Das ://about blank vor seiner Eröffnung im Januar 2009 (Foto: Archiv ://about blank)
An diesem Wochenende feiert mit dem ://about blank einer der einflussreichsten Berliner Clubs seinen zehnten Geburtstag. Zur Geschichte des Blank hat sich das Beitreiber*innenkollektiv schon geäußert. In diesem Interview gewähren die Macher*innen des Clubs einen Einblick in ihre komplexe Organisationsstruktur, mit der sie seinem idealistischen, linken Anspruch gerecht werden wollen. Ganz besonders haben unsere Autorin Martina Dünkelmann die Arbeitsbedingungen interessiert, unter denen das Kollektiv und die Mitarbeiter*innen in dem Club tätig sind. Jeder weiß, dass im Nachtleben oft in prekären Verhältnissen gearbeitet wird – das Blank macht vor, dass es auch anders geht.
Wie genau seid ihr organisiert? Was macht das Kollektiv, was die Mitarbeiter*innen? Wozu gibt es einen Clubrat? Wie viele Personen gehören da jeweils ungefähr dazu?
Kollektivista: Wir organisieren das ://about blank in einer kollektiven Struktur als Betrieb mit politischem Anspruch, der den Versuch unternimmt, trotz aller Widersprüche, die wir im herrschenden Kapitalismus nicht auflösen können, eine solidarische Ökonomie zu betreiben. Wesentlicher Bestandteil dieser solidarischen Ökonomie ist der Einheitslohn. Das heißt: Egal was und in welcher Position im ://about blank gearbeitet wird, jede*r bekommt den gleichen Brutto-Stundenlohn. Es gibt keine Privatisierung von Gewinnen, alle Einnahmen werden als Löhne ausgeschüttet oder verbleiben in Form von Verbesserungs- und Instandsetzungsinvestitionen im Club.
Das Betreiber*innen-Kollektiv besteht aktuell aus 14 Leuten. Wir organisieren unsere Arbeit in verschiedenen Arbeitsgruppen. Bei der Gestaltung der Arbeitsbereiche legen wir großen Wert auf Autonomie innerhalb dieser AGs. Zum Beispiel in Booking-AG, Promo-AG, Bau-AG, Finanz-AG, Lohn-AG. Alle wichtigen Entscheidungen werden jedoch gemeinsam auf unserem wöchentlichen Plenum getroffen. Wir entscheiden im – wie wir es nennen – pragmatischen Konsens. Es müssen also nicht alle vollkommen mit einer Entscheidung einverstanden sein, aber damit leben können. Wir versuchen damit, Entscheidungen nicht durch Vetos zu blockieren, sondern einen gemeinsamen Weg zu finden. Auf rechtlicher Ebene sind wir seit dem letzten Jahr eine Genossenschaft, die mehr unserer kollektiven Struktur entspricht als die vorherige Rechtsform.
„Das Tür-Kollektiv als autonome kollektive Struktur, wie es zu Beginn des Projekts bestand, gibt es in dieser Form nicht mehr. Wir sind inzwischen enger verzahnt.”
Eine weitere wichtige Instanz für Entscheidungsfindungsprozesse ist der Clubrat, die jährlich gewählte Mitarbeitenden-Vertretung. Aktuell besteht der Clubrat aus drei Leuten. Er vertritt gegenüber dem Betreiber*innen-Kollektiv die Interessen der Mitarbeitenden, sowohl der Angestellten als auch der Honorarkräfte. Clubrat und Kollektiv treffen sich regelmäßig, um die verschiedenen Themen und Anliegen zu diskutieren.
Clubrat: Clubrat und Kollektiv verhandeln in regelmäßigen Abständen beispielsweise auch über Lohnerhöhungen, zusätzliche Urlaubstage und andere Anliegen der Mitarbeiter*innen.
