tFRWD Testkit Specs (Foto: Presse)
Die ganze Welt wartet auf Möglichkeiten, um einen Alltag und auch ein Nachtleben mit dem Virus zu ermöglichen, in dem wir nicht mit jeder Begegnung eine Ansteckung befürchten müssen. Ein neuer, spannender Ansatz kommt aus Österreich.
Veit-Ander Aichbichler, Gründer und Geschäftsführer von Ski&Berg und Hennes Weiss, der als Macher des Lighthouse Festivals bekannt ist, haben sich mit dem führenden österreichischen Virologen Dr. Christoph Steininger der MU Wien zusammengetan und das Start-Up tFRWD gegründet. Ziel dieses Unternehmens ist es, der Veranstaltungsbranche neue Perspektiven zu eröffnen.
Um dieses Ziel zu erreichen, haben Aichbichler, Weiss und Steininger gemeinsam einen Coronatest entwickelt, der das Risiko einer Infektion bei Veranstaltungen minimieren soll. Was der Test verspricht, wie er funktioniert und was er kostet, hat Co-Gründer Hennes Weiss unserem Autoren Philipp Thull verraten.
Mit eurem Start-up wollt ihr einen Corona-Test anbieten, den die Nutzer*innen selbst durchführen können und dessen Ergebnis innerhalb von 24 Stunden verfügbar ist. Wie ist dieses Projekt entstanden?
Als Festivalveranstalter des Lighthouse in Kroatien und Südafrika bin ich – wie gerade jeder Promoter weltweit – selbst betroffen. Ohne eine praktikable Lösung wird es zumindest bis Sommer 2021 keine Events unserer Art und Größe geben. Auf der Suche nach Lösungen sind mein Partner und ich vor circa drei Monaten mehr oder weniger zufällig auf den führenden Virologen Österreichs, Dr. Steininger, gestoßen. Rund um eine Forschungsgruppe der medizinische Fakultät der Universität Wien hat Dr. Steininger das erste DIY-PCR-Testkit entwickelt, das wir gemeinsam mit dem Hersteller jetzt global als die einzige sichere Lösung auf dem Markt anbieten.
„Wir brauchen jetzt eine Lösung, denn viele von uns werden sonst die nächsten Monate nicht überleben.”
Was ist bei diesem Test anders?
Wir bieten die erste Event-taugliche Alternative zum herkömmlichen Mund- und Rachenabstrich an, die echte Game-Changer-Vorteile mit sich bringt: Durch den von der WHO freigegebenen, schnelleren und vor allem schmerzfreien Gurgel-Prozess wird es jeder zu testenden Person ermöglicht, den Testprozess selbst zu Hause ein bis drei Tage vor dem Event innerhalb von 60 Sekunden durchzuführen. Alternativ kann der Test in einer mit dem Festival-Promoter gemeinsam organisierten Walk-Through-Teststation abgewickelt werden. Somit erspart man sich das kostenintensive, geschulte Personal sowie ein steriles Umfeld.
Welche Vorteil versprecht ihr euch von dem Testkit für Veranstalter*innen und Clubbetreiber*innen?
Wir als Event-Veranstalter und Clubbesitzer brauchen verpflichtende Zusagen der zuständigen Behörden. Wir verstehen gut, dass die Situation neu ist und es eine Weile dauern kann, bis offizielle Stellen auf die veränderte Situation reagieren können. Aber wir brauchen jetzt eine Lösung, denn viele von uns werden sonst die nächsten Monate nicht überleben. Deshalb haben wir eine Lösung entwickelt, die es den Behörden ermöglicht, verbindliche Zusagen zu machen – und zwar immer auf Basis der Situation, die sich bei der Eventdurchführung darstellt. Denn was wir wollen, ist Sicherheit für unsere Gäste.
Wie soll euer Produkt den Veranstalter*innen helfen?
In der Vorbereitung ein bis sechs Monate vor dem Event geht es darum, Planungssicherheit für die Zukunft zu schaffen. Niemand kann aktuell die Entwicklung der Pandemie bis zum Roll-Out einer Impfung abschätzen. Wobei hier auch nicht zu erwarten ist, dass sich aus der Zielgruppe von Musikfestivals und Clubs überhaupt mehr als 40 Prozent impfen lassen. Sprich: Die größte Gefahr in Bezug auf anfallende – nicht-rückholbare – Kosten ist eine kurzfristige Absage ein bis zwei Wochen vor dem Event.
