Batu – I Own Your Energy (Timedance)
Omar McCutcheon alias Batu blickt auf fast eine Dekade voller Highlights zurück mit Veröffentlichungen auf Hessle Audio und XL Recordings, um nur zwei der fettesten Labels zu nennen. Auch die Gründung seines eigenen Imprints Timedance vor mittlerweile immerhin schon sechs Jahren fällt in diesen Zeitraum. Dort hat der Mann aus Bristol Acts wie Laksa, Bruce, rRoxymore und Lurka veröffentlicht, jetzt gibt sich der Don aber nach zweijähriger Pause selbst einmal wieder die Ehre.
Auch auf der neuen EP bleibt Batu seinem leicht verspielten Stil treu, seine Tracks zielen nach wie vor nicht mit aller Gewalt auf den Dancefloor, aber im Gegensatz zu seiner 2019er EP False Reeds und der Zusammenarbeit mit Lurka auf Curved transportiert I Own Your Energy einiges mehr an Energie und Wucht – ohne allerdings auch nur annähernd an der gängigen Härte in Post-Dubstep oder gar Trap-Gefilden zu kratzen.Der Titeltrack kombiniert eine nach vorne gemischte Bassdrum mit Industrial-Soundschlieren und Stöhnen aus dem Alienschlund, aber das Unheil wird von Kick und Bass souverän auf Distanz gehalten. „Inner Space” funktioniert ähnlich, traut sich aber noch mehr Tempo und Härte zu und könnte auch aus dem Studio von Si Begg stammen. Die beiden verbleibenden Stücke sind dann stärker groovebetont, das zweite der beiden namens „Deep Breath” mit seinem an 90er-Jungle-Unbeschwertheit erinnernden ravigen Synthie-Signal dürfte der Hit der EP werden. Fingers crossed! Mathias Schaffhäuser
Less-O – Shenanigans EP (TEMƎT)
Diese EP ist ein kleines Wunderwerk, und dafür muss man nicht einmal wissen, dass der französische Produzent Less-O damit sein Debüt in der wilden Welt des Veröffentlichungsszirkus abliefert. Seine fünf Tracks lassen eine Verwurzelung in Jazz, Hip Hop und Bass Music vermuten, aber sie rufen noch viel stärker Assoziationen an Filmmusik, schummrige Bars, die man tatsächlich in erster Linie wegen der Musik, die dort gespielt wurde, besucht hat und an manchen Stellen konkret an große Freigeister des elektro-musikalischen Experimentierens wie Mort Garson und Jon Hassell hervor.
Eine seltene Milde durchzieht die gesamte Shenanigans EP, keines der Stücke drängelt sich nach vorne und buhlt um Aufmerksamkeit, und trotzdem vermag es Less-Os Musik, in kürzester Zeit in ihren Bann zu ziehen – ob nebenbei zum Frühstückskaffee oder mit professionell-journalistischer Intention vorm Rechner gehört. Als kind of blue ließe sich das Stimmungsbild beschreiben, aber ohne morbiden Background. Traurig-schön, melancholisch ohne Morphine. Hier scheint jemand die Essenz von Jazz verstanden zu haben, die sich – entgegen des Eindrucks, den die Jazz-Szene leider seit Langem vermittelt – nie in Schulen, Skalen und Parametern äußert, sondern zuallererst in Freiheit. Mathias Schaffhäuser
Peach – Galaxy Girl (Peach Discs)
„Frothy pink fizz, the last one up in another galaxy” – eigentlich bringt Peach schon mit eigenen Worten die Quintessenz von Galaxy Girl auf den Punkt. Dieser schaumige, pinke Sprudel formiert sich in vier Tracks, die mit flottem Bass und verspielten Klangelementen wie ein Flummi durchs Zimmer springen. Mit dem Titeltrack taucht die Londonerin tief in eine andere Galaxie ein, mit federnder Kickdrum und gläsernen Synths, die ein Gefühl der Schwerelosigkeit erzeugen. Im Opener „Buttercup” hingegen schwummert die Bassline zu kurzweilig, aber markant eingesetzten Perkussionen, und mit „Clovers Groove” verleiht Peach ihrer EP einen Bubblegum-Schliff durch Vocal Loops und flauschig süße Synths. Und so flink wie die vier Tracks im Eiltempo voran hoppeln, taucht man zu Ende ohne große Vorwarnung aus dem rosa Sprudel einer fernen Galaxie wieder auf. Louisa Neitz
Planet Love – New Era EP (Return_Backspace)
Marco Repetto aus Bern hat in seinem Leben schon die ein oder andere Ära der Musikgeschichte miterlebt. Angefangen hat der Schweizer italienischer Herkunft als Schlagzeuger in Punk- und New Wave-Bands, eine davon war Grauzone. Ende der Achtzigerjahre, unter dem Eindruck von House und frühem Techno, schlug er ein neues Kapitel in seiner Laufbahn als Musiker auf. Unter dem Projektnamen Planet Love veröffentlichte er so einiges, wofür sich aber lange Zeit kaum mehr jemand interessierte. Inzwischen steht so manche Platte aus seinem Katalog aber wieder extrem hoch im Kurs.