Ich habe in einem Artikel der Berliner Zeitung von 2016 gelesen, dass ihr ein Türsteher*innen- und ein Club-Kollektiv habt. Ist das immer noch so? Gibt es noch mehr Kollektive bei euch? Arbeiten bei euch auch Menschen, die nicht Teil eines der Kollektive sind?
Kollektivista: Das Tür-Kollektiv als autonome kollektive Struktur, wie es zu Beginn des Projekts bestand, gibt es in dieser Form nicht mehr. Wir sind inzwischen enger verzahnt. Es gibt eine mit zwei Personen aus dem Türbereich besetzte Tür-Orga-Stelle, die in einer Delegierten-Struktur mit Personen aus dem Kollektiv zusammenarbeitet, um strukturelle und organisatorische Fragen zu besprechen.
Der Arbeitsbereich Tür organisiert seine Arbeit aber in vielerlei Hinsicht immer noch autonom vom Kollektiv und investiert viel Zeit und Energie in Fragen, die weit über das hinausgehen, womit sich Bouncer*innen normalerweise wohl so herumschlagen würden. Zwischen Clubkollektiv und Türcrew gibt es dabei immer wieder auch Austausch und Diskussionen zu bestimmten Themen wie z.B. safer use, Awareness oder sexpositivem Feiern, in denen wir unsere Positionen und unsere Arbeitsweise versuchen kontinuierlich weiterzuentwickeln.
„Wir verstehen das Blank aber auch als Experiment und andauernden Prozess, wir sind noch nicht fertig und basteln immer weiter an unserer Utopie. Die Richtung ist aber klar: hin zu mehr Kollektivierung.”
Jenseits des Betreiber*innen-Kollektivs besteht das blank aus einem großen Kosmos an Mitarbeitenden und Veranstaltenden – und natürlich vielen treuen Stammgästen. Die überwiegende Mehrheit der Mitarbeitenden sind bei der Genossenschaft angestellt, entweder im Minijob oder sozialversichungspflichtig. Die Veranstaltenden sind keine Angestellten und arbeiten auf eigenes Risiko, wir sind aber mit vielen von ihnen schon seit Jahren verbunden.
Ihr habt doch bestimmt Zuständigkeiten und Verantwortungsbereiche aufgeteilt – sind da einzelne Personen verantwortlich? Wie beugt ihr Machtkonzentration vor?
Kollektivista: Innerhalb des Betreiber*innen-Kollektivs haben wir uns, wie bereits erwähnt, in relativ autonom arbeitenden AGs organisiert und damit Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten entsprechend aufgeteilt. Wir haben nie nach dem Prinzip „Alle müssen alles machen” gearbeitet, sondern unsere Arbeitsbereiche nach Neigung und Kompetenzen ausgesucht. Dadurch entstehen natürlich immer wieder Wissenshierarchien, die wir auch nicht komplett auflösen können. Wir versuchen diese durch unsere wöchentlichen Treffen zu schmälern und verschaffen einander durch ein Berichtswesen guten Ein- und Überblick darüber, was aktuell in den verschiedenen AGs passiert. Große finanzielle Entscheidungen treffen wir jedoch alle gemeinsam; wir nehmen uns auch immer wieder die Zeit, unsere Gruppenprozesse zu reflektieren und entstandene Konflikte zu bearbeiten und zu lösen.
