Marcel Roth (Die Grünen) (Foto: Presse)

Am 8. Mai wurde in Baden-Württemberg mit großer Mehrheit dem schwarz-grünen Koalitionsvertrag zugestimmt. Neben dem Ziel, das Bundesland bis 2040 klimaneutral zu machen, beinhaltete der „Erneuerungsvertrag”, wie ihn beide Parteien nennen, wichtige Neuerungen für die Veranstaltungswirtschaft und die Clubkultur. Marcel Roth von den Grünen hat den Vertrag mitgestaltet und im Gespräch mit Leon Schuck erklärt, wie seine Partei die Clubkultur stärken will. Mit 28 Jahren ist Marcel Roth bereits Stadtrat in Stuttgart und Teil des Landesvorstandes der Grünen in Baden-Württemberg.


GROOVE: Wie wollen die Grünen mit ihrem Beitrag zum Koalitionsvertrag die Clubkultur des Landes unterstützen?

Marcel Roth: Wir haben in den Verhandlungen festgelegt, dass Kultur mehr ist als Oper oder staatliche Museen. Mit dem Vertrag gehen wir in der Kulturförderung von einem breiteren Verständnis von Kultur aus und haben verschiedene Fördermaßnahmen für die nächsten fünf Jahre im Blick. Aber natürlich auch ein paar Dinge, die eher ordnungspolitisch sind. Also zum Beispiel, was Clubs als Kulturstätten angeht, was ein baurechtliches Thema ist. Aber auch Themen wie Drug-Checking, die Förderung der Popkultur und auch eine Prüfung der möglichen Abschaffung der Sperrzeit.

Wie wird in Zukunft das Clubsterben, das schon vor der Pandemie die Szene belastete, verhindert? Gerade am Beispiel MMA in München oder etlichen Clubs in Berlin sieht man, dass die Wertschätzung dieser Kultur noch nicht überall gewährleistet ist.

Ich glaube, die Clubs werden es nach Corona nochmal schwieriger haben als vorher. Die Situation während der Pandemie für die Clubs ist wirklich dramatisch, weil man jetzt wahrscheinlich für zwei Jahre keine Veranstaltungen machen konnte und kann. Deshalb ist es umso wichtiger, dass die Politik starke Signale gibt, die Clubs nicht zu vergessen. Die Hilfsprogramme des Bundes und des Landes, aber auch bei uns in Stuttgart durch die Stadt ergeben ein Gesamtes, das in meinem Eindruck dazu führt, dass die Clubs bislang nicht in großer Zahl geschlossen haben, sondern dass sie sich über die Krise retten können. Damit es danach kraftvoll weitergehen kann, muss die Politik weiter deutliche Signale senden. Das machen wir mit diesem Vertrag. Wir werden zum Beispiel das Förderprogramm „Kunst trotz Abstand” um Live-Musik und Clubkultur erweitern.

Seit dem 7. Mai ist nun beschlossen, dass Clubs baurechtlich als Kulturstätten behandelt werden. Wie werden Clubs dahingehend konkret in Zukunft geschützt?

Ich freue mich total, dass eine Mehrheit im Bundestag jetzt den Weg frei gemacht hat, dass Clubs endlich als Kulturstätten anerkannt werden. Damit müssen sie in Zukunft zum Beispiel einen verminderten Umsatzsteuersatz zahlen, was einen großen Unterschied macht. Grundsätzlich wurde in den letzten zwei bis drei Jahren viel Druck auf das Bundesinnenministerium ausgeübt, auch von den Grünen im Bundestag. Auch wir in Baden-Württemberg haben im Koalitionsvertrag stehen, dass wir die Landesbauverordnung dahingehend ändern wollen, dass Clubs künftig als Kulturstätten und nicht mehr als Vergnügungsstätten angesehen, also mit Bordellen und Spielcasinos gleichgestellt werden. Es gibt außerdem immer mehr Konflikte zwischen neuer Bebauung und bestehenden Clubs. Da wollen wir den Clubs mit dem „Agent-of-Change-Prinzip” mehr Schutz gewährleisten und das Prinzip umkehren: Dahingehend, dass die Neubebauung dafür sorgen muss, dass es keine Schallemissionen gibt. Nicht die Clubs selbst.

