Alle Fotos: Presse (Jayda G)
Kaum jemand machte in den letzten Jahren im House-Bereich so sehr auf sich aufmerksam wie Jayda Guy. Neben ihren organischen, Vancouver-inspirierten Eigenproduktionen, die sie auf Labels wie Freakout Cult und JMG veröffentlichte, und gleichermaßen ausgelassenen wie fesselnden DJ-Sets ohne starre Grenzen ist es nicht zuletzt ihre Mentalität, die sie von der Masse abhebt. Jayda G hat eine ziemlich genaue Vorstellung davon, wo sie mit ihrer Musik und ihrer Karriere hinwill. Diese vertritt sie offensiv und macht dabei keinerlei Kompromisse. Das wurde auch beim Pressetag anlässlich ihres Debütalbums Significant Changes im Berliner Ninja Tune-Office zu jeder Sekunde klar. Streitbar wie entschlossen vertrat sie ihre Standpunkte im Hinblick auf Kommerzialisierung und Underground und erklärte außerdem, wieso sie Djing durch und durch als Job betrachtet.

 

„Du hast das Foto mit dem Seelöwen nicht gesehen? Du interviewst mich und siehst dir mein Instagram nicht an? Scheiße.“ Jayda Guy lacht schallend auf, nachdem sie diesen Satz beendet. Sie spricht gerade über die etwas unbekanntere ihrer zwei großen Passionen: Neben ihrer Karriere als DJ studierte die Kanadierin Umwelttoxikologie. Während sie also ausführt, wie es zu dieser ungewöhnlichen Kombination kam, thematisiert sie ein Foto, auf dem sie einen Seelöwen küsst und das auf ihren Social Media-Kanälen hohe Wellen schlug. Mit dem Gelächter ironisiert sie diese vor Sarkasmus triefende Aussage aber postwendend. Star-Allüren und Arroganz versucht Jayda G sich konsequent zu verwehren.

Über Roadtrips zum House

Dabei gäbe es dafür so langsam durchaus berechtigte Gründe: Anlass für den Pressetag im Ninja Tune-Hauptquartier in Berlin ist Guys Debütalbum Significant Changes, das den vorläufigen Höhepunkt ihres Aufstiegs zur international gefragten DJ und Producerin markiert. Gemeinsam mit ihrem Booker, der während des Gesprächs nicht von ihrer Seite weicht, immer wieder Informationen ergänzt und eigene Gedanken mit einfließen lässt, stellt sie sich bei Schokolade und Nüssen geduldig den Fragen der eintrudelnden Journalist*innen. Dabei geht es aber nicht nur um DJing und Umwelttoxikologie. Jayda G bietet auch darüber hinaus viel Gesprächsstoff, ist ihr Verhältnis zur Musik doch ein sehr spezielles: In ihrer Kindheit unternahmen die Guys ausladende Autofahrten durch die kanadische Provinz, ihr Vater kuratierte leidenschaftlich ein musikalisches Rahmenprogramm: „Er saß daran schon Wochen davor und nahm alle CDs und Platten auf Kassette auf. Auf den Roadtrips hatten wir dann ganze Boxen dabei, die quasi unsere einzige Quelle für Musik waren. Es war für mich sehr wichtig, dadurch mit Musik in Kontakt zu kommen, verschiedene Genres zu hören. Meine Eltern waren sehr musikinteressiert. Mein Vater liebte Blues und R’n’B, meine Mutter vor allem Jazz und Klassik. Das war ein wichtiges Fundament.“

„Irgendwann bin ich dann auf die Partys gegangen, die Mood Hut veranstaltete. Da dachte ich mir dann ‚Oh shit, das ist das Zeug, das ich mag. Endlich, Gott sei Dank!’”

Auf diesen zeitintensiven Trips – pro Tag verbrachte Jayda G zwischen sechs und acht Stunden im Auto – kristallisierte sich ein Musikgeschmack heraus, der ihr viele Jahre später zum Durchbruch verhalf. In ihren Sets mixt sie Funk, Soul und Disco und schlägt damit Brücken in ihre und die Vergangenheit des Genre-Riesen House gleichermaßen. Fundament ist da ohnehin ein gutes Stichwort. Guys Selektionen beinhalten vor allem organische Tracks, oft mit live gespielten Drums, die die Grundlage für die Entstehung von House Music in Amerika bildeten. Jackende Deep House-Grooves oder maschinell-sterile Tracks bleiben außen vor, betagtere Pop-Songs aus ehemaligen Dekaden eignet Jayda G sich hingegen gerne an, sofern sie ins musikalische Gesamtkonzept passen: „Wer würde schon zögern, etwas von Donna Summer zu spielen? Sie ist großartig!“, weicht sie die Grenzen zwischen Underground und Mainstream unter neuerlichem Lachen auf. Vieles von dem, was Guy spielt, habe mit erklärter Underground-Musik ohnehin nichts zu tun. Vielmehr gehe es ihr um vergessene Hits aus früheren Dekaden, an die sich heute niemand mehr erinnert und denen sie neues Leben einhaucht.

