Popmusik studieren? Geht. An der Folkwang Universität der Künste. Und wie? Das erklärt Von-Spar-Mitglied und Folkwang-Dozent Philipp Janzen im Interview.
GROOVE: Ein Master in Pop – das klingt erstmal spannend. Aber kann man Popmusik überhaupt lernen?
Philipp Janzen: Aus meiner Perspektive kann einem so ein Studium schon eine Menge mitgeben. Denn wann hat man schon mal die Möglichkeit, sich zwei Jahre lang fast ausschließlich auf das Musikmachen zu konzentrieren? Ich weiß, dass ganz gerne despektierlich über Pop-Studiengänge gesprochen wird. Da wird dann gesagt, Pop kann man nicht studieren. Und natürlich kann man nicht studieren, eine Person zu sein und für etwas zu stehen, aber was du sehr wohl machen kannst, ist, Zeit zu investieren in die Musik, die du machst. Natürlich geht das auch ohne Studium, aber hier hast du Expert*innen an deiner Seite, die dich dabei unterstützen.
Wie sieht diese Unterstützung aus?
Wir sind ziemlich gut ausgestattet, was die technische Seite betrifft: Mit leistungsstarken Computern, einer schönen Synthesizerauswahl, Pianos, Gitarren, Bässen und Tonstudios, in denen die Studierenden ihre Songs aufnehmen können. Und dann gibt es natürlich noch eine Bibliothek, in der eine große Auswahl an Popliteratur zu finden ist und Aufenthaltsräume, in denen man über Musik, aber auch Politik diskutieren kann. Denn, wenn man an das Beiratsmitglied Diedrich Diederichsen denkt, dann ist Pop ja nicht nur Musik, sondern hat auch mit anderen Inhalten zu tun.
Und sonst?
Da wir pro Semester nur eine begrenzte Zahl Studierende aufnehmen, gibt es eine sehr gute Betreuungssituation. Das heißt, die Studierenden haben die Möglichkeit, sich extrem viel Knowhow von den Dozent*innen abzuholen. Außerdem sind wir relativ unbürokratisch zu erreichen. Nicht nur am Institut in Bochum, sondern auch privat. Man trifft sich in Bochum oder Köln auf Konzerten und kann bei Fragen jederzeit auf uns zurückgreifen.
Seit Corona waren die Hochschulen im Sommersemester in einem sogenannten Kreativsemester. Wie lief das ab?
Das Kreativsemester war quasi im Schock der ersten Corona-Welle der einzige Weg überhaupt, Kontakt mit den Studierenden zu halten. Bekanntermaßen wurde der erste Lockdown im März kurz vor dem regulären Start der Vorlesungszeit des Sommersemesters im April ausgerufen. Wie alle anderen waren auch die Hochschulen erstmal komplett überrumpelt und wussten nicht, wie die Vorlesungszeit nun gestaltet werden kann. Noch bevor die erste Corona-Epidemie-Hochschulverordnung erfolgte, haben wir am Institut zu digitalen Alternativen gegriffen und nach einer Verschiebung der offiziellen Vorlesungszeit um drei Wochen auf digitalem Wege unsere Lehrangebote aufrechterhalten und den Kontakt und Austausch mit den Studierenden gepflegt.
Wie hat das funktioniert? War der fehlende Kontakt ein Hindernis?
Das hat erstaunlich gut geklappt. Zum Glück sind alle Studierenden, geschuldet natürlich ihrer allgemeinen Interessenlage, sehr bewandert im Umgang mit modernen Technologien und Tools, sodass das problemlos funktionierte. Tatsächlich haben wir in diesem digitalen Kreativsemester zum Teil mehr Kontakt gehabt als in der regulären Vorlesungszeit. Man war ja ohnehin zuhause. Zudem fielen die ganzen Wege und Fahrten weg, die man sonst immer mit einrechnen musste. So konnte man diese gewonnene Zeit direkt den Studierenden und ihren Projekten zur Verfügung stellen. Vom Schlafzimmer ins Home-Office oder in die Küche zum Laptop ist der Weg nunmal kürzer als mit dem Zug oder Auto von Köln nach Bochum oder von Berlin nach Bochum und wieder zurück. So haben wir tatsächlich ein ganzes Semester digital bestritten, und ich hoffe, auch im Sinne der Studierenden, das Beste daraus gemacht.
Und wie gestaltet sich das Hybridsemester, das derzeit läuft?
Das Hybridsemester, jetzt im aktuellen Wintersemester, geht einen Schritt weiter. Unter strengen Hygieneauflagen können wir vor Ort am Institut für Popmusik Präsenzformate abhalten – allerdings nur da, wo zwingend erforderlich. Das ist beispielsweise bei Studienanfänger*innen der Fall und da, wo Abschlussprüfungen anstehen. Schließlich ersetzt kein noch so gutes Tool der Welt den persönlichen Kontakt und Austausch von Angesicht zu Angesicht. Gerade wenn man neu ist oder den Abschluss macht, auf den man jahrelang hingearbeitet hat. Die Projektarbeit in einem so auf künstlerische Prozesse ausgelegten Studium wie dem unsrigen erfolgt nunmal in engem Austausch. Da ist der Schritt von Kreativ- zu Hybridsemester eine enorme Erleichterung. Bei allen Lehrangeboten, die theoretischer und wissenschaftlicher Natur sind, liegt der Schwerpunkt weiterhin auf den digitalen Formaten. Kurz, Präsenz nur da, wo zwingend erforderlich, ansonsten alles digital. Schließlich haben wir alle großes Interesse daran, die Pandemie wo auch nur möglich mit eindämmen zu helfen, nicht zuletzt, um dann hoffentlich bald wieder zu unserer „alten” Normalität zurückzufinden.