Da die letzte Entscheidung beim Betreiber*innen-Kollektiv liegt, ist hier natürlich eine Machtkonzentration, die wir immer wieder kritisch reflektieren müssen. Wir versuchen viele Perspektiven der Mitarbeitenden, die wir durch direkten Kontakt und Zusammenarbeit, die Arbeitsbereichstreffen und den Clubrat bekommen, in unsere Entscheidungen einfließen zu lassen und möglichst durchlässig zu sein. Da ist aber sicher noch viel Luft nach oben. Unsere Struktur hat sich über die Jahre gewandelt und erweitert, wir haben immer wieder verschiedene Ansätze ausprobiert, um möglichst viel Mitbestimmung, Partizipation und Transparenz zu schaffen. Wir scheitern aber auch immer wieder an diesem Anspruch. Es ist nicht einfach, bei so einem großen Kosmos wirklich jede einzelne Position zu sehen und einzubeziehen. Mit unserer Betriebsorganisation versuchen wir das strukturell zu ermöglichen, restlos alles können wir auf diesem Weg leider (auch) nicht vermitteln. Wir verstehen das Blank aber auch als Experiment und andauernden Prozess, wir sind noch nicht fertig und basteln immer weiter an unserer Utopie. Die Richtung ist aber klar: hin zu mehr Kollektivierung. Die Genossenschaft bietet da sicherlich auch noch mal neue Perspektiven, die wir vorher nicht hatten.
„Die Teilnahme an allen Treffen ist freiwillig, sie wird aber wie Arbeitszeit behandelt und dementsprechend auch entlohnt.”
Jenseits der rein organisatorischen Planung des Clubs gibt es während des Veranstaltungsbetriebs Arbeitsbereichsleitungen wie die Tresenleitung oder die Türprinzessin, die jeweils ihren Arbeitsbereich koordinieren und sich mit dem*der CvD, also der Abendleitung, abstimmen.
Wie kann sich die*der einzelne Mitarbeiter*in dann Gehör veschaffen?
Kollektivista: Neben dem Clubrat als Interessenvertretung gibt es in allen Bereichen regelmäßige Bereichstreffen, auf denen die Themen und Anliegen der jeweiligen Arbeitsbereiche direkt und persönlich besprochen werden, Kritik geübt, Arbeitsabläufe diskutiert und Wünsche geäußert werden können. Einige Arbeitsbereiche treffen sich monatlich, andere etwa zweimonatlich, mindestens aber halbjährlich. Die Tür-Crew macht neben dem regelmäßigen Bereichstreffen auch viele Workshops, um ihre Arbeitsroutinen zu schulen und weiterzuentwickeln. Etwa zweimal im Jahr gibt es ein großes Tür-Crew/Betreiber*innen-Kollektiv-Treffen um sich gemeinsam zu komplexeren Themen auszutauschen. Ebenfalls zweimal im Jahr findet eine Mitarbeiter*innen-Vollversammlung statt, in der das Betreiber*innen-Kollektiv einen programmatischen Rück- und Ausblick sowie einen Überblick über die aktuelle wirtschaftliche Situation gibt. Auch andere wichtige Themen wie etwa die Lohnentwicklung zwischen Kollektiv, Clubrat und Crew werden hier diskutiert. Die Teilnahme an allen diesen Treffen ist freiwillig, sie wird aber wie Arbeitszeit behandelt und dementsprechend auch entlohnt.
Wo viele Stimmen sind, kann vielleicht mal eine untergehen, die nicht so laut ist – sorgt ihr in irgendeiner Form dafür, dass das nicht passiert, stärkt ihr die einzelnen Individuen eures Kollektivs in irgendeiner Form?
Kollektivista: Auf unserem Plenum gibt es definitiv unterschiedliche Redeanteile unter den Beteiligten. Das liegt teilweise an unterschiedlich stark ausgeprägten Interessen oder Expertisen in Bezug auf das jeweilige Thema, teilweise aber sicherlich auch an unseren individuellen Charakteren. Wir versuchen dem zu begegnen, indem wir zum Beispiel Runden machen, in denen jede*r etwas zu einer Fragestellung äußern kann, oder dadurch, dass die Moderation gezielt nachfragt und Leute ermutigt sich zu äußern, die noch gar nichts oder nur wenig zu einem Thema gesagt haben. Wichtig ist uns außerdem eine möglichst große Transparenz untereinander in Bezug auf Wissen, Informationen, Entscheidungsprozesse oder auch Finanzen zu gewährleisten, ebenso bemühen wir uns auch gegenüber der Crew unsere Entscheidungen oder auch die finanzielle Situation des Clubs transparent zu machen.