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Dabei hatte sie es als House-Enthusiastin an der kanadischen Westküste anfangs schwer. Für ihr Studium zog sie nach Vancouver, wo man zu der Zeit sicherlich vieles fand, aber nur wenige qualitativ hochwertige House-Partys: „Kanada ist insgesamt nicht so interessiert an House. Die Leute hören lieber EDM oder – speziell an der Westküste – Bass Music. Sie lieben das Zeug extrem! Es war das Einzige, das in Clubs lief. Irgendwann bin ich dann auf die Partys gegangen, die Mood Hut veranstaltete. Da dachte ich mir dann ‚Oh shit, das ist das Zeug, das ich mag. Endlich, Gott sei Dank!’“ Den Weg von Bass Music in die Arme der Mood Hut-Crew beschritten in Vancouver neben Jayda G noch weitere namhafte Producer. Als das Gespräch etwa auf Project Pablo kommt, schmunzelt Guy amüsiert: „Das ist so lustig! Project Pablo war der erste Freund, den ich nach dem Umzug in Vancouver hatte! Ich kannte ihn schon, als er noch Bass Music und Dubstep gemacht hat. Ich erinnere mich noch an eine Nacht, als wir vor einem Club standen und rauchten. Wir haben uns dann darüber unterhalten, dass wir beide eigentlich gar nicht auf Bass Music stehen! Wir mochten House viel mehr!“

Aus den gelegentlichen Partys im eher ärmlichen und gerade deswegen attraktiven Eastend in Downtown, die sie später auch selbst mit veranstaltete, entwickelte sich mit zunehmender Intensität eine lebhafte Szene, die sich etwa ab 2012 verselbstständigte und auch außerhalb Nordamerikas von sich reden machte. Spricht Guy von dieser Zeit, wird ihre Begeisterung beinahe greifbar: „Es war großartig. Rückblickend wirkt es so, als hätten die Sterne sehr günstig gestanden. Es war toll, Teil einer Szene zu sein, die geschlossen dasselbe wollte: Musik machen, Musik teilen, Partys schmeißen! Es war einfach eine Gemeinschaft.“ Die hohe Emotionalität ihrer Aussage, die sich obendrein mit Anleihen des Übersinnlichen vermischt, lassen sie im Anschluss beinahe etwas verschämt zu Boden blicken. Dabei spricht hier eine Zeitzeugin, die Teil einer der relevantesten House-Strömungen der letzten Jahre war, über eine zweifelsohne besondere Phase ihres Lebens. Das äußert sich auch in ihrer grenzenlosen Sympathie für die Pender Street Steppers, die die Bass Music-Festung Vancouver vielleicht als erste mit aufreizend melodischen, unaufdringlichen und lebensbejahenden  House-Tunes erschütterten: „Ich sage meinem Booker immer, mich wenn möglich für Shows mit ihnen zu buchen. Das sind meine Jungs!“

„Ich komme mir vor, als wäre ich der einzige Mensch, der nach Berlin gezogen und nicht in dieses Party-Loch gefallen ist und drei Monate lang nur gefeiert hat. Und dann pleite wieder die Heimreise antreten musste.“