Wie ist die Folkwang mit der Pandemie insgesamt umgegangen und welches Konzept hat sie für die nächsten Monate?
Ich denke, dass sie sehr gut mit der Pandemie umgegangen ist. Die Hochschulleitung hat uns Lehrbeauftragte, Professor*innen und Mitglieder*innen regelmäßig auf dem Laufenden gehalten, über die neuesten Entwicklungen und Beschlüsse informiert und immer wieder ihren Maßnahmenkatalog sowie Hygieneplan angepasst und kommuniziert. Ich bin froh, dass hier mit großem Verantwortungsbewusstsein an die Sache rangegangen und keine*r abgehängt wurde. Verrückt, aber wahr, es lässt sich trotz Pandemie hervorragend bei uns im Master „Populäre Musik” studieren. Interessent*innen können sich also getrost bis zum 15. März 2021 für das Wintersemester 2021/22 bei uns bewerben. Bis dahin hat uns Covid-19 hoffentlich nicht mehr ganz so im Griff. Wir werden sehen.
Welche Seminarangebote gibt es dann?
Das Dozent*innenteam ist breit aufgestellt. Aber bei uns geht es nicht unbedingt darum, Instrumentalunterricht anzubieten – außer man will es, dann geht das auch. Aber das ist nicht der zentrale Punkt. Es geht vielmehr darum, unterschiedliche popmusikalische Perspektiven kennenzulernen. Angefangen mit Gregor Schwellenbach, dessen Hauptexpertise in der Komposition liegt, bis zu Stefanie Roenneke, die verschiedene Bezugsräume von Popmusik aufzeigt, um den Studierenden den nötigen Referenzrahmen zu geben.
Es gibt eine Eignungsprüfung. Wie läuft die ab?
Bei uns bewirbt man sich mit seinem Lebenslauf und der Musik, die man selbst oder im Bandkontext gemacht hat, sowie einem Projektvorhaben, das man in den zwei Jahren verwirklichen möchte. Wobei dieses im Laufe des Studiums sich natürlich auch ändern kann. Schließlich entstehen viele unerwartete und künstlerisch neue Synergien während des Studiums. Daraufhin wählen wir die interessantesten Bewerber*innen aus und laden sie zu einem Gespräch und einem Vorspielen ein. Die Auswahlkommission besteht dabei aus Institutslehrenden sowie popaffinen Hochschulmitgliedern anderer Fachbereiche der Folkwang. Denn auch der interdisziplinäre Ansatz ist uns sehr wichtig und gerade im Popdiskurs von Essenz. Das ist im Übrigen überhaupt der Leitgedanke der gesamten Folkwang Universität: die interdisziplinäre Ausrichtung.
Wie tief muss man im Musikbusiness stecken, um eine Chance zu haben?
Man muss überhaupt nicht etabliert sein, um bei uns studieren zu können. Da es sich aber um einen Master handelt, muss man vorher einen Bachelor gemacht haben, der aber auch in einem komplett anderen Bereich gewesen sein kann. Da wir keine Grundlagen vermitteln, könnte es aber sein, dass der Master nicht das Richtige für eine*n musikalische*n Anfänger*in ist. An dieser Stelle muss ich aber gleich ein großes „Aber” dazwischen hängen. Denn das bedeutet nicht, dass man ausgebildet an einem Instrument sein muss. Bei Pop geht es ja nie ausschließlich um Musik. Wenn man ein*e gute*r Performer*in ist oder ein*e bildende*r Künstler*in, die*der sich musikalisch ausdrücken will und eine Pop-Wucht mitbringt, die uns beeindruckt, ist uns das wichtiger.
Was ist denn eine Pop-Wucht?
Nimm’ so etwas wie das Punk-Movement, die Punkbewegung Ende der siebziger Jahre. Da ging es nicht so sehr um das Beherrschen von Instrumenten, sondern vielmehr um den Ausdruck eines Gefühls. Eines Gefühls gegenüber der Gesellschaft, eines Gefühls gegenüber sich selbst und die Formulierung dessen innerhalb eines popmusikalischen Bereichs. Und da kann es unter Umständen sogar mehr Wucht haben, wenn du dein Instrument nicht so sehr beherrschst, als wenn du ein ausgebildeter Musiker wärst.
Was unterrichtest du und wie laufen deine Workshops ab?
Bei mir geht es um die Musikproduktion. Wenn ich Musik-Recording unterrichte, treffen wir uns auch mal bei mir im Studio. Die Studierenden bringen dann ihre eigenen Stücke mit, die sie aufnehmen möchten, und anhand derer erkläre ich dann, wie ich eine Gitarre, einen Bass, ein Klavier und die Stimme aufnehmen würde. Hier geht es aber nie um die totale Wahrheit, sondern lediglich um meine Erfahrungen. Genauso wichtig ist es, dass die Studierenden auch ihre eigenen weitergeben. Und dieses Semester gebe ich einen Mixing-Workshop, zu dem ich ein Stück von den Sternen mitbringe. Zuerst stelle ich meinen Ansatz vor, dann mischen die Studierenden das Stück selber.
Hättest du selbst gerne Pop-Musik studiert?
Ja. Als ich mich damals umgeguckt habe, gab es nur drei Möglichkeiten: Entweder hätte ich das Ganze in einer sehr technischen Form an einer internationalen Privatuni studieren können oder eher künstlerisch an der Paul-McCartney-Schule in London – was natürlich sehr teuer geworden wäre. Und dann gab es noch die Tonmeisterausbildung, für die ich vorher aber klassische Musik hätte studieren müssen. Daran hatte ich aber kein Interesse.
Kostet der Master eigentlich etwas?
Nein, der kostet nichts. In Nordrhein-Westfalen gibt es keine Studiengebühren mehr.