burger
burger

Fiedel – Groove Podcast 250

- Advertisement -
- Advertisement -

Foto: Danny Croucher (Fiedel)

Michael Fiedler gehört zu den Veteran*innen der Techno-Szene, hat in mehr als einem Vierteljahrhundert hinter den Decks aber nie den Boden unter den Füßen verloren. Ob als Berghain-Resident, der die vorletzte Ausgabe der hauseigenen Mix-Serie besorgte, Mitglied des Duos MMM mit Errorsmith, Gründer von Fiedelone, Fiedeltwo sowie neuerdings Super Sound Tool, als Kollaborationspartner des Performance-Künstlers Frédéric Gies: Fiedel hat seine Finger scheinbar überall im Spiel und sich darüber dennoch keine Allüren zugelegt. Soweit die guten Nachrichten, kommen wir zu den noch besseren, weil wir das dringend brauchen: Auch Fiedels Beitrag zu unserem Groove Podcast ist als Durchhalteparole, als Appell ans Miteinander und damit Fortführung alter Techno-Traditionen zu denken – Musik für ein besseres Morgen, ein rund 85-minütiger Ritt an der Grenze von Techno und House. Mit Underground Resistance und Rob Hood, aber auch einem Acid-Klassiker von Maurice und einem neuen Cut aus dem Remix-Studio Fiedlers. Die Zukunft, sie kann getrost kommen.


Aktuell sieht es nicht so aus, als ob die geplante Tour zur Feier des 15. Berghain-Geburtstags stattfinden wird, dein nächster Gig dort als Resident war auf Ende April anberaumt und findet dementsprechend ebenfalls nicht statt. Wie bist du als DJ von der derzeitigen Situation betroffen?

Quasi über Nacht wurden sämtliche Auftritte für die nächsten Wochen abgesagt. Das war erstmal ein großer Schock. Nach ein paar weiteren Tagen und aufgrund der aktuellen Entwicklung weltweit war mir klar, daß dieser Zustand durchaus noch mehrere Monate andauern kann. Fragen kamen auf wie: Wo bekomme ich kurzfristig Geld her? Oder: Werden es die Clubs überhaupt überleben? Und: Wie sieht dann meine berufliche Perspektive aus? Antworten auf diese Fragen werde ich noch finden müssen.

Die Zwangsfreizeit scheinst du hinter den Decks zu verbringen: Mitte März hast du dort einen Mix veröffentlicht, den ersten in einer Serie “in various styles”, wie es in der Beschreibung hieß. Welches Konzept verfolgst du damit genau?

Ich habe während der ganzen Zeit keinen einzigen Mix gemacht. Alles war schon vorhanden. Der Groove-Mix ist der erste neu angefertigte Mix. Weil ich zu Hause auch mal etwas anderes hören wollte, bin ich auf ältere Mixe von mir gestoßen, die ich auf CD und auf Tape gefunden habe. Ich habe mich sehr über die musikalische Vielfalt gefreut. Genau diese wollte ich meinen Fans in dieser eintönigen Zeit anbieten und sie auf eine Reise durch meine musikalischen Kosmos mitnehmen.

Was war denn die Idee hinter deinem Beitrag zu unserem Groove-Podcast?

Musik, die eigentlich nur in dunklen Räumen und auf riesigen Lautsprecheranlagen funktioniert, passt nicht so richtig zum Eingeschlossensein in den eigenen vier Wänden. Deshalb habe ich im Gegensatz dazu eine eher leichtere und groovigere Variante von tanzbarer Musik gewählt: Technohouse, wenn man es so benennen möchte. Eine Mischung, die meiner Meinung nach viel zu kurz kommt. Beim Anhören wird ein positives Gefühl verbreitet und man kann seine Muskulatur etwas auflockern, wenn man sich dazu auch noch bewegt.

Nicht nur das Berghain, sondern auch dein gemeinsames Projekt MMM mit Errorsmith feiert in diesem Jahr Geburtstag, den 25. Euer letztes Release liegt schon wieder eine ganze Weile zurück, in einem Groove-Feature vor zwei Jahren hieß es allerdings, dass ihr euch wöchentlich im Studio trefft. Was genau treibt ihr dann eigentlich – beziehungsweise was passiert mit der Musik, die dabei ja sicherlich entsteht?

Im Studio produzieren wir tatsächlich den einen oder anderen Track. Das dauert bei uns eben etwas länger. Das Projekt, an dem wir jetzt schon geraume Zeit arbeiten, hat immer wieder Unterbrechungen erfahren. Aber wir sind hartnäckig drangeblieben und freuen uns darauf, im Herbst endlich das Ergebnis zu präsentieren. Mehr wird an dieser Stelle nicht verraten.

Mit Super Sound Tool hast du vor Kurzem ein neues Vinyl-Only-Label an den Start gebracht, anders als auf Fiedelone erscheinen dort auch Produktionen anderer. Warum der Fokus auf das physische Medium und löst SST damit dann auch Fiedelone ab?

Fiedelone wird nicht abgelöst. Das Label bleibt nach wie vor die Spielwiese für meine eigenen musikalische Kreationen. Super Sound Tool verfolgt die Idee, endlich mal wieder Platten in der Hand zu haben, die man als Vinyl-DJ auch im Club spielen kann. Inhaltlich featuret das Label Musik, die ich gerne mehr im Plattenladen finden würde und die sich beim Gig universal einsetzen lassen. Technisch sind die Platten mit einem lauten und gut klingenden Schnitt hergestellt. Das kommt bei vielen Vinyl-Produktionen heutzutage einfach zu kurz. Ich ärgere mich sehr oft, wenn ein eigentlich cooles Stück im Club nicht spielbar ist, weil ein viel zu dünner Schnitt zu Feedback führt. Fehlende Erfahrung und die Wahl besonders kostengünstiger Herstellungsmethoden sind die Ursache dafür. Mit Super Sound Tool möchte ich aufzeigen, daß es auch anders geht, das Verfahren ist ja nicht neu.

