Beyun – Spectral Calibration EP (Vault Wax)
„Exploring altered states on 303” ist der Claim des in Rotterdam ansässigen Labels Vault Wax. Beyun, die Gründerin des Labels, stammt eigentlich aus den USA, wo sie mal hier, mal dort zuhause war. Bevor es sie in die Niederlande zog, lebte sie einige Jahre lang in Atlanta und arbeite als A&R für den Acid-House-Pionier DJ Pierre und seine Labels Afro Acid, Jack Trax, and Afro Deep. Sowohl auf ihren beiden bisher erschienenen eigenen Platten als auch auf Vault Wax spielt, wie der gewählte Claim schon vorgibt, Acid die Hauptrolle – in diversen Ausprägungen. Ganz gleich, ob das darunterliegende Beat-Fundament von Electro-, Techno- oder House-Einflüssen geprägt war, die bereits erschienenen Releases von ihr selbst oder den Acts Black Cadmium und 30303 hatten bisher eher einen Hang zum Groben.
So sehr man den bisherigen Output auf Vault Wax für Stangenware halten konnte, die neue Beyun-EP Spectral Calibration ist schon bemerkenswert facettenreich. Die vier neuen Tracks der US-Amerikanerin basieren auf fast schon zarten und leichtfüßig swingenden Electro-Beats. Ganz schön fluffig geben sich auch die 303-Lines, die sich gerne mal in melancholische Strings kuscheln. Ein bisschen offensiver lässt es dabei der Titeltrack der EP angehen, „Spectral Calibration”ist ein Hybrid aus Breakbeat und Electro und das Highlight dieser Platte. Holger Klein
Brendon Moeller – Highly Concentrated (Delsin)
Welcome to the lab – willkommen im Forschungsinstitut Dr. Moeller. Hier zischt und schmatzt es mysteriös um die Wette, in jeder Ecke des Stereo-Panoramas scheint etwas vor sich hinzuköcheln und kurz vor der Transformation in einen anderen Aggregatzustand zu stehen. Nun sind abgefahrene Sounds und ausgefuchste Synthesizer-Behandlung nichts wirklich Neues im Werk von Brendon Moeller, aber Highly Concentrated gehört definitiv zu seinen experimentellsten Veröffentlichungen – auch wenn es vermessen wäre, zu behaupten, Moellers Output wirklich umfänglich zu kennen. Zu seinen gut zehn Alben und Dutzenden EPs kommen schließlich noch jeweils fünf Longplayer als Echologist und Beat Pharmacy plus entsprechend viele Maxis dieser Projekte.
Was hingegen ganz klar zu dieser großartigen EP gesagt werden kann: Hier findet kein Genre in Reinkultur statt, weder Techno oder House noch Ambient oder Dub passen als Kategorie eindeutig zu einem der sechs Stücke, vielmehr sind Destillate aller Stile fast ständig anwesend und fusionieren von Track zu Track zu neuen Überraschungen. Natürlich erfindet Moeller hier die elektronische Musik nicht neu, aber so viel Ungewöhnliches, so viel Inspiration ist nicht alltäglich in diesem musikalischen Kosmos. Mit dem Titelsong und „Refridgeration” erfüllen zudem zwei Tracks die Anforderungen für den ambitionierten Techno-Dancefloor, die anderen vier Stücke passen eher in die Listening-Bar oder -Playlist. Wer Moellers EP Bangers & Ash von 2015 kennt, kann eine Ahnung von dem entwickeln, was ihn auf Highly Concentrated erwartet – allerdings erweitert um noch mehr Spaß am Fusionieren und Ausprobieren. Mathias Schaffhäuser
Denham Audio – Denham Audio & Friends Vol. 2 (Cheeky Music)
Willkommen zurück in den frühen Neunzigern. Denn die werden von Denham Audio und ihren Freund*innen (als da wären: Swankout, Thugwidow, Coco Bryce und RAVETRX als Remixer) auf den Tracks dieser EP perfekt simuliert. Will heißen: Jungle-Breaks, „Mentasm”-Staubsauger und tiefschwingender Lately-Bass, hochgepitchte Vocals und Ecstasy-geschwängerte Piano-Breaks versetzen zurück auf morgentaufeuchte Wiesen abseits der M25-Ringstraße um London – so man damals denn schon auf der Welt war.
Wenn nicht, dann klingt das vermutlich fresh as hell. Und warum auch nicht, Euphorie ist nunmal eternal, wie man so sagt, ob man jetzt 19 ist oder es 1991 war. Ein perfekter Schnappschuss der Vergangenheit (die es so tatsächlich gab, ich war da), gewürzt mit den Produktionsmitteln des Jetzt, um die Zukunft zu beschreiben. In diesem Sinne: Rave to the grave! Tim Lorenz
Hasvat Informant – HgB-8: Intellagama – Proof of Assets (Amniote)
Eine neue Unbekannte im Spiel ist die australische Wasseragame – eine den Osten Australiens besiedelnde Echsenart. Wenn ihr Gefahr droht, lässt sie sich gerne mal aus schwindelerregenden Höhen fallen. Ganz besonders gerne residiert sie nämlich in Baumwipfeln. Ob es der abenteuerliche, freie Fall der Echse ist, der Hasvat Informant zu diesem Pseudonymwechsel angeregt hat, bleibt ein Geheimnis.
Was jedoch keines bleiben wird, ist seine Scheibe Proof of Assets. Die hat einiges mit dem namensgebenden Water Dragon gemein. Denn die vier Tracks darauf sind mindestens ebenso agil, schwerelos und dezidiert wie diese kleine – wo ist sie denn jetzt nur wieder hin – höllisch flinke Echse. In Bewegung zu bleiben, fällt beim Anhören denkbar leicht. Als „psychedelisch” wird derzeit überproportional viel Techno deklariert. Nicht immer macht die Etikettierung tatsächlich Sinn. Psychotisch würde oft besser passen. Nicht jede*r kann ein Dozzy, ein Marco Shuttle oder Nobu sein. Bei Intellagama jedoch kann man den Begriff getrost verwenden. Ist zwar noch ein weiter Weg bis zu den höchsten aller hohen Baumkronen, aber klettern kann die Wasserechse ja nachweislich gut. Andreas Cevatli
Otik – Psyops (Solar Body)
Im Drum’n’Bass-Revival, wenn man das überhaupt noch so nennen kann, gibt es die Recycler*innen und die Innovator*innen. Letztere zumindest als solche verstanden, die sich um neue Ansätze bemühen. Und dann gibt es Otik.
Strenggenommen gehört auch er in die Kategorie von Produzent*innen, die mehr der Zukunft zugewandt als in der Rückschau verhaftet sind. Doch bei ihm haben die Tracks stets einen sehr eigenen Charakter, leicht wehmütige Stimmungen legen sich in Gestalt von halligen Melodien und Akkorden über seine Breaks. Dazu kommen Effekte, die sich unter dem Oberbegriff „seltsam” zusammenfassen lassen. Klingen aber nicht nach angeberischer Könner-Exzentrik, sondern passen auf ihre schräge Weise ganz wunderbar in die Tracks. Mit seiner EP Psyops dürfte er wieder viele Menschen glücklich machen. Wann kommt von ihm wohl ein Album? Tim Caspar Boehme