Seit Jahren gibt es einen Rechtsstreit zwischen Kraftwerk und Moses Pelham. Es geht um die Verwendung ohne Erlaubnis eines zwei Sekunden langen Samples des Kraftwerk-Stückes „Metall auf Metall“. Mittlerweile liegt das Verfahren beim Europäischen Gerichtshof. Was ist deine Meinung zu dem Fall?
Ich hab den Beat, um den es da geht, ja selbst gespielt, dennoch betrifft mich dieser Rechtsstreit nicht, denn es gibt kein Copyright auf einen Beat. Letztendlich geht es um ein Stück Tonband, das mir nicht gehört. Grundsätzlich denke ich: Man sollte nicht einfach etwas von einem anderen Stück Musik samplen. Für mich ist das so wie beim Film: Da darf man auch nicht ungefragt eine Sequenz eines anderen Films verwenden und sei sie auch noch so kurz. Ich denke, Moses Pelham hätte Metallgeräsche samplen und den Rhythmus einfach selbst einspielen sollen.
Oder er hätte fragen können …
… ja, aber ich habe Zweifel, dass Kraftwerk die Nutzung und den Image-Transfer erlaubt hätte.
Folgt man deiner Argumentation, dürfte es sehr viel großartige Musik nicht geben.
Ja, das ist richtig. Sampling kann einfallslos oder kreativ sein. Es kommt darauf an. Aber wenn es in einem solchen Fall mal einen Konflikt gibt, könnte man ihn natürlich auch auf andere Weise lösen. Denn auch Kraftwerk hat sich bei der Gestaltung gelegentlich von der Arbeit anderer Künstler „inspirieren“ lassen. Mir kommt die
Argumentation wie eine höchst seltsame Bigotterie vor.
Die Sampling-Datenbank „Whosampled“ listet alleine 138 Songs auf, die deinen Beat von „Numbers“ gesamplet haben. Neben Afrika Bambaataas „Planet Rock“ unter anderem auch Stücke von DJ Shadow, Underground Resistance, Aphex Twin oder Technotronic. Kannst du dich noch an den Moment der Aufnahme erinnern?
Wir trafen uns an einem Nachmittag im Jahr 1978 im Café Bagel auf der Ratinger Straße. Nach dem üblichen Kaffee und ein paar flotten Sprüchen fuhren wir gut gelaunt ins Kling-Klang-Studio. Ralf ging gleich an seinen Polymoog, ich ans Schlagzeug und spielte den Beat direkt los. Florian machte geistesgegenwärtig die Tonaufnahme. Es ist so: Seit ewigen Zeiten hatte ich eine 7-Inch-Single meiner Schwester von Cliff Richards and The Shadows aus dem Jahr 1962 im Ohr: „Do You Wanna Dance“. Was mich schon als Teenager fasziniert hatte, war das viertaktige Schlagzeugintro von Brian Bennett. In meinem Kopf blieb aber nicht die akustische Fotografie dieser Takte, sondern die Anmutung, die Stimmung, die es in mir auslöste. Auf diese Weise entstand in meinem Unterbewusstsein keine Kopie, sondern ein neues Pattern. Mir scheint, durch das Sampling gerieten diese Prozesse der Transformation oft in Vergessenheit. Damals nannte ich dieses Pattern, auf das Ralf sein e-Moll-Motiv von Computerwelt spielte, „Dom“. Später wurde es als der „Numbers“-Beat bekannt.
Auf Beats gibt es, wie du gerade gesagt hast, kein Copyright, aber auf Melodien. Du hast eine der bekanntesten Kraftwerk-Melodien geschrieben, für den Song „Computerliebe“, die später u. a. auch für den Coldplay-Hit „Talk“ verwendet wurde.
Als die Anfrage von Coldplay kam, hab ich einen 60 Seiten langen Vertrag bekommen. Und wenn Ralf und Florian sie abgelehnt hätten, wäre es auch nicht zu dem Song gekommen. Die beiden lehnen ja sehr viel ab. Das ist eigentlich absurd, aber aus meiner Sicht wurde durch den Hit von Coldplay diese kleine Melodie von „Computerliebe“ schließlich zum erfolgreichsten Musikstück, das Kraftwerk je gemacht haben.
Wann hast du zuletzt mit Ralf Hütter gesprochen?
Eigentlich gar nicht mehr seit meinem Ausstieg 1990. Ralf Hütter ist nicht sonderlich kommunikativ. In all den Jahren habe ich ihn nur einmal bei einer Gerichtsverhandlung gesehen. Ich hab über viele Jahre versucht, Kontakt herzustellen, weil ich immer die Hoffnung gehegt habe, dass, wer Stücke wie „Die Roboter“, „Das Model“ oder „Computerliebe“ zusammen komponieren kann, auch noch weitere Musikstücke zusammen erfinden könnte. Aber damit hatte ich leider keinen Erfolg.