„Auf Grund dieser Doppelrolle erreicht uns Kritik dann oft auch nicht über die „offiziellen” Kanäle, sondern eher bei einem Feierabenddrink am Tresen oder manchmal auch vermittelt und anonymisiert über Dritte.”
Clubrat: Trotzdem ist für die Mitarbeiter*innen diese Transparenz und auch die Möglichkeit der Partizipation nicht im gleichen Maße gegeben wie für Kollektivistas. Zwar gibt es verschiedene Möglichkeiten und Ebenen für die Crew sich einzubringen, die letzte Entscheidung liegt aber im Zweifelsfall wie vorhin schon erwähnt beim Kollektiv.
Wo es keine*n Chef*in gibt, muss man/frau keine Angst vor dem/der Chef*in haben – aber vielleicht vor anderen Mitgliedern/ Mitarbeiter*innen/ Kolleg*innen / Genoss*innen? Oder vor Gruppen und ihren Dynamiken, die sich trotz des kollektiven Tuns temporär bilden können? Gibt es bei euch ein Äquivalent zu „Angst vor dem Chef, Angst den Mund aufzumachen”?
Clubrat: Die Angst vor Arbeitgeber*innen wie auch vor Kolleg*innen gibt es in jeder Arbeitsstruktur. Wir als Mitarbeiter*innenvertretung sehen uns in der Verantwortung etwaige Forderungen oder Kritik, auch in anonymisierter Form, an die Arbeitgeber*innen heranzutragen oder auch bei Uneinigkeit zwischen Mitarbeiter*innen zu vermitteln und zu schlichten. Eine andere Option ist das Hinzuziehen der kollektivseitigen Personal AG, um zwischenmenschliche Probleme zu schlichten bzw. zu lösen. Das eine richtige Schema F gibt es da nicht, es wird von Fall zu Fall mit allen Beteiligten entschieden, wie vorgegangen wird. Sollte es im äußersten Fall zu einer Kündigung außerhalb der Probezeit kommen, ist dazu die Zustimmung des Clubrats erforderlich.
Kollektivista: Wir versuchen auf verschiedenen Kanälen Möglichkeiten für Kritik und Feedback anzubieten, sei es per Mail oder persönlich, als anonyme Mitteilung in unserem Briefkasten, auf den Arbeitsbereichstreffen oder über den Clubrat als Vermittlungsinstanz. Wir haben den Anspruch und bemühen uns, Kritik konstruktiv anzunehmen und zu beherzigen.
Uns ist aber auch bewusst, dass wir neben dem Status der Kolleg*innen auch die Rolle der Arbeitgeber*innen haben und uns davon auch nicht komplett loslösen können, egal wie sehr wir uns bemühen. Wir denken, dass es wichtig ist, sich dessen bewusst zu sein und dies im Umgang mit Mitarbeiter*innen auf dem Schirm zu behalten.
Auf Grund dieser Doppelrolle erreicht uns Kritik dann oft auch nicht über die „offiziellen” Kanäle, sondern eher bei einem Feierabenddrink am Tresen oder manchmal auch vermittelt und anonymisiert über Dritte. Da ist es wichtig, ein offenes Ohr zu haben, hinzuhören und sich zu bemühen der Unzufriedenheit oder Kritik auf den Grund zu gehen, um zu lernen, wie wir es in Zukunft besser machen können.
„Oft sind es aber auch kleine Dinge, die im Arbeitsalltag helfen, die Sicherheit der Mitarbeiter*innen zu erhöhen, wie die Beseitigung einer Stolperfalle oder die Abdeckung einer scharfen Kante.”
