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Scooter-Doku „FCK 2020”: Mit dem Privatjet zum Champagnerknopf

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Nach einer achtteiligen Doku zum Themenkomplex „Techno House Germany” und einem Podcast von Westbam für die ARD führt nun eine NDR-Koproduktion über Scooter die öffentlich-rechtliche Auseinandersetzung mit allem, das angeblich etwas mit Rave-Kultur zu tun hat, fort. Der Film FCK 2020 inszeniert die unverblümte Naivität seiner Protagonisten und ihre Privilegiertenproblemchen, bietet also jede Menge Lacher. Aber auch Anlass zur Inventur in einer Zeit, in der sich Mainstream und Clubkultur auf verschiedene Arten annähern.

Es ist ein Leichtes, sich über Scooter lustig zu machen. Schwerer fällt es hingegen, zu akzeptieren, dass H.P. Baxxter und Co. immer zuletzt lachen werden. Zum einen, weil sie schon immer kommerziell erfolgreich waren und es vermutlich bleiben werden. Und zum anderen, weil sie mit ihrem Nonsens-Trash-Hardcore das weiterführen, was ihre großen Vorbilder The KLF einst angefangen hatten. Sie verhalten sich damit ein bisschen so wie Rammstein zu Laibach: Wo die deutsche Metal-Band aus der politischen Subversion ihrer slowenischen Vorbilder die bloße Provokation (und damit jede Menge Kohle) machte, haben Scooter das konzeptuelle Trickstertum von Bill Drummond und Jimmy Cauty zum reinen Selbstzweck (und beständigem Einnahmequell) werden lassen. Kurzum: Sie machen scheußliche Musik und fahren sehr gut damit.

Scooter in der Wüste (Foto: Presse)

Auf gewisse Art und Weise stellen Scooter damit nicht mehr und erst recht nicht weniger als die letzte logische Konsequenz all der Techno-Träumereien der raving society dar: Den Traum, die breite Masse zum Tanzen zu bringen. Scooter repräsentieren seit dem Techno-Umbruchsjahr 1994, in dem sie mit „Hyper, Hyper” ihren ersten Erfolg landeten, die unliebsame Konsequenz des Ganzen. Massentaugliche Untz-Untz-Brüll-Brüll-Musik, Business Techno (respektive Happy Hardcore) avant la lettre. Das prägte für lange Zeit in der Mehrheitsgesellschaft die Auffassung davon, was das eigentlich sei, Rave. Kein Wunder, dass die Gruppe innerhalb der Szene zum roten Tuch wurde. Ebenso wenig verwunderlich ist es allerdings, dass sie nun, wo Dance Music den Mainstream über TikTok wie über die Öffentlich-Rechtlichen auf verschiedenste Arten wieder erreicht hat, erneut zum Gesprächsgegenstand werden – und damit auch zu Galionsfiguren eines Sounds und einer Szene werden, die damit überhaupt nichts zu tun haben möchte.

„I don’t give a penny / Fuck 2020!”

Im Gespräch zu bleiben fiel dem Trio trotz eines sich ständig drehenden Besetzungskarussells immer schon leicht. Hin und wieder reicht ein Foto vor dem Berghain, der Trash-Trend der letzten Jahre leistet sein Übrigens: Es ist zumindest auf manchen Dancefloors nicht mehr verpönt, das Set mit einer Scooter-Nummer abzuschließen. Und da war ja noch ein Album des Trios, das insgesamt zwanzigste, namens God Save the Rave, das – Ironie ist schließlich immer und ständig das Schlüsselwort – der Pandemie wegen mit einem Jahr Verspätung erst im April 2021 erscheinen konnte. Die damit einhergehende Tourabsage bot immerhin Inspiration und ausreichend Zeit, um noch einen Song zu produzieren, der wohl vielen aus der Seele sprach: „I don’t give a penny / Fuck 2020!”, heißt es auf „FCK 2020”. 

