Foto: Mr. G (Facebook), Joe Claussell (Press; Carlos Bell Photography)
Zuerst erschienen in Groove 156 (September/Oktober 2015).
Als ich angefangen habe, Platten zu sammeln, ging es mir in Bezug auf richtige Tanzmusik vor allem um Soulful-House, also Frankie Feliciano, Kerri Chandler, Mood II Swing oder eben Joe Claussell. Das war der Sound, den ich liebte, auch wenn ich natürlich ebenso in anderen Genres gewildert habe und Jazz, Funk, oder HipHop-Alben mit nach Hause trug. Nachdem ich Ende der Neunziger mit The Advent [Technoprojekt mit Cisco Ferreira; Anm. d. Red.] abgeschlossen hatte, wollte ich zurück zu diesen Wurzeln, zurück zu diesem dirty New-York-Sound, und eine Platte produzieren, die ich mit nach New York nehmen konnte, um sie an die dortigen Plattenläden zu verteilen.
Um 2000 herum war ich für ein Wochenende dort und landete schließlich bei Body & Soul. Das Publikum war wild durchgemischt und glich einer Freakshow. Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen, um Joe die Platte zu geben, doch François K schien mein Gesicht zu kennen, schnappte sich die Scheibe und verschwand wieder in der DJ-Booth. Später setzten François, Joe und Danny Krivit zu einem ihren Extended-Breakdowns an und nahmen den Bass für vielleicht 20 Minuten komplett raus. Kein Bass, nur Höhen, und dann mit wildem Tam-Tam den Bass zurück und auf einmal war das meine Platte die da lief. Ich war komplett überwältigt.
Joe war dabei immer der Spirituellste, arbeitete viel mit Vocals und hatte so einen drivigen Sound der hängen bleibt. Auf dem Glastonbury dieses Jahr [2015] spielte er den Slot vor mir und haute mich mit “Bad Luck” von Harold Melvin im John Morales Extended Mix aus den Socken. Um mich herum sah ich Leute innehalten, und dann war da dieses Mädchen, das vorbeilief und eigentlich keine Anstalten machte, tanzen zu wollen, doch plötzlich packte sie die Musik. Sie stellte ihre Sachen ab und flippte total aus, und ein paar Leute kamen dazu und taten es ihr nach.
Das war wirklich besonders für mich, denn meine Freundin hatte damals bei Body & Soul zu Harold Kelvins “The Love I Lost” einen ähnlich spirituellen Moment. Das in gewisser Weise noch einmal erleben zu dürfen, hat mir viel bedeutet. Viele DJs schalten heutzutage nur noch auf Autopilot und feuern ihre Hits ab. Es gibt ganz wenige, die wirklich etwas Persönliches schaffen und in solch einem Moment, mit so einer Nummer, aus dem Nichts Leute wahrhaftig berühren können.