Kommuniziert ihr auch direkt mit den Veranstalter*innen?
Wir beraten jeden Promoter mit unserer Risk-Management-Matrix in Bezug auf die Planung des abzugebenden Sicherheitskonzeptes bei der lokalen Behörde. Im Best-Case erwirkt man durch Integration unserer PCR Testings nicht nur die Genehmigung, sondern vor allem auch die Anpassung und Neudefinierung der Lockdown-Regeln in Bezug auf die erlaubte Kapazität. Wir wissen alle, dass sich ein Festival unter der erlaubten Normalkapazität von 60 Prozent nicht rechnet.
Bei den aktuellen Abstrichen dauert es in Deutschland in der Regel drei bis sechs Tage, bis man ein Ergebnis erhält. Ihr garantiert, dass ihr das in 24 Stunden schafft. Wie macht ihr das?
Oft geht es bei der Geschwindigkeit der Ergebniszustellung gar nicht um Kapazitäten, sondern um einen Mangel an Personal. Wir haben daher versucht, soviel zu automatisieren wie möglich. Unser DYI-Test braucht kein Personal, die Zustellung der Ergebnisse funktioniert automatisiert. Dadurch haben wir einen wesentlichen Engpass verringern können, denn wir wir brauchen kein geschultes Abnahme-Personal.
„Der Gurgel-Prozess ist von der WHO freigegeben und liefert sogar eine leicht höhere Sensibilität als der Mund-/Nasenabstrich. Konkret liegen wir bei 99 Prozent Genauigkeit.”
Wie reagiert die Szene auf euer Angebot?
Aktuell sind wir bereits mit etwa 20 bekannten europäischen Festival-Brands in Kontakt, und das Feedback ist enorm; anders gesagt: Die weltweite Eventbranche sucht verzweifelt nach Lösungen. Da das Event-Datum sowie die zu erwartende Personenanzahl schon lange vorher feststeht, summieren wir die Nachfrage und können somit als eine Art Großhändler gegenüber den Laboren auftreten. Die Reservierung von Lagerkapazitäten ermöglicht uns und dem Labor dann auch, das Tempo nach dem Motto first come, first serve anzupassen.
Sind eure Labore exklusiv für euren Test tätig?
Wir mussten auch erst lernen, dass Labore profitorientierte Dienstleister sind, die sich – nicht zuletzt aufgrund von Corona – neu organisiert haben und gerade überall in die Aufstockung von Kapazitäten investieren. In Europa haben wir bereits mit den zwei größten (Franchise-)Anbietern einen Deal. Wie oben schon erwähnt, testen wir durch die Bündelung vieler Festivals – aber auch von Clubs, Konzertveranstaltern sowie Akteuren aus dem Sport und dem Hochkultur-Bereich – mehr als ein ganzes Land! Hier entscheiden klassische Angebot- und Nachfrage-Kräfte.
Gibt es eine gesetzliche Regelung für euer Verfahren?
Wir verwenden, wie weltweit überall praktiziert, das Goldstandard-PCR-Testverfahren, mit dem einzigen Unterschied, dass wir gurgeln lassen. Der Gurgel-Prozess ist von der WHO freigegeben und liefert sogar eine leicht höhere Sensibilität als der Mund-/Nasenabstrich, konkret liegen wir bei 99 Prozent Genauigkeit. Zum Vergleich: Aktuell lesen wir täglich von Schnelltests in 15 Minuten, die eine maximale Sicherheit von 50 bis 80 Prozent liefern. Die sind also völlig unbrauchbar für Events: Zehn Personen mit einem False-Negative-Ergebnis bei 1000 Besucher*innen haben da bereits das Potenzial, ein Superspreader-Event auszulösen.
Was passiert bei einem positiven Ergebnis? Wird das Gesundheitsamt automatisch informiert?
Das Covid-19-Virus ist weltweit meldepflichtig. Jedes Partnerlabor ist direkt mit dem internationalen Seuchen-Netzwerk verbunden. Bei einem positiven Ergebnis folgt eine automatische Meldung an die entsprechende Behörde im gemeldeten Wohnsitz des oder der Getesteten. Hier gelten dann die üblichen lokalen Regeln, also Quarantäne. Das bedeutet dann natürlich gleichzeitig, dass es für die betreffende Person keinen Event-Zugang gibt.