Im Großen und Ganzen würden wir aber schon sagen – vor allem wenn wir die Atmosphäre hier bei uns mit anderen Arbeitsplätzen vergleichen –, dass es ziemlich viel Raum und Verständnis für unsere Crew gibt, ihren Frust frei zu äußern. Einige tun dies auch sehr direkt und deutlich. Das ist für uns natürlich manchmal im ersten Moment nicht so angenehm, aber grundsätzlich ist es besser zu wissen, dass sich Leute auch trauen den Mund aufzumachen und mit uns in den Konflikt zu gehen, wenn ihnen etwas nicht passt. Je größer das persönliche Vertrauensverhältnis, desto höher auch die Chance, dass die „Angst vor der Chefin” nicht dazu führt, dass Leute ihren Frust oder ihre Sorgen für sich behalten.
Wie sorgt ihr dafür, dass Grundlagen des Arbeitsschutzes bei euch eingehalten werden? Was ist in Bezug darauf bei euch vielleicht anders als bei anderen Clubs, die hierarchisch geführt werden?
Kollektivista: Arbeitsschutz wie zum Beispiel Gehörschutz gibt es bei uns seit mehreren Jahren, die Ausgabemodalitäten sind auch in den Arbeitsverträgen festgehalten.
Clubrat: Es wäre interessant zu erfahren, wie mit diesem Thema in anderen Clubs umgegangen wird, ob hierarchisch geführt oder nicht. Als Mitarbeiter*innen-Vertretung ist es eine der Aufgaben, uns um Arbeitsschutz zu kümmern. Dazu gehört, dass Mitarbeiter*innen die benötigte persönliche Schutzausrüstung gestellt bekommen, z.B. Gehörschutz gegen Lärm oder Sicherheitsschuhe beim Umgang mit Maschinen (wie E-Hubwagen oder Putzmaschine). Wir orientieren uns da an geltenden Richtlinien und haben die Erarbeitung einer Gefährdungsbeurteilung aller Arbeitsplätze angestoßen. Außerdem soll bald noch ein Arbeitsschutz-Ausschuss gegründet werden, um sich ausgiebig mit diesen Angelegenheiten zu beschäftigen.
Wenn kostenintensive bauliche Veränderungen oder andere größere Investitionen notwendig sind, um Arbeitsschutz-Mängel zu beseitigen oder Arbeitsbedingungen zu verbessern, müssen wir beim Betreiber*innen-Kollektiv manchmal Überzeugungsarbeit leisten, damit dies dann auch zeitnah geschieht. Arbeitsschutz und gute Arbeitsbedingungen kosten Geld, das leider nicht unbegrenzt vorhanden ist. Oft sind es aber auch kleine Dinge, die im Arbeitsalltag helfen, die Sicherheit der Mitarbeiter*innen zu erhöhen. Wie die Beseitigung einer Stolperfalle oder die Abdeckung einer scharfen Kante.
Gibt es einen Aspekt des Arbeitsschutzes, den ihr besonders beachtet und realisiert? Ein Beispiel: Wenn ein*e Kolleg*in spontan ausfällt und ein*e andere*r erklärt sich spontan bereit, eine zweite Schicht anzuhängen, sodass er/sie zum Ende der zweiten Schicht z.b. 16 Stunden gearbeitet hätte – würdet ihr das Angebot annehmen?
Clubrat: Schichtlängen von zehn Stunden sollten das absolute Maximum und auch nicht die Regel sein. Vor allem in Arbeitsbereichen, die körperlich besonders anstrengend sind oder besondere Konzentration erfordern, können acht Stunden schon zu viel sein. Doppelschichten sind aus unserer Sicht nicht akzeptabel.
„Wir haben einen großen Pausenraum mit einem Sofa und anderen Sitzgelegenheiten im Obergeschoss. Die Lage ist zwar nicht ideal, da er über einem der Dancefloors liegt, es ist dort aber trotzdem relativ ruhig.”
Kollektivista: Wir planen keine Doppelschichten und achten darauf, die Schichten nicht zu lang zu planen, ebenso zwischen mehreren aufeinanderfolgenden Schichten ausreichend Zeit für Schlaf und Erholung zu ermöglichen. Außerdem haben wir den Grundsatz, dass Schichten nicht mitten in der Nacht beginnen. Wichtig ist natürlich auch, eine ausreichende Schichtbesetzung zu gewährleisten, damit Pausen auch wirklich genommen werden können.