Unsubtile Lachgaranten

Denselben Titel trägt die Dokumentation von Cordula Kablitz-Post, die zuvor unter anderem für die Durch die Nacht mit…-Serie und diverse Formate von Christoph Schlingensief verantwortlich war – die sich, heißt das, also bestens auskennt mit exaltierten Dauerprankstern. Wer sich von FCK 2020 eine Erklärung des Phänomens Scooter erhofft, wird enttäuscht. Stattdessen werden die im Untertitel der Koproduktion mit dem NDR ausgesprochenen Zweieinhalb Jahre mit Scooter relativ nüchtern aufgerollt. Betonung auf „relativ”, denn nicht nur mixt sich H.P. Baxxter auch mal vor laufender Kamera einen Prä-Show-Vodka-Bull, es gibt natürlich am laufenden Band berauschende (Meta-)Jokes zu erleben.

Scooter schminkt sich (Foto: Presse)

Der Film steigt in medias res, das heißt dem rasenden Stillstand der ersten Pandemiemonate ein. Nichts geht und Baxxter geht es nicht gut mit der Situation. Für ein paar Lacher ist das alles trotzdem gut, dafür sorgt die Dramaturgie. Im Hamburger Bürogebäude des Labels Kontor wird etwa über Konzerte in Autokinos diskutiert und Baxxter findet den Gedanken offensichtlich furchtbar, doch zeigt der nächste Schnitt die Gruppe schon bei der Vorbereitung und Durchführung eines ebensolchen. Hihi. 

Solche unsubtile Lachgaranten gibt es einige in FCK 2020 zu sehen. Baxxter zieht sich in St. Tropez – „Ballermann für Reiche”, gibt er freimütig zu – eine Corona-Infektion zu, haha. Baxxter erklärt seinen Ansatz als Texter als einen dadaistischen: Es ginge darum, „Sachen so rüberzubringen, als seien sie etwas ganz Bedeutsames, aber in Wirklichkeit ist es Nonsens”, haha. Baxxter streitet sich in seiner bizarr dekorierten Villa – ein sehr echt wirkendes Tigerfell samt Kopf ist nur die Spitze des Eisbergs – mit jemandem darüber, ob der neu erworbene Teppich nun aus Aserbaidschan käme oder nicht. Baxxter: Kann ja nicht sein, diese Flora und Fauna gebe es dort nicht. Ob er jemals da gewesen sei? Nee, haha.

Scooter vor dem Computer (Foto: Presse)

Solche Momente sollen in dieser fast zweistündigen Dokumentation wohl analog zu den nur Erwachsenen verständlichen Zweideutigkeiten in Disney-Filmen diejenigen bei Stange halten, die nicht als Fans kommen, sondern einfach nur mal reinschnuppern wollen in die Welt von Scooter. Oder die das Ding, wie es neudeutsch heißt, hatewatchen wollen. Dafür eignet sich FCK 2020 prima, ein bisschen Geduld wird aber dennoch gefordert – langatmig ist der Film allemal. Auch weil nie so wirklich klar werden möchte, was genau eigentlich erzählt werden soll.

Privatjet und „Champagnerknopf”

Die Bandgeschichte wird anfangs kurz aufgerollt. Baxxter besucht die Mutter, es werden alte VHS geguckt, Fotos eines pubertären Billy-Idol-/Robert-Smith-Hybriden namens Hans Peter Geerdes gezeigt und Videos seines Synth-Pop-Projekts Celebrate the Nun flackern über den Bildschirm. Mehr und mehr Weggefährten wie das musikalische Mastermind hinter den frühen Scooter-Erfolgen, Produzent Rick J. Jordan, und der für den Kurswechsel in Richtung Dancefloor mitverantwortliche Jens Thele – DJ, Mitarbeiter beim Plattenlabel Edel und späterer Gründer von Kontor – schalten sich ein und ergänzen die Geschichte um ihre Perspektiven.