„Aktuell liegt der Preis für einen Labortest weltweit bei 110 Euro. (…) Durch unseren DIY-Gurgelprozess und durch unsere Großhändler-Rolle schaffen wir es, den Preis auf etwa 70 Euro zu drücken.”
Habt ihr euch schon Gedanken darüber gemacht, wie lange das Testergebnis gültig sein könnte, um eine Veranstaltung zu besuchen?
Die meisten Regierungen legen fest, wie alt das Testergebnis sein darf, um eine Staatsgrenze übertreten zu können. Die Inkubationszeit liegt durchschnittlich bei 5,2 Tagen. Wir geben nur eine Empfehlung ab, die natürlich vom lokalen Pandemie-Entwicklungsstatus abhängig ist. Die Entscheidung oder Verantwortung liegt am Ende bei der jeweiligen Behörde, die die Genehmigung erteilt. Wenn wir davon ausgehen, dass der Test 24 Stunden vor Eventzugang gemacht wird, gibt es einen statistisch sehr hohen sicheren nicht-infektiösen Zeitraum von ein bis vier Tagen. Anhand unserer Entry-Control-App mit QR-Code gibt es einen Countdown, der die Zugangsberechtigung runterzählt.
Wie viel wird ein Testkit kosten?
Der größte Kostenblock sind die Laborkosten, um die wir nicht herumkommen. Die günstigen Schnelltests ohne Labor bringen keine Sicherheit. Aktuell liegt der Preis für einen Labortest weltweit bei 110 Euro. Viele Länder bieten diesen durch Förderung zum Beispiel für Risikogruppen gratis oder vergünstigt an. Durch unseren DIY-Gurgelprozess und durch unsere Großhändler-Rolle schaffen wir es, den Preis auf etwa 70 Euro zu drücken. Uns ist natürlich bewusst, dass das etwa bei einem Konzertticket für 45 Euro immer noch viel zu viel ist. Schlagendes Argument ist hier, dass jede lokale Gemeinde, in der das Event stattfindet, aufgrund von Steuereinnahmen sowie Nachfrage-Schaffung von Gastronomie, Hotels und Transport auch einen enormen Mehrwert hat. Wir empfehlen daher immer einen Kosten-Split: Ein Drittel übernehmen die Besucher*innen – 30 Euro sehen wir hier als Schmerzgrenze –, ein Drittel Gemeinde, Bezirk, Land oder Bund und den Rest entweder der Veranstalter oder profitierende (Partner-)Unternehmen und Sponsoren.
Nicht alle werden sich einen Test leisten können. Wie geht ihr damit um?
Zur Zeit geben Staaten für jeden PCR-Test viel Geld aus, und besonders in Europa werden die meisten Tests aus der Staatskasse bezahlt. Wir erwarten daher schon, dass sich offizielle Stellen an den Testkosten beteiligen. Immerhin übernehmen wir staatliche Aufgaben und beteiligen den privaten Sektor am Kampf gegen die Pandemie.
Seid ihr da schon in den Dialog gegangen?
Wir sprechen mit der Regierung einer Stadt. Da geht es darum, dass diese das Testkit zu vollständig subventioniert. Abgesehen davon, dass wir helfen, das Virus einzudämmen, konnten wir auch leicht darstellen, dass sich der investierte Betrag durch daraus resultierende Steuereinnahmen komplett refinanziert; eine Tatsache, die schneller Türen bei der Politik öffnet, als erwartet. Gleichzeitig glauben wir, dass die zurückgewonnene Freiheit für die Eventdauer einen Selbstkostenpreis von etwa 30 Euro rechtfertigt. Jeder Veranstalter kennt sein Publikum am besten und muss das selbst einschätzen. Das hängt natürlich auch immer davon ab, welche Kaufkraft das jeweilige Publikum hat. Zum Beispiel ist ein Test am Flughafen von Ibiza für 70 Euro gefühlstechnisch leichter vertretbar als wenn wir etwa ein Revive-Berlin-3-Day-Club-Festival umsetzen. Da liegt die Schmerzgrenze sicherlich darunter.