Jeden Tag werden DJ-Mixe ins Netz geladen. Manche sind besser, manche sind schlechter und nur wenige werden uns jahrelang begleiten. Jeden Monat sucht das Groove-Team die fünf besten Mixe des vorangegangenen Monats aus, präsentiert in alphabetischer Reihenfolge. Diesen Monat mit Black Jazz Consortium, Cem, Luigi Di Venere, mdo und Peach. Und wer danach noch nicht genug hat, schaut einfach mal beim Groove-Podcast vorbei.

Black Jazz Consortium: Brazilian Groove (Crack Magazine)

Im November letzten Jahres veröffentlichte Black Jazz Consortium alias Fred P das Album Evolution of Light. Eine ausufernde Studie verschiedenster Jazz-Spielarten, die er im Stile St. Germains mit groovigen House-Beats und kontemplativen Vocals kombinierte. Ähnlich verhält es sich mit seinem Mix fürs Crack Magazine, der sich thematisch an brasilianischer Musikkultur orientiert. Moderat im Tempo, phasenweise esoterisch, meist organisch im Drumming und immer die Tiefe suchend, lullen die Tracks über 60 Minuten angenehm ein.

Die Dramaturgie bleibt dabei die altbekannte: ausgiebiges Ambient-Intro zu Beginn – in diesem Fall ein besonders schönes, aus Marimba, Bläsern, organischer Percussion und Hall bestehendes Stück, das dem frierenden Berliner Hörer provokant brasilianischen Exotismus entgegenschmettert –, anschließend dominieren gerade wie gemächliche Beats. Diese setzen ab Minute zehn ein, überlagert von meditativen Vocals, einem breiten Spektrum an Instrumenten und zierlichen, spielerischen Melodien. Black Jazz Consortium bietet hier Ohrensessel-House auf, der maximale Sorglosigkeit verspricht, sich bei aller Seriosität aber gleichzeitig nicht zu ernst nimmt, um nur mit Zigarre und Whiskey im Glas konsumiert zu werden. Maximilian Fritz

Cem: Reclaim Your City 364

Der aus Wien stammende und in Berlin lebende CEM liefert Reclaim Your City einen sprudelnden Mix, live mitgeschnitten bei einer seiner erfolgreichen Herrensauna-Partys im Tresor. Mit aufregenden Verbindungen von rauen Techno Bomben, verspieltem UK-Sound und wildem Acid-Geplänkel kontrolliert der talentierte Track-Selekteur die straffen Zügel seines Karrens. 

Zu Beginn spielt er einige Breakbeats, die im Vergleich zur Gesamtheit des Mixes einen eher lockeren Höreindruck vermitteln. Spätestens jedoch als er um Minute 20 gekonnt „Grasshopper’s Opinion”, ein Song des Newcomers Vladimir Dubyshkin, mit Alden Tyrells Song „Lash Out” mischt, ist klar, dass dieser Mix ordentlich nach vorne geht. Die Farben, die er malt, sind hell und dunkel zugleich – dennoch passt trotzdem alles hübsch zusammen. Mit Passagen um die 1:20 exkursiert er zu Fadi Mohems „Take Your Time” und einer handvoll aufgeweckter, melodiöser Songs, bevor die Stimmung in einem Acid-Gewitter wieder einen oldschool-technoiden Charakter annimmt. 

Wer schon einmal ein Closing Set von ihm gehört hat, weiß, dass Cem so über Stunden hinweg weitermachen könnte. Interessante Selektionen und ein spannungsvolles Mixing – das stellt er auch in seinen monatlich erscheinenden Podcasts auf Rinse FM unter Beweis. Julian Eichelberger

 Luigi Di Venere: Machine Sex S5E1 (Cómeme)

„Machine Sex“ überschreibt der italienische Wahl-Berliner Luigi Di Venere seine Show auf Radio Cómeme. Wer sich mit dieser Ausgabe seiner Mix-Reihe allerdings auf ein schwitzig-testosterongeladenes Proto-House-Set eingestellt hatte, wie man es von einem echten Cocktail-d’Amore-Resident und Panorama-Bar-am-Montagmorgen-Zuschließer klischeemäßig erwarten würde, wird enttäuscht – oder eher: einer wahrhaften Horizonterweiterung unterzogen.