„Die wenigsten anderen Gruppen reisen mit dem Privatjet durch die Gegend oder werden in Hotels untergebracht, die zusätzlich zur Zimmerservice-Hotline einen ‚Champagnerknopf’ anbieten.”

Sowieso soll es ja um die Band Scooter und nicht etwa die Person H.P. Baxxter gehen. Dass unter dessen Überpräsenz indes das Gründungsmitglied Sören „Ferris Bueller” Bühler bei den ersten Erfolgen litt, erzählt dieser selbst in die Kamera. Auch im Miteinander von Baxxter, dem seit 2006 an den Synthies stehenden Michael Simon und der Jordan-Ablöse Sebastian Schilde wird immer wieder deutlich, wer eigentlich die Hosen anhat. Die drei lachen einander zwar selbst dann noch penetrant kumpelhaft an, wenn sie derbe Sprüche austeilen. Spätestens aber wenn während Studiosessions Türen knallen und Baxxter die beiden bei einer großen Show in einen Extra-Backstage-Raum einkasernieren lässt, zeigt sich das Gefälle zwischen Frontmann und den Machern im Hintergrund.

Diese internen Spannungen haben sich zwischenzeitlich im Ausstieg von Geerdes’ Mitarbeitern, oder eher Angestellten, entladen und werden in der Dokumentation vom ständigen Stop-and-Go-Modus der Pandemie eingerahmt. Die Albumproduktion geht schleppend voran, Tourneen werden abgesagt oder verschoben, das Frustrationslevel steigt. Normale Probleme, wie sie in der Musikindustrie in diesen zweieinhalb Jahren alle durchlebt haben, die hier endlich mal greifbar aufbereitet werden? Jein.

Scooter vor dem Privatjet (Foto: Presse)

Denn auch wenn Simon darüber klagt, dass „90 bis 95 Prozent” der Einnahmen von Scooter – eine Band mit regelmäßigen Top-Ten-Platzierungen und neunstelligen Streaming-Zahlen, wohlgemerkt – über Konzerte generiert werden: Die wenigsten anderen Gruppen reisen mit dem Privatjet durch die Gegend oder werden in Hotels untergebracht, die zusätzlich zur Zimmerservice-Hotline einen „Champagnerknopf” anbieten.

Den Sturm durchstehen

FCK 2020 zeichnet tatsächlich nicht das Bild einer von Corona-Auflagen gebeutelten Band, die doch nur ihre Kunst auf die Bühne bringen möchte. Sondern vielmehr das einer vormals gut laufenden Business-Maschine, die abrupt zum Stillstand gekommen ist und sich mit einigen Tricksereien aber immer wieder an neuen Kickstarts versucht – weil sie es sich, anders als auf kleinerem Level agierende Akteur:innen, schlicht leisten kann.

Szenen der ausgestorbenen Hamburger Innenstadt werden beispielsweise mit einem feiernden H.P. Baxxter kontrastiert, der mit seiner Gruppe den Videodreh für „FCK 2020” nach Göteborg verlegt hat. Und als es zum Tourstart 2022 seitens seines Labels heißt, er müsse bezüglich einer Infektion aufpassen, lautet die Antwort ebenso lakonisch wie genervt: „Da nehme ich keine Rücksicht drauf.” Der zu Pandemieanfangszeiten gerne geäußerte Allgemeinplatz, es würden doch alle im selben Boot sitzen, wird so nachträglich nochmals korrigiert: Nur der Sturm war derselbe, ihn mussten jedoch manche in einer Nussschale und andere auf einer Luxusyacht durchleben. Zu den Füßen ein Tigerfell.

Scooter im Gespräch (Foto: Presse)

Kablitz-Post bietet also mit ihrem Film neben ein paar humorigen Einlagen auch viele Anknüpfungspunkte für einen kritischen Blick auf Scooter und, obwohl das wohl doch nicht dasselbe ist, die Figur Baxxter. Dass ihr Film überhaupt zustande kam, dass hinter dieser belanglosen Geschichte eine Nachfrage beziehungsweise ein tiefergehendes Interesse an Scooter vermutet wird, unterstreicht derweil, warum der Gruppe all das niemals zum Nachteil gereichen wird: Sie werden liebend gerne als die Hofnarren deutscher Trash-Kultur betrachtet, als naiv und weltfremd bis ins Mark.

