe, dass der Künstler sich hier nicht zu ernst nimmt – eine stets erfrischende Herangehensweise. Tim Lorenz