Dass Luigi Di Venere mit den Ursprüngen der „Machine Sex“-Musik bestens vertraut ist, beweist er gleich mit dem ersten Track „Breakdown“ von Patrick Cowley. Der viel zu früh an AIDS verstorbene Hi-NRG- und Disco-Prozent hat im vergangenen Jahr vor allem durch Josh Cheons unermündlichen Digger-Geist und die daraus entstandene, brillante Mechanical Fanatsy Box auf Dark Entries die ihm gebührende posthume Würdigung erfahren. Im Kontext von „Machine Sex“ passt Cowley auch insofern perfekt, als er mit seinen Afternooners auch Soundtracks für Schwulenpornos produzierte.

Luigi Di Veneres Set verbleibt in zurückgelehnter Afternooners-Stimmung und grooved sich von Cowleys verspulter Weird-Disco über das psychedelische „Feels Like Summer“ von Orior im wavingen Chill-Out-Modus ein. Ob südamerikanischer Funk, verhallte kosmische Disco-Tunes oder südkoreanischer New Wave mit Hip-House-Elementen – Luigi Di Venere taucht tief ab in die Grabbelkiste voll obskurer Schätze und schafft damit den perfekten Soundtrack für die Afterhour und alles, was danach kommt. Laura Aha

mdo: MCD.237 (Melbourne Deepcast)

Während die Temperaturen stetig in den Keller gehen und die Tage wieder länger werden, liefert Ryan Loecker alias mdo den dazu passenden Soundtrack. Er ist einer der Köpfe hinter dem in Kansas City ansässigen Label c-, das als verlässliche Drehscheibe für tiefgehende Mixe gilt – denn genau wie in Loeckers jüngstem Beitrag für den Melbourne Deepcast, ist das Gravitationszentrums des amerikanischen Imprints im Ambient angelegt.

Mit seinem Mix driftet mdo nach eigenen Angaben durch eine Reihe von Gemütslagen, die er kürzlich durchlebt hat. Viele der dazu passenden, meist unveröffentlichten Tracks stammen aus seinem näheren Umfeld, aber auch von einigen Internetbekanntschaften, denen der Amerikaner im Rahmen seiner anstehenden Europatour einen Besuch abstatten möchte, wie er im Interview mit Melbourne Deepcast verriet.

Auch wenn die gut 55 Minuten keinem erkennbaren Konzept zu folgen scheinen, greifen die Stücke ganz natürlich ineinander. Dabei werden die Hörer*innen durch das ganze Schwingungsspektrum geschickt; wobei der Mix im letzten Drittel durch zunehmende klang-vibratorische Sub-Sequenzen seinen viszeralen Höhepunkt erreicht, dem sich auch das unbewusste Ohr kaum entziehen kann. Leonard Zipper

Peach : 140120 (NTS)

Einmal im Monat übernimmt Peach alias Serena Passion bei NTS Radio für eine Stunde das Ruder und stellt ihre spannendsten Neuentdeckungen vor. 

In ihrem Januar-Mix ziehen sich atmosphärische Klänge als roter Faden durch das Set. Der Einstieg ist ruhig: flüsternde Stimmen und wabernde Soundscapes erzeugen eine andächtige, fast kirchenähnliche Stimmung. In der nächsten halben Stunde geht es ebenso ruhig weiter, die Track-Auswahl wird dominiert durch fließende Synths, Dub-Elemente und ist weitestgehend unmelodisch. Hier und da tauchen perkussive Trommel-Elemente und Flötentöne auf. Titel wie „Rave The Forest“ von Bufiman, „Tropical Phil“ von October und „Club Aura“ von Significant Other bestätigen das aufkommende Gefühl von einem schamanisch angehauchten Leben im Dschungel.

Ein Trommelsolo leitet zur Mitte des Sets einen Umbruch ein: ein gelooptes Vocal-Sample und Industrial-Sounds übernehmen, ehe die harte Bassline von Beta Libres „False Positives“ eine neue Richtung einschlägt. Nun bestimmen mechanisch klingende Synths und Breakbeats den Klang. Den Abschluss macht Logic1000s „Baddie Part Two“ mit einem Bruch in der Bassline: Der anfangs synkopierte Beat verändert sich plötzlich zu einem 4/4-Takt und beendet damit das Set.

Dieser Mix ist nichts, was man einfach so nebenbei laufen lassen kann – das unmelodische Thema, das sich durch das ganze Set zieht fordert von seinem Publikum ein aktives Hören ein. Denn nur so erkennt man die wahre Genialität hinter den scheinbar unkonformen Tracks. Lisa Kütemeier

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