Viele Künstler*innen und Angestellte aus der Branche sind durch die Pandemie nicht nur finanziell, sondern auch emotional am Ende und möchten ihren Beruf wechseln. Was hat die grüne Regierung bisher getan, um der Musik- und Veranstaltungsbranche zu helfen?

Unsere Kulturstaatssekretärin Petra Olschowski hat einen fiktiven Unternehmerlohn eingeführt, von dem auch Künstler*innen, die solo-selbstständig sind, profitieren. Das hat zumindest im Kreativbereich einiges abgefedert. Aber ich glaube, beim Thema Clubs muss es eher eine Förderung sein, die in Zukunft auf das Programm ausgelegt ist und auf bauliche Veränderungen, wie zum Beispiel den Club oder die Konzert-Location klimatauglich zu machen. Da gibt es auch schon den Green-Club-Index – und daran wollen wir uns in Baden-Württemberg orientieren. 

Ist die Clubkultur bei zukünftigen Ereignissen wie Pandemien durch den Koalitionsvertrag nachhaltig gesichert?

Sie ist zumindest besser gesichert als vorher. Das große Thema, das über der nächsten Koalition stehen wird, sind die leeren Kassen nach der Corona-Krise. Die Länder haben eine Schuldengrenze beschlossen, deshalb wird es in Zukunft schwieriger sein, große Förderprogramme aufzusetzen. Allerdings lässt die Schuldengrenze zu, dass bei Naturkatastrophen oder Notfällen weiterhin Schulden gemacht werden dürfen. Deshalb nehmen wir die Clubs und die Live-Musik auch in die Corona-Hilfsförderung auf.

Viele, wie etwa die Clubcommission Berlin, fordern organisierte Veranstaltungen unter freiem Himmel mit der Begründung, dass das kulturelle Leben noch immer massiv eingeschränkt ist und gleichzeitig wissenschaftlich bewiesen wurde, dass COVID-19-Infektionen fast ausschließlich in geschlossenen Räumen stattfinden. Gibt es dazu konkrete Pläne?

Ja, konkret vor allem in Stuttgart, um die Flächen müssen sich die Städte kümmern. Wir haben als Grüne im Stuttgarter Rathaus schon letzten November einen Antrag für Freiflächen im Sommer 2021 eingereicht und ausgewählte Areale vorgeschlagen, wo wir uns Feiern unter Pandemie-Bedingungen vorstellen können. Die Stadtverwaltung ist gerade mit dem Club Kollektiv und unserem neuen Nachtmanager zusammen daran, Flächen auszuarbeiten. Grundlage dafür wäre natürlich eine gesunkene Inzidenz, aber auch, dass das Land das Tanzverbot während der Pandemie lockert. Darauf müssen wir im Sommer noch hinwirken, damit man mit Masken und Abstand auch draußen unter freiem Himmel feiern kann. Aber ich bin mir sicher, dass sich die neu gegründete IG Clubkultur BW da einbringen wird, die schon im Vorfeld der Wahl auf alle Parteien zugegangen ist.

Am Beispiel einer Touristin, die 2018 im Berghain eine viel zu hohe Dosis MDMA zu sich nahm und starb, sieht man, wie wichtig Drug-Checking ist. Nachbarländer wie die Schweiz (Saferparty), Österreich (ChEckiT) und die Niederlande (DIMS) haben bereits legale Projekte. Die immer stärker werdenden Drogen stellen ein erhöhtes Sicherheitsrisiko für Konsument*innen dar. Der letzte Antrag dazu, der abgelehnt wurde, reagierte auf Meldungen über mit synthetischen Cannabinoiden gestrecktes Cannabis. Die Wirkung von THC wird dabei um ein Hundertfaches übertroffen und kann häufiger nachhaltige Schäden wie Psychosen auslösen. Gibt es dazu konkrete Forderungen?