Seit geraumer Zeit steuerst du Musik für ausgewählte Stücke des Performance-Künstlers Frédéric Gies bei. Wie kam eure Zusammenarbeit zustande?

Frédéric ist klassisch ausgebildeter Balletttänzer und er hat oft zu meinen Sets im Berghain getanzt. Als Choreograf im Bereich Contemporary Dance wollte er die Energie, die es auf den Tanzflächen in den Clubs gibt, in seine Arbeit einbeziehen. Ihm gefiel meine Musik anscheinend sehr und so fragte er mich, ob ich mir eine Zusammenarbeit vorstellen könnte. Das war 2014. Seitdem habe ich für mehrere seiner Projekte die Musik beigesteuert. Wir arbeiten gerade an einem neuen Stück, das sein Premiere im September haben soll.

Zuletzt habt ihr im Rahmen des CTM Festivals auf dem Säule-Floor des Berghains das Stück Dance Is Ancient vorgestellt. Sportliche sechs Stunden zog sich die Performance hin. Welches Konzept verfolgte Dance Is Ancient und was genau war deine Rolle dabei?

Die Beschreibung sagt aus: „it is a durational performance that is a club night and a club night that is a performance“. Das Stück stellt das uralte Ritual des gemeinschaftlichen Tanzens in den Mittelpunkt. Auf der Tanzfläche im Club machen wir ja nichts anderes. Die Gäste befinden sich mitten auf der Bühne, auf der ein Tänzer zu der Musik eines DJs improvisiert, dabei aus vielen Jahren Erfahrung schöpft und sich vom Moment inspirieren läßt. Dazu gibt es ein Bühnenbild, den aufblasbaren Fuß. Mit einer eigenen Lichtinstallation werden großartige Stimmungen erzeugt beziehungsweise dem Tänzer bestimmte Bereiche geschaffen, in denen er agieren kann. Die Gäste können entscheiden, ob sie nur Zuschauer*innen bleiben wollen oder selbst zu Akteur*innen werden. Ich liefere ganz einfach den Soundtrack dafür. Das Stück haben wir schon etliche Male in verschiedenen Kontexten aufgeführt – auf Tanzfestivals, im Museum, im Club – und es ist jedes Mal anders.

Last but not least: Was sind deine weiteren Pläne als Produzent und Labelbetreiber?

Für mich gibt es mit den bereits genannten Projekten noch reichlich zu tun. Daneben habe ich gerade zwei Releases in der Produktion: eine neue Super Sound Tool mit Juan Sanchez und Vinicius Honorio und eine neue Fiedeltwo von Mode_1 aus Dublin. Außerdem arbeite ich an weiteren Veröffentlichungen auf diesen Labels und entwickle Ideen für Fiedelone. Auf der Ostgut-Ton-Jubiläums-Compilation wird ein Stück sein, an dem ich beteiligt bin. Ich hoffe für uns alle, daß sich die derzeitige Situation in absehbarer Zeit wieder normalisiert und zukünftige Projekte stattfinden können.

Stream: Fiedel – Groove Podcast 250

01. Scan-7 – System Work (Underground Resistance)
02. The Dub Street Posse – Systa Egypt (Dow)
03. Ellery Cowles – Eagle Claw (Sychrophone)
04. Blake Baxter – Get Layed (KMS)
05. Vladimir Dubyshkin – Grasshopper’s Opinion (Trip)
06. Truncate – Pressure (DJ Haus Remix) (Pets)
07. Chez Damier – Can U Feel It (M.K.Dub) (KMS)
08. Kenny Dope feat. Roland Clarke – Dirty Talk (Inst) (Strictly Rhythm)
09. DJ Qu – Soul Thing (Hotmix)
10. Floorplan – So Glad (M-Plant)
11. M.K. – Burning (Vibe Mix) (4 To The Floor)
12. Hardhouse – Voices In My House (Voice Dubba) (Easy Street)
13. J.T.C. – The Assembly (Bopside)
14. Tallmen 785 – Down (Fiedel Remix) (Fiedeltwo)
15. Maurice – This Is Acid (K&T Mix) (Vendetta)
16. Like A Tim – Zilver A1 (Like Records)
17. Fear-E – Bang On It (Super Rhythm Trax)
18. K. Alexi Shelby – Got To Be Motivated (Elypsia)
19. The Prince Of Dance Music – Kill’Em Slowly (LaRhon)
20. Shake – That Day May Come (Frictional)
21. Matthaus – Scat Box (Stickman)
22. Calibre – Horange (The Nothing Special)
23. Mike Dunn – Key to Life (MD Vocal Life Mixx) (More About Music)

In diesem Text

Weiterlesen

Features

Lehmann Club: „Als Club musst du heutzutage mehr bieten als eine Anlage und ein bisschen Sound”

Groove+ Seit 14 Jahren sorgt der Lehmann Club für Techno in Stuttgart. Wir haben mit den Betreibern über ihre Vision und Vergangenheit gesprochen.

Rave The Planet: „Techno ist genauso viel wert wie andere Kulturen”

Techno ist UNESCO-Kulturerbe! Wir haben mit den Initiator:innen von Rave The Planet über die Anerkennung gesprochen.

Franziska Berns: „Don’t believe the hype!”

Groove+ Was die Club-Mentalität von Frankfurt und Offenbach ausmacht und wie man zur Peaktime-DJ im Robert-Johnson wird, verrät uns Franziska Berns im großen Porträt.