Repettos musikalische Entwicklung spiegelt die Evolution von Techno in den frühen Jahren wider. Die sich rasant entwickelnde Technologie führte irgendwie gleichermaßen zu sehr unterschiedlichen wie irgendwie auch ähnlichen Ergebnissen. So fing Marco Repetto mit reichlich emotionsgeladenem Techno an, Platten aus Detroit mögen eine Inspiration gewesen sein. Aber manches von ihm war auch anschlussfähig an den italienischen Deep-House-Romantizismus der frühen Neunziger. Vom italienischen Deep House wiederum war es gar nicht mehr weit zum frühen Trance. Und so machte Repetto unter seinem Planet-Love-Pseudonym später auch Platten, die man unter Ambient Trance einsortierte.
Return_Backspace, ein neues Label aus Den Haag mit der Agenda, die Jahre 1990 bis 1999 zu erforschen, bringt nun eine erste Planet-Love-EP heraus, drei weitere werden folgen. Die drei Tracks der New Era EP schlummerten drei Jahrzehnte lang unveröffentlicht im Archiv Repettos. Aufgenommen hat der Schweizer sie zwischen 1990 und 1992. Das schwelgerische Ambient-Stück „New Era” macht den Auftakt. Dann kommt „Flowers”, wirkt ein bisschen wie eine Kreuzung aus hyperemotionalem Italo-Deep-House und einer Transmat-Platte. Den Abschluss macht der „Bird Song”. Die naiven Bleeps klingen wie eine Teletubbies-Folge, die man auf LSD schaut. Hier diente die ein oder andere UK-Produktion als Inspiration, denn Breakbeats hüpfen zwischendrin auch noch ins Bild. Holger Klein
Rhyw – The Devil’s in the Dlzlzlz (Fever AM)
Auf The Devil’s in the Dlzlzlz, dem zehnten Release auf dem von ihm mitbetriebenen Label Fever AM, denkt Alex Tsiridis Techno gegen den Strich. Oder besser noch: Er wirft dessen Einzelteile in eine kaputte Waschmaschine und stellt diese dann bei 95 Grad auf Schleudergang. „Bee Stings” beginnt mit wuchtigen, verzerrten Drums, die den schweren Groove eines Gqom-Tracks in ein aseptisches Klangbild überführen, das sich ästhetisch gut in den Backkatalog von raster-noton einfügen würde. „Anasa” nimmt diesen Faden mit IDM-ähnlichen Strukturen und ahnungsvollen Sounds auf, behält dabei einen irgendwie Dancefloor-kompatiblen Rhythmus bei und garniert das Ganze dann noch mit blechernen Vocals, deren Echos hypnotische Effekte bewirken.
„Strange Now” wirkt dagegen fast schon wieder zahm und ebenfalls Gqom-beeinflusst, setzt aber durch ratternde Loops destruktive Kontrapunkte. Viel konventioneller scheint „Itso”, das auf einer nahezu housigen Bassline und quasi-funkigen Riffs balanciert, Streicher-Pizzicati aufploppen lässt und am Ende donnernde Downbeats loslässt. Ein wunderbarer Set-Opener für wagemutige Techno-DJs, die mit dieser EP sowieso auf ihre Kosten kommen dürften. The Devil’s in the Dlzlzlz ist allerdings überhaupt ein seltenes Release: Rhyw gelingt darauf der Spagat, zwischen unkonventionellen Rhythmen und originellem Soundeinsatz zu vermitteln – kurzum: Innovation. Kristoffer Cornils