Foto: Marlon Hoffstadt (Foto: Privat)

Während sich 2019 bereits im Sinkflug befindet, kann der Flugmodus kommenden Samstag, den 14. Dezember, in der Renate gleich eingeschaltet bleiben. Wir haben mit Marlon Hoffstadt über seine Partreihe Savour The Moment gesprochen und nachgefragt, ob sich seine Gäste wirklich an die No-Phone-Policy halten – und wie gut es ihm selbst gelingt, als Veranstalter seine eigene Party zu genießen.

Wie lange gibt es deine Partyreihe „Savour The Moment“ schon und welches musikalische Konzept steckt dahinter?

Wir haben im Februar 2018 in der Renate angefangen und feiern somit bald unseren zweiten Geburtstag. Das Schöne an der Renate ist die vielschichtige Location, die sich über mehrere Floors und Etagen erstreckt. Das erlaubt es mir ein musikalisch sehr diverses Line-up zu buchen. Von Disco bis House, Techno, Electro und Breaks ist grundsätzlich alles dabei. Das kann von Party zu Party also sehr unterschiedlich ausfallen. Ab 2020 wird das Event ein Mal pro Monat stattfinden und ich kann somit ein wenig experimentierfreudiger werden. Im Januar erwartet die Tänzer*innen zum Beispiel ein Funk, Jazz, Disco, Free-Genre-Floor.

Auf dem Logo ist über dem Schriftzug ein durchgestrichenes Handy zu sehen. Warum haben Handys auf dem Dancefloor deiner Meinung nach nichts verloren?

Grundsätzlich muss ich sagen, dass ich – genau wie alle anderen – auch nicht frei von einer wenigstens dezenten Handysucht bin. Zudem werden Probleme wie Datenschutz, Privatsphäre und Sucht immer wieder medial thematisiert und sollten auch im Club-Kontext behandelt werden. Neben all den unbegrenzten Möglichkeiten, die uns Smartphones ermöglichen, haben sie auch ihre Kehrseiten. Und genau hier setze ich mit der Party an. Ich mache jetzt seit circa acht Jahren Musik und lege in Clubs auf. Ich musste schon unzählige Male in leuchtende Kameras blinzeln, winzige Handy-Notizen mit Track-Wünschen entziffern oder auf blau leuchtende Shazam-Bildschirme gucken. Ich stand sogar mal neben einem Mann an der Bar und er hatte wirklich Tinder offen!!! In einem Club? Alles klar?

„Wir sind so sehr mit unserem Handy beschäftigt, dass wir uns nicht mehr auf den Moment einlassen können.“

Marlon Hoffstadt

So toll Funktionen wie Shazam und Tinder auch sein mögen wenn man sich außerhalb eines Clubs bewegt, so sehr brechen diese Apps aber auch mit dem realen menschlichen Kontakt. Wir sind so sehr mit unserem Handy beschäftigt, dass wir uns nicht mehr auf den Moment einlassen können. Denn im Moment stehst du eigentlich gerade in einem Club mit anderen Menschen. Da brauchst du kein Tinder und kein Shazam. Willst du eine Track-ID? Dann komm zu mir und frag mich. Willst du Menschen kennenlernen? Dann guck dich um und geh auf sie zu! Und auch Fotos haben dort nichts verloren. Es gibt einen Grund warum ein Club ein sicherer Ort sein soll.

Halten sich die Gäste auch daran?

Ja und nein. Uns ist es wichtig, die Leute darauf hinzuweisen. Das passiert durch kleine Poster, eine Lichtbox und eben auch viel Mundpropaganda. Ich renne aber auch nicht wie die Smartphone-Polizei durch den Club und rege mich über Gäste auf, die das nicht verstehen. Jeder muss für sich selbst wissen, wie er mit dieser Idee umgeht. Aber Gäste, die sich darauf einlassen, genießen es meistens und ermutigen andere, auch ihr Handy wegzustecken.

Wie schaffst du es als Veranstalter selbst auf deinen Partys den Moment zu genießen?

Sehr schwierig, manchmal sogar gar nicht. Ich bin grundsätzlich immer sehr aufgeregt, bevor ich auflege. Vor eigenen Veranstaltungen multipliziert sich das sogar nochmal. Kommen genug Leute? Gefällt es meinen Gästen? Sind die Vibes gut? Dazu kommt noch, dass ich eine smartphonefreie Umgebung erschaffen will und dann in der Nacht oft selber auf mein Handy gucken muss, da ich für die Künstler*innen auch direkter Kontakt bin, falls sie etwas brauchen. Wir haben zwar auch immer einen Night Manager und Artist Care, aber ich werde auch oft direkt kontaktiert.

Dazu kommt noch, dass ich kürzlich Vater geworden bin und ab spätestens 21 Uhr selbst im Flugmodus unterwegs bin. Sprich, ich bin eigentlich konstant müde. Bei einer Party, die bis morgens geht, bin ich dann schon mal 24 Stunden wach. Was mir sehr hilft, ist einfach einen der ersten Slots zu spielen. Dann muss ich mich nicht stressen in Bezug auf Gästezahlen und den Erfolg der Party und kann mich einfach mal gehen lassen, abschalten und mich drei Stunden in der Musik verlieren. Bis dann sind auch die meisten meiner Freunde auf der Party und ich häng ich mich einfach an die dran. Aber so richtig als Gast genießen geht auf der eigenen Party eigentlich gar nicht.

„Awareness“, also Achtsamkeit, ist ein Wort, das im Zusammenhang mit deiner Party immer wieder auftaucht. Du hast dich im Nachgang zu Aviciis Tod auf Resident Advisor offen zu den psychischen Belastungen geäußert, die das Leben als DJ mit sich bringt. Hast du das Gefühl, dass die Szene diesbezüglich auf einem guten Weg ist?