GROOVE: Wie wollen die Grünen mit ihrem Beitrag zum Koalitionsvertrag die Clubkultur des Landes unterstützen?

Marcel Roth: Wir haben in den Verhandlungen festgelegt, dass Kultur mehr ist als Oper oder staatliche Museen. Mit dem Vertrag gehen wir in der Kulturförderung von einem breiteren Verständnis von Kultur aus und haben verschiedene Fördermaßnahmen für die nächsten fünf Jahre im Blick. Aber natürlich auch ein paar Dinge, die eher ordnungspolitisch sind. Also zum Beispiel, was Clubs als Kulturstätten angeht, was ein baurechtliches Thema ist. Aber auch Themen wie Drug-Checking, die Förderung der Popkultur und auch eine Prüfung der möglichen Abschaffung der Sperrzeit.

Wie wird in Zukunft das Clubsterben, das schon vor der Pandemie die Szene belastete, verhindert? Gerade am Beispiel MMA in München oder etlichen Clubs in Berlin sieht man, dass die Wertschätzung dieser Kultur noch nicht überall gewährleistet ist.

Ich glaube, die Clubs werden es nach Corona nochmal schwieriger haben als vorher. Die Situation während der Pandemie für die Clubs ist wirklich dramatisch, weil man jetzt wahrscheinlich für zwei Jahre keine Veranstaltungen machen konnte und kann. Deshalb ist es umso wichtiger, dass die Politik starke Signale gibt, die Clubs nicht zu vergessen. Die Hilfsprogramme des Bundes und des Landes, aber auch bei uns in Stuttgart durch die Stadt ergeben ein Gesamtes, das in meinem Eindruck dazu führt, dass die Clubs bislang nicht in großer Zahl geschlossen haben, sondern dass sie sich über die Krise retten können. Damit es danach kraftvoll weitergehen kann, muss die Politik weiter deutliche Signale senden. Das machen wir mit diesem Vertrag. Wir werden zum Beispiel das Förderprogramm „Kunst trotz Abstand” um Live-Musik und Clubkultur erweitern.

Seit dem 7. Mai ist nun beschlossen, dass Clubs baurechtlich als Kulturstätten behandelt werden. Wie werden Clubs dahingehend konkret in Zukunft geschützt?

Ich freue mich total, dass eine Mehrheit im Bundestag jetzt den Weg frei gemacht hat, dass Clubs endlich als Kulturstätten anerkannt werden. Damit müssen sie in Zukunft zum Beispiel einen verminderten Umsatzsteuersatz zahlen, was einen großen Unterschied macht. Grundsätzlich wurde in den letzten zwei bis drei Jahren viel Druck auf das Bundesinnenministerium ausgeübt, auch von den Grünen im Bundestag. Auch wir in Baden-Württemberg haben im Koalitionsvertrag stehen, dass wir die Landesbauverordnung dahingehend ändern wollen, dass Clubs künftig als Kulturstätten und nicht mehr als Vergnügungsstätten angesehen, also mit Bordellen und Spielcasinos gleichgestellt werden. Es gibt außerdem immer mehr Konflikte zwischen neuer Bebauung und bestehenden Clubs. Da wollen wir den Clubs mit dem „Agent-of-Change-Prinzip” mehr Schutz gewährleisten und das Prinzip umkehren: Dahingehend, dass die Neubebauung dafür sorgen muss, dass es keine Schallemissionen gibt. Nicht die Clubs selbst.

Viele Künstler*innen und Angestellte aus der Branche sind durch die Pandemie nicht nur finanziell, sondern auch emotional am Ende und möchten ihren Beruf wechseln. Was hat die grüne Regierung bisher getan, um der Musik- und Veranstaltungsbranche zu helfen?

Unsere Kulturstaatssekretärin Petra Olschowski hat einen fiktiven Unternehmerlohn eingeführt, von dem auch Künstler*innen, die solo-selbstständig sind, profitieren. Das hat zumindest im Kreativbereich einiges abgefedert. Aber ich glaube, beim Thema Clubs muss es eher eine Förderung sein, die in Zukunft auf das Programm ausgelegt ist und auf bauliche Veränderungen, wie zum Beispiel den Club oder die Konzert-Location klimatauglich zu machen. Da gibt es auch schon den Green-Club-Index – und daran wollen wir uns in Baden-Württemberg orientieren. 

