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Zeitgeschichten: Chicago 1995

Dance Mania, Cajual, Relief und Curtis Jones

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„Nein, bitte keine Fotos in dieser Aufmachung!“ Er komme sich ja so geradezu nackt vor. Curtis Jones aka Cajmere sitzt hinter dem Schreibtisch des Cajual-Plattenlagers und sieht in Jeans und Relief-T-Shirt ganz normal aus. Man kann ihm nicht ansehen, dass er sich am Abend in Green Velvet, jenen wohltätigen DJ-Superhelden, verwandeln wird, der nachts mit seinem Superauto durch die Straßen Chicagos fährt, um plötzlich auf Partys aufzutauchen und diese mit Hilfe des magischen Inhalts seines grünen Superkoffers auf ganz neue Energieniveaus zu pumpen. Die anderen aus dem Cajual-Büro würden immer nur in die großen Clubs gehen wollen, aber er lege heute auf so einer Teenager-Party auf, wo kein Alkohol verkauft werden dürfe, und überhaupt seien ihm die Underground-Partys viel lieber als die immer kommerzieller werdende Clubszene. So redet der Mann, dem man gerne nachsagt, er hätte in Chicago die House-Music-Szene wiederbelebt. „Ich hatte Erfolg, weil ich mich überhaupt nicht im Musikgeschäft auskannte. Ich ging nur auf Partys und tanzte. Ich war ein bisschen naiv. Aber so hatte ich auch nichts, was mich in irgendeine Richtung zwang. Viele dachten, ich sei total verrückt, als ich meine ersten Stücke machte. Aber mir gefielen sie sehr.“


Stream: Cajmere – Percolator

Cajmere war damals noch auf dem College und besuchte in den Ferien immer seinen Freund Hula in dessen Studio. Dort begann er Musik zu machen, ohne jemals Musikunterricht gehabt zu haben oder vorher DJ gewesen zu sein. „Als ich zu Beginn der Neunziger anfing zu produzieren, gab es nicht viel, was ich richtig gut fand. Weißt du, da gibt es Tracks, die einem gefallen, aber einige geben dir dieses Gefühl … Und das versuche ich mit meinen Tracks hinzukriegen. Die sollen dir dieses wirklich gute Gefühl geben, dieses High.“ 1989 entschied sich Cajmere gegen einen bürgerlichen Beruf und kaufte sich ein Mini-Keyboard. Er veröffentlichte seine ersten Tracks auf dem Label Clubhouse und landete mit „Coffee Pot (It’s Time For The Percolator)“ seinen ersten Clubhit. Als es dann 1992 Dajae mit dem von ihm produzierten und mitgeschriebenen „Brighter Days“ in die Charts schaffte, war genügend Geld da, um sich mit Cajual selbständig zu machen. Im folgenden Jahr wurde für das, was sich bis dahin auf den Cajual-Platten auf der mit „South Side“ beschrifteten Seite befand, ein eigenes Label, Relief Records, gegründet. „Mit Relief wollte ich auf eine tracky Weise experimentell sein. Die meisten Leute, die auf Relief veröffentlichen, kommen von der South Side, aber das ist mir eigentlich nicht so wichtig. Es ist egal, woher jemand kommt. Ich bin viel dort gewesen und kam da das erste Mal so richtig mit House Music in Berührung.“

Zuletzt ist noch Circuit Records entstanden, wo eher radiotaugliches Material veröffentlicht werden soll. Neben seinen eigenen drei Labels hat Cajual auch Chez Damiers und Ron Trents ausgezeichnete Labels Prescription und Balance im Vertrieb, und bald wird noch Clubhouse dazukommen. Man ist expandiert. Cajual ist so mittlerweile in der Lage, die Musik einer Vielzahl von neuen Produzenten aus sämtlichen Bereichen der Chicago-Houseszene zu veröffentlichen, die in den 80ern mit dem Warehouse, der Music Box und den Radio-Mix-Shows der Hot Mix 5 auf WBMX aufgewachsen sind.

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