Bei kurzfristigen Ausfällen stehen wir dann schon mal vor einer großen Herausforderung – zum Glück haben wir aber ein ziemlich großes, tolles und engagiertes Team, und es findet sich fast immer jemand, der*die einspringt, wenn es zu Ausfällen kommt. Es herrscht große Solidarität zwischen den verschiedenen Arbeitsbereichen, sich gegenseitig auszuhelfen. In Notfällen kann es dann auch schon mal passieren, dass die Türsteherin plötzlich mit an der Garderobe steht und Jacken herausgibt, um die Kolleg*innen zu unterstützen. Im Idealfall ist so etwas aber natürlich die Ausnahme und erfolgt auch nur im allgemeinen Einverständnis.
Achtet ihr darauf, dass Pausen gemacht werden, gibt es dafür einen ruhigen Ort?
Clubrat: Die gesetzlichen Pausenzeiten sind bei uns Bestandteil der bezahlten Arbeitszeit. [d.Red: Bei 6 – 9 Std. Arbeitszeit 30 min, bei über 9 Std. 45 min]. Wir achten grundsätzlich darauf, dass diese Pausenzeiten auch gewährleistet werden, was im Partybetrieb manchmal zugegebenermaßen nicht ganz einfach ist. Damit das zukünftig besser funktioniert, probieren wir aktuell im Gastro-Bereich Pausenpläne aus, in denen bei Schichtbeginn mit den Mitarbeiter*innen festgelegt wird, wer zu welchem Zeitpunkt Pause machen kann, da die Pausenzeiten laut Arbeitszeitgesetz ja im Vorfeld feststehen müssen. Wir hoffen, dass sich bestehende Vorbehalte gegen eine damit verbundene Entflexibilisierung im Laufe der Zeit abbauen werden – zur Zeit sind sie aber noch ziemlich groß.
Wir haben einen großen Pausenraum mit einem Sofa und anderen Sitzgelegenheiten im Obergeschoss. Die Lage ist zwar nicht ideal, da er über einem der Dancefloors liegt, es ist dort aber trotzdem relativ ruhig. Außerdem befindet sich in der Nähe auch die Personalküche in der sich die Mitarbeiter*innen heiße Getränke und Mahlzeiten zubereiten können. Eine Grundversorgung an Essen sowie Kaffee und alkoholfreien Getränke wird vom Club kostenfrei bereitgestellt.
Wie vermeidet ihr willkürliche Entscheidungen, die die*der Einzelne vielleicht als ungerecht empfindet, gegen die sich nicht sofort gewehrt werden kann? Beispiel: Plötzlicher Wechsel des Schichtplans, Einsatz an anderen Orten als verabredet.
Kollektivista: Für den Fall, dass wir kurzfristig Schichten absagen müssen oder Leute früher als geplant ausgecheckt werden, weil nicht mehr so viel zu tun ist, haben wir eine vertragliche Ausfallpauschalenregelung. Damit gewährleisten wir, dass je nach ursprünglich geplanter Schichtlänge ein Mindestmaß an Stunden bezahlt wird. Wenn es notwendig ist, dass jemand in einem anderen Arbeitsbereich als zunächst geplant arbeitet, dann sprechen wir das im Vorfeld mit den Leuten ab.
Mitarbeitende können aber nur in Arbeitsbereichen eingesetzt werden, in denen sie auch sonst arbeiten und eingearbeitet sind. In der jeweiligen Situation ist es dann die Aufgabe der Chef*in vom Dienst, der Tresenleitung und der Türprinzessin, die unterschiedlichen Bedürfnisse zu koordinieren und Entscheidungen zu vermitteln – zum Beispiel, wer an welcher Bar oder Garderobe arbeitet, wann gewechselt wird oder wer zuerst auschecken darf oder muss. Natürlich können auch hier Unzufriedenheit oder Konflikte nie ganz vermieden werden. Sollte dies passieren und eine sofortige Klärung nicht möglich sein, wird die Situation im Nachhinein besprochen und versucht für die Zukunft Kompromisslösungen zu entwerfen und umzusetzen.