Ist die Clubkultur bei zukünftigen Ereignissen wie Pandemien durch den Koalitionsvertrag nachhaltig gesichert?

Sie ist zumindest besser gesichert als vorher. Das große Thema, das über der nächsten Koalition stehen wird, sind die leeren Kassen nach der Corona-Krise. Die Länder haben eine Schuldengrenze beschlossen, deshalb wird es in Zukunft schwieriger sein, große Förderprogramme aufzusetzen. Allerdings lässt die Schuldengrenze zu, dass bei Naturkatastrophen oder Notfällen weiterhin Schulden gemacht werden dürfen. Deshalb nehmen wir die Clubs und die Live-Musik auch in die Corona-Hilfsförderung auf.

Viele, wie etwa die Clubcommission Berlin, fordern organisierte Veranstaltungen unter freiem Himmel mit der Begründung, dass das kulturelle Leben noch immer massiv eingeschränkt ist und gleichzeitig wissenschaftlich bewiesen wurde, dass COVID-19-Infektionen fast ausschließlich in geschlossenen Räumen stattfinden. Gibt es dazu konkrete Pläne?

Ja, konkret vor allem in Stuttgart, um die Flächen müssen sich die Städte kümmern. Wir haben als Grüne im Stuttgarter Rathaus schon letzten November einen Antrag für Freiflächen im Sommer 2021 eingereicht und ausgewählte Areale vorgeschlagen, wo wir uns Feiern unter Pandemie-Bedingungen vorstellen können. Die Stadtverwaltung ist gerade mit dem Club Kollektiv zusammen dabei, Flächen auszuarbeiten. Grundlage dafür wäre natürlich eine gesunkene Inzidenz, aber auch, dass das Land das Tanzverbot während der Pandemie lockert. Darauf müssen wir im Sommer noch hinwirken, damit man mit Masken und Abstand auch draußen unter freiem Himmel feiern kann. Aber ich bin mir sicher, dass sich die neu gegründete IG Clubkultur BW da einbringen wird, die schon im Vorfeld der Wahl auf alle Parteien zugegangen ist.

Am Beispiel einer Touristin, die 2018 im Berghain eine viel zu hohe Dosis MDMA zu sich nahm und starb, sieht man, wie wichtig Drug-Checking ist. Nachbarländer wie die Schweiz (Saferparty), Österreich (ChEckiT) und die Niederlande (DIMS) haben bereits legale Projekte. Die immer stärker werdenden Drogen stellen ein erhöhtes Sicherheitsrisiko für Konsument*innen dar. Der letzte Antrag dazu, der abgelehnt wurde, reagierte auf Meldungen über mit synthetischen Cannabinoiden gestrecktes Cannabis. Die Wirkung von THC wird dabei um ein Hundertfaches übertroffen und kann häufiger nachhaltige Schäden wie Psychosen auslösen. Gibt es dazu konkrete Forderungen?

Ja. Drogenkonsum ist einfach eine Realität im Nachtleben, und da helfen weder moralische Appelle noch eine harte Kriminalisierung von Konsument*innen, sondern Aufklärung und eben Drug-Checking. Im Koalitionsvertrag haben wir jetzt ein Pilotprojekt dazu. Ich könnte mir vorstellen, dass am Ende kleine Anlaufstellen geschaffen werden, zu denen Leute anonym ihre Substanzen bringen und auf Verunreinigungen oder zu hohe Dosierungen überprüfen lassen können. Die Schweiz macht das bereits. Wir werden außerdem die straffreie „geringe Menge” von Cannabis auf zehn Gramm hochsetzen. Da hat sich die letzten Jahre die CDU immer dagegen gestellt. Dadurch, dass wir jetzt aber so ein starkes Ergebnis als Grüne hier im Land hatten, konnten wir das durchsetzen.

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