Selbst die lebhafteste Szene hat jedoch ihre natürliche Halbwertszeit. Das gilt auch für Vancouver. Nach einer Phase grenzenloser, unschuldiger Euphorie macht sich Übersättigung breit. Zu viele Akteure wollen plötzlich etwas vom Kuchen abhaben. Einzelne beginnen damit, ihr eigenes Süppchen zu kochen. Szene-Politik gewinnt an Einfluss, Beziehungen werden immer wichtiger. Die Sterne stehen zusehends ungünstiger, wenn man so will. Glücklicherweise hat Guys Familie Verwandtschaft in Berlin, die sie relativ häufig besucht. Auf einer dieser Visiten nabelt sie sich kurzerhand ab – „Wir brauchen alle mal Ruhe vor unserer Familie“ – und lernt 2014 über Freundesfreunde den Skandinavier DJ Fett Burger kennen. Zwar produzierte Guy schon vor dieser Zusammenkunft selbst, Fett Burger bringt sie aber den entscheidenden Schritt weiter, beantwortet auch ihre nerdigsten Fragen und vermittelt ihr ein Gefühl von Sicherheit: „Ich habe mich nie so gefühlt, als ob er über mich urteilen würde. Das war das Wichtigste während unserer Zusammenarbeit. Außerdem hat er mir immer Raum gegeben. Denn egal ob Frau oder Mann: Wenn Leute etwas gelehrt bekommen, sind sie oft zu schüchtern, um Fragen zu stellen. Denn du willst natürlich nicht offen zeigen, dass du nichts weißt.“ Obwohl Guy auch nach diesem Satz auflacht und die Ernsthaftigkeit ihrer Aussage zu untergraben versucht, trifft sie damit dennoch den Nagel auf den Kopf. Die Angst, sich zu blamieren oder vermeintlich dumme Fragen zu stellen, kann zu einem veritablen Hemmnis in der künstlerischen Entwicklung geraten.

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Neuorientierung in Berlin

Das Treffen mit DJ Fett Burger gibt Guys Laufbahn einen neuen Drive. Die beiden gründen 2015 das Label Freakout Cult, das seine Anfänge als Partyreihe hat und schließen es nach dem zehnten Release 2018 aus freien Stücken wieder, um es nicht überzustrapazieren. Anschließend ruft Guy JMG ins Leben und betreibt damit fortan ihr eigenes Label. Woher dieses Bedürfnis nach Unabhängigkeit rührt? „Ich hasse es, meine Tracks irgendwelchen Labels zu schicken. Ich weiß doch, ob ich sie mag, dazu brauche ich niemanden nach seiner Meinung zu fragen. Der sagt vielleicht ‘Da müssen noch mehr Claps rein’. Er hat aber überhaupt kein Recht, sich eine Meinung darüber zu bilden, sorry. Entweder du magst es, oder eben nicht. Das war schon immer meine Herangehensweise.“

Auch der Schritt, ihr Debütalbum auf Ninja Tune zu veröffentlichen, war deshalb wohlüberlegt: „Ich wollte erstmal in Ruhe gelassen und nicht mit Nachfragen bombardiert werden. Das haben sie gemacht und mir vertraut und ich habe dann geliefert. Von dem her: alles gut!“ Von einem Freifahrtsschein oder mangelndem Pflichtbewusstsein will sie aber nichts wissen, schließlich setzt sie sich selbst sehr wohl unter Druck: „Wenn du dich selbst nicht zur Verantwortung ziehst, was machst du dann überhaupt?“ Es ist diese Mixtur aus Selbstbestimmtheit und radikalem Pragmatismus, die im Gespräch mit Jayda G immer wieder durchscheint.

Ebenso pragmatisch wie konsequent wirkt Guys Umzug nach Berlin 2016. Immer mehr Shows in Europa erfordern diesen Schritt, um nicht dauernd zwölfstündige Flüge zwischen Vancouver und Europa absolvieren zu müssen. Anfangs fremdelt die Kanadierin aber mit dem technoiden Vibe der Hauptstadt, gibt in einem Interview an, dass die hiesigen Raver einem Rhythmus frönen, dem der Swing entzogen wurde. „Das war natürlich sehr provokant dahingesagt. Aber manchmal habe ich gemerkt, dass die Leute in Berlin nicht wissen, was sie tun sollen, wenn du Disco spielst.“ Gleichzeitig relativiert sie aber: „Das passiert nicht nur hier. Auch in Clubs, in denen die Besucher einfach mehr an House und Techno gewöhnt sind. Wenn also Disco läuft und sich der straighte Rhythmus etwas verändert und eine Art Swing dazukommt, erwarten die Leute das nicht zwingend. Ich will damit aber nicht sagen, dass sie es nicht genießen! Bei Fett Burgers Partys in der Paloma Bar tanzten Leute auf den Tischen und drehten zu Disco durch. Es dauert nur, bis sie sich akklimatisieren.“