Versucht ihr, euch (und ggf. eure Mitarbeiter*innen) vor Selbstausbeutung zu schützen? Wenn ja, wie konkret?
Kollektivista: Das Risiko für Selbstausbeutung ist im Veranstaltungsbereich und bei einem Projekt mit soviel Herzblut und Identifikationspotenzial wie dem ://about blank sowohl für uns als auch für die Crew hoch. Einer unserer wichtigsten Grundsätze ist deshalb: Keine unbezahlte Arbeitszeit! All das, was notwendig ist, um einen Ort wie das ://about blank zu betreiben, soll auch als Arbeit bezahlt werden. Daneben ist es uns wichtig, dass Leute ihren bezahlten Urlaub in Anspruch nehmen und auch zum Arzt gehen und sich krankschreiben lassen, um Lohnfortzahlungen zu erhalten, wenn sie nicht arbeitsfähig sind.
„Viele werden uns dafür sicherlich Realitätsverweigerung unterstellen – für uns ist und bleibt das aber der realistische Versuch des Unmöglichen.”
Daneben gibt es auch „weiche” Strategien, um Selbstausbeutung vorzubeugen: Wenn wir zum Beispiel den Eindruck haben, dass sich eine*r von uns übernimmt und sich zu viele Aufgaben aufhalst, wird das thematisiert. So versuchen wir uns gegenseitig zu spiegeln, wenn wir in eine Überlastungssituation zu geraten drohen.
Bereits eingetretener Überlastung wird entgegengewirkt, indem wir uns den Raum und die Zeit dafür nehmen, sie zu identifizieren und dann gemeinsam nach Lösungen zur Entlastung zu suchen, etwa indem Aufgaben neu verteilt werden oder anderweitige Unterstützung organisiert wird.
Gibt es bestimmte Maßnahmen, mit denen ihr euch (und ggf. eure Mitarbeiter*innen) während der Öffnungszeiten oder präventiv vor Belästigungen schützt (außer die Türsteher*innen zu holen)?
Kollektivista: Bei einigen Parties gibt es ein externes Awarenessteam, welches ergänzend zu den Türsteher*innen im Club unterwegs ist und in der Regel auch für die Arbeitenden ansprechbar ist. Die „Awareness” bei Mitarbeiter*innen, Kollektiv und Gästen ist recht hoch im Vergleich zu Erfahrungen aus anderen Gastrobetrieben. Wir ermutigen unsere Crew eventuell übergriffige Situationen sowohl unter Gästen als auch gegenüber der Crew zu benennen und Hilfe zu holen.
Es gibt für die Mitarbeiter*innen immer Rückzugsräume, in die Gäste keinen Zutritt haben. Kommt es zu Vorfällen, bei denen Mitarbeiter*innen involviert sind, werden diese entweder direkt oder – wenn das nicht möglich ist – im Nachgang besprochen. Gegebenenfalls werden dann entsprechende Konsequenzen gezogen.
Ein Kollektiv ist im Kapitalismus eine utopische Gesellschafts- und Organisationsform. Muss ein Kollektiv aus starken und guten, „kollektivistischen” Menschen bestehen, um diese Utopie in der Gegenwart zu realisieren? Wie kann ausgeglichen werden, wenn ein Individuum im Kollektiv soziale Schwächen zeigt?