Wer sich, das beweist FCK 2020 eben auch, über sie lustig macht oder sie differenziert zu betrachten versucht, wird sie in dieser Rolle immer nur bestätigen und den eigentlichen Mythos so nur untermauern. Wir alle mögen über ihn lachen und haben allen Grund dazu, doch Geerdes sitzt davon unbehelligt in seiner Eigentumsvilla in einem noblen Hamburger Stadtteil und denkt nicht mal daran. Sondern lieber darüber nach, woher eigentlich sein sündhaft teurer Teppich kommt.

Anlass zur Inventur

Für eine Szene, die sich stets vehement von Scooter distanziert hat und deren jüngste Mitglieder sich nun aber wieder lustvoll Trance und Trash annähern, könnte all das Anlass zur Inventur bieten – wird sie doch von solcherlei Dokumentarprojekten implizit in Sippenhaft genommen. Aber ist es nicht zumindest richtig, dass Scooter sich aus ihren Codes ihr Image zurechtgezimmert haben? Allein ein Blick auf – ja, ernsthaft – den Text zu „Hyper, Hyper” könnte aufschlussreich ausfallen: Westbam, Marusha, Carl Cox, Sven Väth, Mark Spoon, DJ Hell, Mate Galic, Miss Djax, Tanith, Laurent Garnier und Pascal F.E.O.S. werden dort unter anderem als Stifterfiguren des Scooter-Sounds aufgezählt. Weitgehend als kredibel erachtete Szenemitglieder also.

Scooter live (Foto: Presse)

Nun waren Scooter niemals wirklicher Teil der von ihnen besungen beziehungsweise bebrüllten Szene, und dennoch lässt sich fragen: Ist es nicht willkürlich, das irgendwie peinlich zu finden oder als Verrat an den Errungenschaften der Rave-Kultur zu werten und im selben Zug aber Daft Punks später erschienenen Track „Teachers” als Dokument der musikalischen Integrität zu adeln? Sind nicht irgendwie sowohl die einen wie die anderen auf dieselbe Art und Weise jeweils das Produkt einer Subkultur, die sich nie ausreichend vor Vereinnahmungen durch den Mainstream abgrenzen konnte oder das teilweise überhaupt nicht wollte? Und die beide genau deshalb reich und berühmt wurden? Daft Punks Verwurzelung im Kern der Szene mag über jeden Zweifel erhaben sein, ein Tralala-Sommerhit wie „Get Lucky” vielleicht aber schon nicht mehr.

Es ließen sich noch viele andere Vergleiche ziehen zu den Supersuper-DJs dieser Tage, die in den gleichen Privatjets wie Scooter unterwegs sind, den Finger fest am Champagnerknopf, und das aber nicht mit derselben plumpen und immerhin doch aufrichtigen Direktheit kommunizieren. Es ließe sich also fragen, wo genau nun die Grenzen verlaufen zwischen dem, was gut und heilig ist, und dem Schlechten in der Welt.

Scooter zumindest, das sind ein paar naive und doch gewiefte Trickster, die einem patentierten Erfolgsrezept folgend die Banknoten eingesteckt haben, statt sie wie The KLF dereinst in einer ambivalenten Kunstaktion auf der Isle of Jura zu verbrennen. Die übrigens werden in FCK2020 mit keiner einzigen Silbe erwähnt. Sie als die direkte Vordenker von Scooter zu verstehen, dürfte allerdings vielen noch schwerer fallen, als zu akzeptieren, dass Baxxter und Co. am Ende als Letzte lachen. Es ist nun eben auch kein schöner Gedanke.

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