Foto: Tom Tubiana

Als Teenager spielte sie ohne großes technisches Know-How an Synthesizern rum, mit 19 fing sie an zu produzieren und 2017 spielte sie zum vierten Mal ihr Live-Set – im Boiler Room: Die Französin Tryphème ist durch und durch Produzentin. Nur konsequent, dass sie ihre Nebenjobs an den Nagel gehängt hat und sich nun voll und ganz auf ihre Musik konzentriert. Aus Liebe zu den Synthies. 

Tiphaine Belin liebt Synthesizer. Das ist es, worauf sich ihre Musik unter dem Künstlernamen Tryphème herunterbrechen lässt. Angenehm poppige Synthie-Melodien sind der rote Faden, der sich durch die zwei Alben der Französin zieht. Sie sind auch der ideale Träger für das, was sie vermitteln möchte: Emotionen. Traurigkeit, Freude, Nachdenklichkeit, Liebe – all das findet darin Ausdruck, unterstützt von sorgfältig konstruierten IDM-Landschaften.


DJ-/Produzent*innen-Name:
Tryphème
Wohnort:
Montreuil bei Paris
Seit wann am Produzieren:
Seit dem Alter von 19 Jahren.
Dein erster richtiger Gig:
„Während der Fete de la musique, das Booking kam ziemlich kurzfristig rein und nichts war fertig, ich hatte zehn Tage, um das Live-Set vorzubereiten! Aber ich dachte mir, ich wäre enttäuscht, wenn ich diese Chance nicht ergreife. Alle meinten danach, es wäre super cool gewesen, aber für mich war es eine schreckliche Erfahrung. Ich hatte nichts unter Kontrolle, meine Stimme war schlecht und ich hatte total Angst.”
Was auf deinem Rider nicht fehlen darf:
Eine Flasche Bio-Rotwein.
Dieser Track inspiriert mich zur Zeit:
„Amo Bishop Roden” von Boards Of Canada.
Das würde ich machen, wenn ich kein*e Musiker*in wäre:
„Ich wäre eine Nonne. Ich hatte eine sehr schlimme Phase, in der ich mich selber und die Musikindustrie in Frage gestellt habe. Und da dachte ich mir, ich hör’ mit der Musik auf und werde eine Nonne.“


Tryphèmes Liebe zur elektronischen Musik begann früh. Wie bei so vielen jungen Künstler*innen der jetzigen Generation spielte das Internet eine entscheidende Rolle. Ihr großer Bruder nutzte Limewire, damit holte er nahezu das gesamte musikalische Repertoire der Neuzeit in das 600-Seelen-Dorf im Süden Frankreichs, in dem Belin aufwuchs. So entdeckte sie Aphex Twin und Boards of Canada, was zu ihrer Faszination für Synthesizer führte. In ihren späten Teenagerjahren besaß sie bereits mehrere kleine Synthies, die sie billig in Second-Hand-Läden erstanden hatte. „Ich spielte damit immer rum, aber ich wusste nicht, wie man etwas aufnimmt“, erzählt Belin, während sie in ihrer WG in einem Pariser Vorort vor der Skype-Kamera sitzt. Das Intuitive und Spielerische lässt sich jedoch immer noch aus ihrer Musik heraushören.

Stream: Tryphème – Away From Prying Eyes

Da scheint die innere Gefühlswelt als Inspirationsquelle nur folgerichtig: „Wenn du kreativ bist, sind deine Emotionen immer in Bewegung“, sagt Belin, „Ich habe Phasen, in denen ich jeden Tag Musik mache. Und manchmal kann ich einen Monat lang keine Musik machen oder hören. Es sind wie große Wellen an Emotionen.“ Sie versuche, beides zu akzeptieren. Vielleicht ist es das, was ihren Tracks eine fragile Ambivalenz verleiht. Die Phasen sprudelnder Kreativität erklären zudem Tryphèmes Output, der angesichts ihrer 25 Jahre doch erstaunt: Im Frühjahr 2017 veröffentlichte sie ihr Debütalbum Online Dating auf dem UK-Label CPU. Es war zugleich ihr erstes Release überhaupt. Nun, zwei Jahre später, legt sie den Longplayer Thanks God For Air Emotions auf dem französischen Internet-Label (das inzwischen auch Kassetten macht) Da! Heard It nach. Die Leichtfüßigkeit hat im Vergleich zum ersten Album ein wenig gelitten. Das hängt unter anderem mit der Inspirationsquelle von (Pop-)Musik schlechthin zusammen: Heartbreak.

Am Start: Tryphème. Foto: Monxy.
Tryphème bei ihrem Live-Set. Foto: Monxy.

Es ist zudem der Grund, aus dem sie im letzten Jahr nach Paris zog. Vorher hatte Belin fünf Jahre lang in Lyon gelebt. Dort kam die Verbindung mit dem Internetradio LYL zustande, wo Tryphème eine monatliche Sendung, „Dame de Coeur“, hat. „Damals bin ich viel ausgegangen, ich führte ein sehr faules Leben und arbeitete nicht hart“, erzählt sie über ihre Zeit in Lyon. Sie hielt sich mit Nebenjobs über Wasser, wie das eben viele junge Produzent*innen und DJs tun, „Aber ich habe schnell verstanden, dass, wenn ich mein Leben mit der Musik bestreiten will, ich hart und viel arbeiten muss.“ Jetzt widmet sie sich nur noch der Musik, steht morgens früh auf, um vorher Laufen zu gehen und geht kaum aus. Lachend zeigt Belin die Personen, die den Hauptteil ihres sozialen Lebens ausmachen: Ihr Mitbewohner, der Belin hilft, wenn ihr beim Interview die Worte auf Englisch fehlen; im hinteren Teil des Zimmers Marine, die auch als OKO DJ bekannt ist und einmal die Woche zum Produzieren und Brunchen vorbeikommt. Dazwischen schleicht Belins hellbräunliche Katze umher.

Stream: Tryphème – Out Of Time

Ihren aktuellen Zustand der weitestgehenden Isolation mit Fokus auf die Arbeit bezeichnet Belin als „rebellische Phase“. Was ein Widerspruch zu sein scheint, hilft ihr, sich auf sich selbst zurückzubesinnen. Aktuell steht ihr Live-Set im Mittelpunkt der Arbeit. Sie vergleicht es mit einem Rubik’s Cube: Ständig in Veränderung und nie fertig. Zudem hat sich Belin kürzlich daran gemacht, mehr performative Elemente zu integrieren, wie besondere Kleidung oder Kontaktlinsen, die das Auge zu einem schwarzen, lichtlosen Fleck werden lassen. „Es ist einfacher, eine Geschichte zu erzählen, wenn ich eine Figur verkörpere“, erklärt sie. Der Grund für Tryphèmes rebellische Phase ist in der Erzählung dieser Figur ein zentrales Thema: „Wenn du ein*e Musiker*in bist, sehen dich die Leute manchmal nur wie ein Objekt. Ich hatte einige schlechte Erfahrungen mit einigen Leuten, die mich wie ein Objekt behandelt haben – und jetzt rebelliere ich.“

Das Album Thanks God For Air Emotions von Tryphème ist bei Da! Heard It erschienen.

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