„Du bist eine Alkohol-Verkaufsmaschine! Deshalb sind die Leute doch da!“

Insgesamt scheint Guy der ganze Feierzirkus eher kalt zu lassen. Sie sei bislang dreimal im Berghain gewesen, um befreundete DJs zu unterstützen. Sonst geht sie so gut wie nie aus, trifft in ihrer spärlichen Freizeit lieber Freunde, bleibt zu Hause oder geht ins Café. Komfortzone anstatt Exzess, Guy erhebt Disziplin zur obersten Maxime: „Ich komme mir vor, als wäre ich der einzige Mensch, der nach Berlin gezogen und nicht in dieses Party-Loch gefallen ist und drei Monate lang nur gefeiert hat. Und dann pleite wieder die Heimreise antreten musste.“ Dass Guy Partys mit Vorliebe fernbleibt, würde man angesichts ihrer eigenen DJ-Sets nicht vermuten. Hinter den Decks versprüht sie nicht selten die pure Lebensfreude, tanzt und singt ausgelassen, als wäre sie ein Teil des Publikums. Egal wie zügellos sie sich aber präsentiert, Guy diszipliniert sich fortwährend und pflegt einen kompromisslosen Arbeitsethos, optimiert sich laufend selbst: „Ich habe einen starken Antrieb, arbeite sehr hart und nehme die Sache sehr ernst. Es ist mein Job. DJing ist ein Job! Ich trinke dabei nicht und nehme nichts. Ich bin völlig nüchtern. Man trinkt nicht bei der Arbeit. So sehe ich das. Diese Ansicht teilen aber natürlich nicht alle.“ Diese Mentalität impften ihr ihre Eltern von Kindesbeinen an ein. Der unbändige Ehrgeiz läge ihr mit einer jüdischen Mutter und einem afroamerikanischen Vater ohnehin in den Genen.

Selbst grundlegend hedonistische Aktivitäten wie das Ausgehen betrachtet Guy durch und durch rational, fast schon zweckmäßig, was sie nicht zuletzt mit ihrer Herkunft begründet: „Ich tanze, singe und habe einfach eine gute Zeit. In Vancouver oder in den Staaten gehen die Leute einfach ab. Du gehst entweder weg, um zu tanzen oder jemand abzuschleppen, weißt du? Ich liebe es einfach, zu tanzen.“ Die immersive Show beim Auflegen mache sie allerdings nur, wenn sie sich auch danach fühle. Das ließ sie auch eine Besucherin bei einem ihrer Sets spüren, die Guy ermunterte, sich hinter den Decks aktiver zu zeigen. „Ich habe sie dann nur angeschaut und gesagt: ‚Ich mache das, wenn ich Lust dazu habe.‘ Sie kam dann aber zurück und hat sich entschuldigt, das muss ich ihr lassen.“

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Überhaupt schreckt Jayda G vor keiner Konfrontation zurück. „Ich liebe es, Heads anzupissen“, wirft sie wie aus der Pistole geschossen ein, als sich das Gespräch um ihr Interview in der Vogue dreht. Guy sprach 2017 mit der Modezeitschrift über Haarpflegeprodukte und erntete dafür einen Sturm aus Unverständnis, Wut und Häme aus der Szene. „Es ist so langweilig, sich an diese ganzen Regeln zu halten. Sorry, es ist einfach nicht so tiefsinnig. Es geht darum, sich freizumachen, das Leben zu genießen.“ Was zunächst stark nach Musiker-Allgemeinplatz klingt, vertritt Guy tatsächlich glaubwürdig. Sie entledigt sich konsequent vermeintlichen Konventionen und versteht sich selbst keineswegs als strikte Repräsentantin des Undergrounds. „Soll ich mit der Vogue über 45er reden? Für schwarze Frauen sind diese Produkte ein Riesending! Darüber weiß aber natürlich die Underground-Szene nichts, weil es eben nicht viele junge, schwarze Frauen darin gibt. Ich habe früher in den Medien kaum schwarze Frauen mit natürlichen Haaren gesehen. Sich mit seiner Frisur wohl zu fühlen, hat für uns viel mit Selbstwertgefühl zu tun. Das ist kein Bullshit, sondern eine tiefgründige Angelegenheit“, verteidigt sie sich gegen jedwede Kritik. Diese Affäre sei für sie auch der Anlass gewesen, beim Boiler Room auf dem Dekmantel – einem ihrer wenigen Sets übrigens, das sie aufgrund von Lampenfieber minutiös vorbereitete, so eine Plattform müsse schließlich genutzt werden – mit offenen Haaren zu spielen.

