Wasserwerfer sollen bei der Fusion wohl doch nicht zum Einsatz kommen. Foto: Retinafunk (CC BY-SA 2.0). Montage: Groove.
Die Polizei hat am Dienstag auf den öffentlichen Druck reagiert: Nachdem das Ausmaß ihrer möglichen Pläne bei der Fusion in seiner ganzen Absurdität bekannt geworden war (Wasserwerfer, Bundeswehr, 1000 Polizist*innen), waren die Reaktionen heftig. Zu Recht.
Es stellte sich die Frage nach der Verhältnismäßigkeit und generellen Rechtmäßigkeit eines so massiv angelegten Einsatzes. Erst recht der Einbezug der Bundeswehr erscheint außerhalb jeder Logik. Ein Blick ins Grundgesetz schafft schnell Klarheit: „Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zulässt.“ (Artikel 87a Absatz 2 GG), heißt es da. Als Ausnahmen gelten Katastrophenhilfe (Art 35 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 GG) und Innerer Notstand (Art 87 a IV GG). Dass ein Kulturfestival, sei es noch so groß, keines von beidem ist, sollte außer Frage stehen.
Denn eigentlich ist auch ohne Zuhilfenahme des Grundgesetzes ersichtlich, dass die von der Polizei skizzierten Maßnahmen weder verhältnismäßig noch für irgendjemand nachvollziehbar waren. Selbst ein Bürgermeister der CDU und die FDP stellten sich hinter das Festival. Dass in weniger als 24 Stunden zurückgerudert wurde, ist daher nur richtig. Gleichzeitig hinterlässt diese schnelle Reaktion der Polizei einen merkwürdigen Nachgeschmack: Worum ging es hier eigentlich? Warum das Ganze? Ein Verdacht drängt sich auf: Sollte das nur eine Machtdemonstration sein? Es scheint, als hätte der Polizeipräsident Neubrandenburgs, Nils Hoffmann-Ritterbusch, lediglich ein wenig seine Muskeln als Polizeipräsident spielen lassen wollen – Recht (oder rechts?) und Ordnung gegen eine linksalternative Szene.
Denn die linke Prägung der Fusion darf man in der Debatte nicht vergessen. Dadurch sind die Veranstalter*innen sensibilisiert für Übergriffe des Staates und seiner Organe. Zudem ist es diese Einstellung, die die Fusion zu dem freien und friedlichen Ort macht, als der sie geschätzt wird. Wie ein Mitglied des Kulturkosmos e.V. auf einer Pressekonferenz gesagt hatte: „Eine Fusion mit Polizei ist keine Fusion.“ Allein die Präsenz der Polizei würde die von der freiheitlichen Philosophie des Festivals geprägte Atmosphäre deutlich verändern, negativ. Denn wie Hoffmann-Ritterbusch selbst sagte: „Präsenz hemmt.”
Es gab in den vergangenen Monaten andere Fälle, die man mit der Fusion in eine Reihe stellen kann: Die Zollkontrolle im Mensch Meier etwa (die Macher*innen des Clubs betreiben übrigens auch einen Raum auf der Fusion). Wie sich kürzlich herausstellte, war die Polizei – anders als sie bisher behauptet hatte – in zivil aufgetreten, außerdem soll sie unverhältnismäßig viel Gewalt angewandt haben. Der eigentliche Grund des Einsatzes, gegen Schwarzarbeit vorzugehen, wurde nicht erfüllt – die Begründung ist auch hier fadenscheinig. Oder die aufmerksamkeitsheischende Überlegung von Friedrich Merz, Türsteher*innen durch Polizist*innen zu ersetzen. Das Narrativ ist ein ähnliches wie bei der Fusion: Die Polizei soll präventiv wirksam werden in Räumen, für deren Sicherheit die Veranstalter*innen verantwortlich sind. Eine Polizei, bei der mit Ulf-Theodor Claassen ein verurteilter, ehemaliger Vize-AfD-Kreisvorstand den Nachwuchs ausbildet und der eine Bachelorarbeit über das Sicherheitskonzept des Festivals betreut. Eine Polizei, deren Mitglieder immer wieder rechtsextrem auffallen und in der es generell eine höhere Affinität für rechte Einstellungen gibt, als in anderen Berufen. Es ist ein Kampf der Prinzipien und der politischen Lager.
Hoffmann-Ritterbusch hatte bei alldem wohl nicht mit einer so starken Gegenwehr gerechnet: Allein über 130.000 Menschen sprachen sich mit dem Unterschreiben einer Petition für die Fusion aus, nahezu alle nennenswerten Medien in Deutschland berichteten. Da sich Hoffmann-Ritterbuschs Forderungen lediglich auf abstrakte Bedrohungen und vage Argumente stützen, bleibt ihm nun kaum etwas anderes übrig als einzulenken.
Der Kulturkosmos Müritz e.V. hat also richtig daran getan, sich an die Öffentlichkeit zu wenden, nachdem das Sicherheitskonzept nicht genehmigt worden war. Zum ersten Mal in der 22-jährigen Geschichte der Fusion wurde Pressearbeit betrieben. Doch auch wenn sich der Konflikt letztlich in einem Kompromiss lösen sollte, könnte die Fusion Wunden davontragen. Obwohl das Festival weithin bekannt war, lebte es doch immer von seinem geheimnisvollen Charakter, fernab jeder Öffentlichkeit. Zur Fusion geht nicht jede*r. Die massive Präsenz der vergangenen Tage könnte der Fusion langfristig schaden, genau wie es die Veranstalter*innen immer verhindern wollten.
Ob Hoffmann-Ritterbusch sich lediglich selber profilieren wollte oder tatsächlich die Fusion bekämpfen will, bleibt offen. Letztendlich bleibt jedoch eines wichtig: Wachsam sein – nicht nur bei der Fusion, sondern in der gesamten Club- und Festivallandschaft Deutschlands. Denn zusammen mit dem Fall vom Mensch Meier zeigt das Thema Fusion eine mögliche Tendenz der Polizei, die Freiheit des Nachtlebens zunehmend einzuschränken.