Gesundheit sollte immer vorrangig sein. Mir selber fällt das oft auch schwer. Letzte Woche zum Beispiel hatte ich mir eine leichte Gehirnerschütterung zugezogen und musste nach langem Hin und Her meinen Gig in Rumänien verschieben. Diese „Maschinerie DJ“ finanziert ja nicht nur mein eigenes Leben, sondern auch das von vielen um mich herum: Booking Agenten, Clubs, Promoter, Managements, Labels und so weiter. Viele Künstler*innen sehen sich in der Verantwortung für all diese Stationen und Menschen, mit denen sie in Kontakt geraten. Zudem haben wenige dieser Kontakte überhaupt Verständnis dafür, dass man mal nicht „funktionieren“ kann. Zum Glück ist das bei mir nicht mehr der Fall. Ich arbeite mit einer tollen Bookerin, nehme nur noch Gigs bei Promoter*innen an, die ungefähr auf dem gleichen Vibe sind wie ich. Und ich habe kaum noch Kontakt zu anderen Labels, sondern mache alles selber.

Dieses Privileg haben aber nicht alle Künstler*innen. Viele kämpfen tagtäglich um ihre Existenz und vor allem auch mit sich selber. Das Ego ist ein großer Faktor. Man will sich ja auch selber gerecht werden. Und ehe man sich versieht ist man in einem Hamsterrad, das sich immer schneller dreht. Angefangen mit unregelmäßigem Drogenkonsum, um sich „ausnahmsweise mal zu pushen“ bis zu den üblichen Drogen zweimal am Wochenende oder unter der Woche. Mal abgesehen vom Alkoholmissbrauch, Schlafmangel und der dauerhaften Rastlosigkeit, die mit dem Reisen einhergeht. Da wundere ich mich nicht über so Vorfälle wie bei Avicii, oder aber auch Jackmaster. Toll ist das auf keinen Fall und ich will auch niemanden verteidigen oder anprangern. Wichtig sollte aber sein, dass wir wieder mehr auf uns selbst und auch aufeinander achten. Denn um eine*n Künstler*in herum gibt es ein großes Team und auch dieses sollte sich gesundheitlich, sozial und emotional umeinander kümmern, Grenzen akzeptieren und nachhaltig miteinander umgehen.

„Mal einen Gig weniger als möglich. Mal ein Glas weniger als möglich. Sich vielleicht für den Freund, statt für den Profi-Mega-Super-Booker zu entscheiden, der sowieso schon 20 andere Super-Star-Burnout-DJs unter Vertrag hat.“

Marlon Hoffstadt

Dieses Wochenende war es eben meine Bookerin, die mich gefragt hat, ob ich überhaupt spielen möchte, weil so eine Gehirnerschütterung nicht zu unterschätzen sei. Ich hatte ein total schlechtes Gewissen, meinen Gig abzusagen, aber für sie war das selbstverständlich.

Um auf deine Frage zurück zu kommen: Ich glaube nicht, dass es große Gesten, Taten oder Projekte für eine Veränderung braucht. Das System an sich ist zu kapitalistisch, als dass man es mit der Brechstange verändern könnte. Vielmehr sind es die eigenen Taten, Einstellungen und Entscheidungen, die es für eine Verbesserung braucht. Sich jedes mal aufs Neue für die Gesundheit zu entscheiden. Mal einen Gig weniger als möglich. Mal ein Glas weniger als möglich. Sich vielleicht für den Freund, statt für den Profi-Mega-Super-Booker zu entscheiden, der sowieso schon 20 andere Super-Star-Burnout-DJs unter Vertrag hat.

Hinsichtlich des Bookings: Auf was dürfen sich die Tanzwilligen im Flugmodus am Samstag einstellen und worauf freust du dich besonders?

Genau, kommen wir mal wieder zum etwas spaßigen Teil zurück! Eins der großen Highlights für mich bei der nächsten Edition sind Brame & Hamo. Die beiden haben seit 18 Monaten nicht mehr in Berlin gespielt und haben gerade eine spitzen EP auf Feel My Bicep veröffentlicht. Auf die anderen Acts freue ich mich natürlich auch sehr: Auf dem Absinth Floor kann man das Jahr entspannt zu einem Ambient-Set von Casuun ausklingen lassen. Da bin ich sehr gespannt wie das ankommt.

Auf dem Schwarzen Floor spielen Korea Town Acid und Salome – was glaube ich ziemlich krass wird. Hard, weird und zwischendurch auch mal eine Runde schneller.
Neben Brame & Hamo wird noch Perdu aus Amsterdam zusammen mit mir auf dem Grünen Floor spielen. Ich habe die Daddy-Zeit von 1 bis 4 Uhr und er dann nach Brame & Hamo von 7 bis um 10 Uhr. Und für alle die von Anfang an dabei waren und unsere Closings schon kennen, wird Philipp Schultheis mal wieder den Laden zu machen. Das kann dann auch gut und gerne mal bis 16 Uhr gehen. Davor spielen dann noch DJ Clea und Cleveland.

Savour The Moment
14. Dezember 2019
Tickets: ab 12 €

Line-Up: Brame & Hamo (Feel My Bicep), Caasun (Savour The Moment, Berlin), Cleveland (Hivern Discs, ESP Institute), DJ Clea (Hot Haus Recs, Velvet Pony), Double A Battery Team (Savour The Moment, Berlin), Korea Town Acid (Cosmic Resonance, CA), Marlon Hoffstadt (Savour The Moment, Berlin), Perdu (Optimo, Let’s Play House), Philipp Schultheis (Savour The Moment, Berlin), Salome (Berlin)

Salon zur Wilden Renate
Alt-Stralau 70
10245 Berlin

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