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Motherboard: März 2023

Wollen wir den Club mal nicht dekonstruieren, sondern in Grund und Boden rocken? Aber schon hirnverzwirbelnd und quasi untanzbar bleiben? Dafür stellt die Berliner:in Zoë Mc Pherson definitiv die richtigen Werkzeuge zur Verfügung. Pitch Blender (SFX, 3. März) bringt den nichtbinären Post-Club wieder zum Warehouse-Raven. Bar jeder käsigen Melodieelemente, aber mit der Hibbeligkeit von Gabber und der Dringlichkeit von digitalem Neo-Hardcore clustert sich hier die Hochgeschwindigkeitsaufregung in aller beatlichen Kleinteiligkeit zu etwas Hyperinteressantem, das sich hören lässt wie Free Jazz (wertschätzend im Mitwippen-Style) oder halt wie Dub. Das grätscht in den Moment des Umbruchs in den frühen Neunzigern, als aus Electro und Breakbeats erst akrobatische Tanzmusik destilliert wurde, die dann zu intelligenter Anti-Tanzmusik umgedeutet wurde. Eine bis heute vorherrschende Interpretation. Zoë Mc Phersons drittes Album gibt diesen verlorenen Momenten die Körperlichkeit zurück, derer sie so lange beraubt waren.

Und ist der Kopf von Mc Pherson noch nicht ausreichend durchgepustet, empfiehlt sich eine Intensivbehandlung mit Psykor (SIGE, 3. Februar) von Veronica Avola. Sonische Katharsis aus den zermatschten Fragmenten von Gabber und Dark Ambient als synthetisch-psychedelische Essenz aller schlechten Trips, Zeitlupenautounfälle und Keta-Löcher zusammen. Ziemlich erhellend also.

Inzwischen wissen wir alle, dass die Zukunft der Beats in einer imaginierten globalen weird-queeren Welt liegt, die sich in den vergangenen Jahren ziemlich häufig in einem ganz und gar realen Asien oder Afrika manifestiert. Zum Beispiel in Uganda, wo die in Ghana geborene Sänger:in und Produzent:in lebt und arbeitet. Ihr Debüt Cociage (Hakuna Kulala, 3. März) atmet in jedem Detail eine ins Neue gerichtete Sicht auf die Tradition und das Alte, die nichts, was war, wegwerfen will und doch alles anders, alles neu machen will. Und kann. Wie sich das manifestiert, als massiver Beinahe-Gabber oder als gehauchter Vokal-Experimental-Ambient, ist nicht weniger als atemberaubend.

Nicolas Jaar hat sich in etwas mehr als einer Dekade vom allseits geliebten Slow-House- und Electronica-Pop-Producer zu einem allseits respektierten und gerne auf Festivals eingeladenen Experimentalisten für alle Genres entwickelt. Noch mehr aber wurde er zu einem wertvollen Entdecker und Ermöglicher von jungen und alten Talenten aus der ganzen Welt. In direkten Kollaborationen sowie für sein Label Other People findet Jaar regelmäßig Unglaubliches in den entlegensten Nischen. Von polnischer Radiokunst aus den späten Fünfzigern bis hin zu den aufregendsten Nachwuchs-Produzent:innen aus Los Angeles auf Portals (Other People, 10. Februar). Die ausladende Compilation ist das Ergebnis eines musikalischen Workhops, den Jaar in der Stadt geleitet hatte. Portals ignoriert sehr glücklich sämtliche Grenzen von Sound, Genre und Gender, von klassischem Latinx-Chanson, Cloud-Rap, Trap und Post-Internet-Avatar-Pop zu brandaktuellem Neo-Gabber und neuesten Electronica- und Ambient-Derivaten geht einfach alles. Und wie es geht.

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