Kollektivista: Es gehört wahrscheinlich schon einiges dazu, im Kapitalismus ein Projekt zu betreiben, das sich dem Ideal einer solidarischen Ökonomie verpflichtet hat. Viele werden uns dafür sicherlich Realitätsverweigerung unterstellen – für uns ist und bleibt das aber der realistische Versuch des Unmöglichen: Die Utopie, der wir nachjagen, wird in der Gegenwart, in der wir leben und arbeiten, schlichtweg nie ganz zu realisieren sein. Doch gerade deswegen wollen wir es weiterhin versuchen, auch wenn uns bewusst ist, dass wir unterwegs immer wieder scheitern und stolpern werden. Genau dieses Scheitern und Stolpern begegnet uns nicht nur auf der strukturellen, sondern auch auf der persönlichen Ebene. Es ist eine bewusste Entscheidung, in einem Projekt zu arbeiten, das alternative Arbeitsweisen und nicht die Erwirtschaftung von möglichst viel Gewinn priorisiert.
„Es gab Situationen, in denen Einzelne von uns in persönliche Krisen gerutscht sind oder einfach mal eine Pause brauchten. Wir versuchen dann eine Auszeit für den*die Einzelne zu ermöglichen und später wieder den Einstieg in das Projekt zu finden.”
Ob uns das zu besonders guten, starken, „kollektivistischen” Menschen macht, möchten wir selbst nicht beurteilen. Viel wichtiger ist die Art und Weise, wie wir mit persönlichen Schwächen umgehen – sowohl individuell als auch im Kollektiv. Fehltritte können uns allen passieren und die Vorstellung oder der Anspruch, dass wir alle immer perfekt funktionierende und moralisch vollkommene Wesen sein müssen, ist nicht teil unseres Selbstverständnisses.
Im besten Fall schafft es eine Struktur wie die unsere, mit Fehltritten oder persönlichen Schwächen einen guten Umgang zu finden, das heißt darüber offen in die Kommunikation zu gehen, sich Fehler einzugestehen, zu verzeihen und nicht das Grundvertrauen ineinander zu verlieren. Dazu gehört sowohl das persönliche Eingestehen von Fehltritten als auch das Akzeptieren von Frust und Kritik als Reaktion darauf – und Konsequenzen zu ziehen. Das Ganze gilt natürlich auch für unsere Mitarbeiter*innen. Wir erwarten von niemandem eine perfekt geölte soziale Maschine zu sein. Wichtig ist aber, sich Konflikten oder Kritik zu stellen und gemeinsam einen Umgang damit zu finden.
Kollektivista: Es gab Situationen, in denen einzelne von uns in persönliche Krisen gerutscht sind oder einfach mal eine Pause brauchten. Wir versuchen dann eine Auszeit für den*die Einzelne zu ermöglichen und später wieder den Einstieg in das Projekt zu finden. Bei großen Konflikten haben wir auch schon externe Mediation in Anspruch genommen.
Habe ich eine Frage vergessen? Gibt es sonst noch etwas, was ihr zum Thema Arbeitsbedingungen schreiben möchtet?
Kollektivista: Das Prinzip der freien Schichtwahl ist für uns ein weiterer sehr zentraler Aspekt bei der Gestaltung unserer Arbeitsbedingungen. Unsere Schichtplanung bemüht sich, die unterschiedlichen Schichtwünsche aller zu berücksichtigen. Wir verhängen keine Urlaubssperre und verlangen auch nicht, dass eine Person jedes Wochenende zur gleichen Zeit arbeitet. Jeden Monat können alle aufs Neue ihre Schichtwünsche einreichen, die dann der Planung zugrunde gelegt werden. Das kann zum Beispiel auch bedeuten, dass ich in drei Monaten ganz viel arbeiten will, um dann zwei Monate lang durch die Welt zu reisen und gar keine Schicht anzunehmen. Das alles kostet natürlich viel mehr Planungszeit als ein festes Schichtsystem. Aber es bietet eben auch sehr viel Gestaltungsfreiheit für den*die Einzelne*n.
Den Stream zum Geburtstag des ://about blank findet Ihr hier.