Keine Zeit für schlechte Vibes

Ob es angesichts des Interviews in der Vogue denn eine kommerzielle Grenze gibt, die eine ernstzunehmende DJ nicht überschreiten sollte? „Wenn es sowas jemals gab, dann haben sie sämtliche DJs übertreten.“ In diesem Punkt demonstrieren Guy und ihr Booker einmal mehr Geschlossenheit und bestätigen sich gegenseitig: „Du bist eine Alkohol-Verkaufsmaschine! Deshalb sind die Leute doch da!“, äußert Guy. Ihr Booker pflichtet postwendend bei: „Du bist als DJ Teil der Alkohol- und Drogenindustrie“, während seine Klientin im gleichen Atemzug noch einen Schritt weitergeht: „Du hast zwar nicht unbedingt die Wahl, aber definitiv ja! Ich fand es schon immer extrem lustig, wenn Leute gesagt haben ‘Ich spiele auf diesem Red Bull- oder Smirnoff-gesponserten Event nicht.’ Das Ding ist doch: Immer wenn du auflegst, wird da eine Bar sein. Der halbe Grund, wieso du gebucht wirst, ist doch, dass Leute kommen und Alkohol kaufen werden. Und den Club am Laufen halten. Das ist das ganze Ding. Darüber sollten alle DJs mal nachdenken, wenn sie über alles gleich verärgert sind. Dann sollten sie vielleicht nicht auflegen.“

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Ähnlich kurzen Prozess macht Jayda G mit Kritikern und Trollen, die ihr auf den Sozialen Medien oder YouTube begegnen. Das offenbart sich, als wir über die Kommentare unter ihren Boiler Rooms sprechen, die schlechtes Mixing bemängeln. „Ich würde gerne mal sehen, wie diese Leute Disco-Platten mit verschiedenen Rhythmen, Geschwindigkeiten und Live-Drumming mixen. Das sollte denen ja leichtfallen. Ich schenke dem einfach keine Aufmerksamkeit. Wenn ich das tun würde, würde mich das wohl sehr traurig machen, mich hemmen. Warum sollte ich mich dem aussetzen?“ Guy nimmt aus Selbstschutz eine stoische Abwehrhaltung ein, löscht negative Kommentare auf Instagram, ohne mit der Wimper zu zucken: „Wenn du hier bist, um Scheiße zu reden, kannst du gleich wieder gehen!“

Neben den Nerven fehlt Jayda G auch schlicht die Zeit, um sich mit negativen Kommentaren aufzuhalten. Parallel zu ihrer DJ-Karriere schrieb sie jahrelang an ihrer Masterarbeit in Umwelttoxikologie, die sie vor Kurzem fertig stellte: „Ich würde diese Kombination niemandem empfehlen. Das war das Schwerste, was ich jemals gemacht habe.“ Neben der Musik nimmt die Natur nach wie vor den größten Raum in ihrem Leben ein. Die Kindheit in einem 4000-Seelen-Dorf prägte sie entscheidend: „Ich habe viel im Wald gespielt, Löcher gegraben, nach Tieren gesucht.“ Das intensivierte sich während ihres Studiums nochmals: „Auch wenn ich jetzt DJ bin, habe ich lange Perioden in einem Zelt im Wald gelebt und in der Zeit kaum mit Menschen gesprochen. Ohne Wasser und Elektrizität, mit Insektenbissen.“ Beinahe ungläubig lacht sie nach diesem Satz auf, ihre Passion blieb aber durchweg bestehen. Obwohl sie sich letztendlich gegen eine akademische Karriere entschied, versucht Guy mit den JMG Talks, einer Serie von Gesprächen mit Naturwissenschaftler*innen verschiedenster Provenienz in London, die sie selbst moderiert, ein Bewusstsein für natürliche Prozesse und Zusammenhänge sowie für den Klimaschutz zu schaffen.

Die Liebe zur Flora und Fauna schlägt sich logischerweise auch in ihrer Musik nieder. Auf Significant Changes finden sich Tracks wie „Orca’s Reprise“, das Samples von Killerwalen enthält, für „Missy Knows What’s Up“ nutzte Guy eine Radioshow, die sich mit gefährdeten Arten und der Rolle der Regierung in dieser Angelegenheit beschäftigt. Fraglich bleibt dabei natürlich, wie sich bedingungslose Naturliebe und ein hektisches Leben als DJ miteinander vereinbaren lassen. Das viele Vinyl, vor allem aber die zahllosen Flüge sorgen für einen monströsen ökologischen Fußabdruck. „Ach, echt? Fliegen ist schlecht für die Umwelt?“, holt Guy zu einem letzten sarkastischen Schlag aus, ehe sie abschließend doch Seriosität walten lässt. „Ich werde mich nicht um den Fakt herumwinden, dass man als DJ einen großen Einfluss auf die Umwelt hat, weil man die ganze Zeit reist. Du fliegst dauernd, darum kommst du nicht rum. Das ist mein Lifestyle. Ich will nicht so tun, als wollte ich die Welt retten. Was ich aber versuche, ist, Leute zu informieren. Das ist meine Art, etwas zurückzugeben.“

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