Martyna Poznanskas Arbeit NEXT OF SKIN aus dem Jahr 2018 (Foto: Stas Semenyuk)

Martyna Poznańska ist eine Grenzgängerin. Die Wahlberlinerin arbeitet mit verschiedenen Medien, um Verbindungen zwischen Klang und Materie zu erforschen. Die Praxis des Field Recordings zieht sich durch ihre Arbeit, ebenso setzt sie sich mit Video, Zeichnungen, Text, mit vorgefundenen Objekten und dem eigenen Körper auseinander.

Poznańskas Arbeiten und Performances waren schon an so verschiedenen Orten wie der Akademie der Künste in Berlin, dem Unsound in Krakau oder bei SPOR in Kopenhagen zu erleben. Bei der diesjährigen Maerzmusik, die am Sonntag zu Ende geht, sind noch drei Arbeiten von Poznańska zu sehen: A Garden of Forking Path – Finale 1 am Samstag um 20:00 Uhr, das Ukraine Fund Raising Konzert am Sonntag um 12:00 Uhr, von dem sie Teil ist, und ihre Live-Performance am Sonntag um 18:00 Uhr bei A Garden of Forking Path – Finale 3.


Im Video unten haben Sie gesagt, dass Sie nicht an die Zukunft glauben und dass wir uns auf die Gegenwart konzentrieren sollten. Wie passt das zur gegenwärtigen Situation?

Dieses kurze Video ist stark mit der Zeit verbunden, als ich 2019 meine Einzelausstellung im Allgemeinen Konsumverein Braunschweig vorbereitete. Sie trug den Titel ‚Angry Earth = It’s Certain Because It’s Impossible’ und war ganz der Klimakrise gewidmet. Mit der Aussage, dass ich nicht an die Zukunft glaube, wollte ich sagen, dass jetzt die Zeit zum Handeln gekommen ist, dass keine Minute mehr zu verlieren ist. Wenn Sie sich mit der aktuellen Situation auf den Krieg in der Ukraine beziehen, ist das auch einer der Momente in der Geschichte, in dem wir handeln und so viel wie möglich tun sollten, um unseren ukrainischen Nachbar*innen zu helfen und sie zu schützen.

Myzelien sind ein Leitmotiv der diesjährigen MaerzMusik. Nutzen Sie diese gewaltigen Netzwerke der Natur, das wir von Pilzen und Bakterien kennen, in Ihrem kreativen Prozess – und wenn ja, wie?

Myzelien sind ein unglaubliches und mächtiges Phänomen, das auch zeigt, wie verstrickt wir als Menschen sind mit dem Nichtmenschlichen. Sie erzeugen ein neues Bild des Aufbaus der Welt und des gesamten Systems unseres Planeten, zu dem wir gehören. Myzelien zeigen auch auf schöne Weise die Kontinuität des Lebens zwischen den einzelnen Spezies. Dieses Konzept schwingt auf jeden Fall in meinen jüngsten Arbeiten mit. Bei ‚Listening East‘, das ich auf dem Festival präsentiere, ging es auch um die Suche nach den eigenen Wurzeln und meine persönliche Verbindung zum osteuropäischen Boden.

Ein weiterer Schwerpunkt der diesjährigen Ausgabe des Festivals ist die Arbeit von Éliane Radigue. Haben Sie ihre Werke aufgegriffen oder sich vielleicht davon inspirieren lassen?

Ich kenne Werke von Éliane Radigue, und sie ist auf jeden Fall eine große Inspiration. Sie ist sehr konsequent in ihrem Weg als Komponistin, und ich bin immer wieder erstaunt von ihrer Arbeit und der Geduld, der Kraft und der Ruhe, die sie ausstrahlt. Meine eigenen Soundarbeiten sind viel chaotischer, in gewisser Weise schmutziger. Ich arbeite genreübergreifend, beschränke mich nicht auf Sound oder Musik, ich suche ständig nach meiner ganz eigenen Ausdruckssprache.

Mit anderen Künstlern sind Sie Teil von A Garden of Forking Paths, dem Benefizkonzert für die Ukraine. Was können wir davon erwarten und wie haben Sie die letzten Wochen seit Kriegsbeginn erlebt?

Ja, in der Tat, ich fühle mich sehr geehrt, Teil davon zu sein. Ich werde zu diesem Konzert mit meinen Kompositionen aus dem Album Listening East beitragen und später an diesem Tag auch live mit Field Recordings auftreten, die ich während meiner Reisen in der Ukraine 2013 gesammelt habe.

Martyna Poznańska (Foto: Gregor Pfeffer)

Ich denke, wir sind alle erschüttert von dem, was in der Ukraine passiert. Es waren schreckliche Wochen für die Ukrainer*innen, und mein Herz und meine Seele sind bei ihnen. Gestern hörte ich einen bewegenden und traurigen Brief an das ukrainische Volk, geschrieben von Aida Cerkaz, einer bosnischen Journalistin, die in Sarajevo die längste Belagerung einer Stadt in der modernen Geschichte überlebt hat: „Nicht meine warmen Socken oder meine Jacke oder meine warmen Stiefel sind das, was die Menschen dort jetzt am meisten brauchen. Es ist mein jetzt 30-Jahre-altes T-Shirt mit dem Aufdruck eines Slogans, der mich während der 1.425 Tage wach hielt, in denen bosnische Serben nach Belieben feuerten und meine Stadt belagerten, ohne Wasser, ohne Nahrung, ohne Strom, ohne Heizung und ohne Kommunikation mit der Außenwelt. Ich trug dieses Hemd und las seine Botschaft, als mehr als zwei Millionen Granaten auf unsere Köpfe fielen und ich unzähligen Kugeln auswich, aber 11.000 meiner Nachbarn taten es nicht. Auf dem T-Shirt steht: Sarajevo wird sein. Alles andere wird vorübergehen.” Und so wiederholte Aida Cerkaz: „Die Ukraine wird sein. Alles andere wird vorübergehen.”

Als letzte Frage: Was haben Sie sich für 2022 vorgenommen? Können Sie uns einen Überblick geben?

Meine Pläne für 2022 sind noch nicht klar, da wir erst langsam von der Pandemie erwachen. Im Moment habe ich zwei Ausstellungen geplant, die Details kommen aber später – und ein Projekt mit der in Berlin lebenden Künstlerin Biliana Voutchkova.

Eine Neuerung der diesjährigen MaerzMusik wollen wir euch nicht vorenthalten: die Berliner Festspiele Mediathek. Dort werden die Konzerte live-gestreamt und sind danach im Archiv abrufbar.

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