Alle Fotos: George Nebieridze (Call Super)
Nur wenige DJs können sich selbst als vielseitig bezeichnen, ohne dabei allzu dick aufzutragen. Joseph Richmond-Seaton ist zweifellos einer von ihnen. Als Call Super hat sich der in Berlin ansässige Brite eine eigene Nische geschaffen, die das Prädikat mehr als verdient hat. Als Produzent navigiert Seaton ähnlich unbekümmert durch die Randbereiche der elektronischen Tanzmusik. Nach einer gemeinsamen EP Beatrice Dillon kehrt Seaton nun mit seiner zweiten LP auf Houndstooth zurück, Arpo. Wir haben mit Call Super über Malerei, B2B-Sets, die Crowds auf Ibiza und natürlich seine Musik gesprochen.
Drei Jahre nach Suzi Ecto veröffentlichst du nun Arpo, ebenfalls auf Houndstooth. Kannst du uns mehr über diese beiden Projekte erzählen?
Es liegt eine ganze Menge Zeit zwischen diesen beiden Alben. Ich habe mich verändert und bin mittlerweile ganz woanders. Beim ersten Album durchlief ich eine sehr schmerzhafte Phase meines Lebens. Ein enger Freund starb während der Aufnahmen und das Album entstand an verschiedenen Orten – ich habe damit in New York begonnen, als es heiß war, und es in Berlin zu Ende gebracht. Es war kalt, und eine ziemlich traurige Zeit. Bei diesem Album war ich hingegen wesentlich stabiler. Ich denke auch, dass ich nun wusste, was es mit sich bringt, ein Album zu machen und eine Vision dafür zu haben, die dieses Mal ausdefinierter ist. Das gab mir mehr Freiheit. Das sind die zwei Hauptunterschiede.
Hattest du für Arpo ein Konzept im Hinterkopf?
So arbeite ich eigentlich nicht. Meine Arbeit entwickelt ein Eigenleben. Ich mag es, wenn die Dinge aus dem Innern kommen und eher intuitiv ablaufen. Worüber ich nachdenke, hat meistens nichts mit der eigentlichen Arbeit an sich zu tun. Auf dem Album selbst wollte ich auf unterschiedliche Art mit verschiedenen Formaten arbeiten. So wie du zum Beispiel eine Platte hörst: Es gibt fünf Tracks auf der A-Seite, dann drehst du um und es fängt wieder von vorne hat. Du hast schon eine Menge Stimmungen durchlaufen, jede Stimmung die ich auf dieser Platte einfangen wollte. Das ist ziemlich intensiv. Aber dann auf B-, C- und D-Seite öffnet sich alles und wird zu einem offenen Raum, in dem du dich verlieren kannst. Ein bisschen mehr wie auf der ersten Platte. Auf Kassette ist das dann nochmal anders aufgeteilt. Abhängig vom Format ist der Eindruck ein ganz anderer.
Call Super – I Look Like I Look In A Tinfoil Mirror
In einem früheren Feature hast du über die positiven Nebenwirkungen des Feierns, elektronischer Musik und Drogen auf die persönliche Entwicklung gesprochen. Viele der Tracktitel spielen subtil auf Drogen an, wie etwa “Fluenka Mitsu”, das sich auf die Mitsubishi-Pillen bezieht, die in deinen frühen Rave-Tagen populär waren. Wie haben deine eigenen Rave-Erfahrungen deine Musik beeinflusst?
Meine Erfahrungen sind ziemlich positiv. Aber das ist eine schwierige Frage, weil ich mit dem Musikmachen angefangen habe, als ich noch sehr, sehr jung war. Und ich habe dabei nie wirklich darüber nachgedacht. Ich brauche es einfach als Ventil. Es ist eine Form von Selbstausdruck, der mir erlaubt, ich selbst zu sein und mich selbst zu verstehen. Ich schätze mal, dass das Ausgehen und die Communities, in denen du dich dabei wiederfindest und mit denen du eine Verbindung aufbaust, eine Erweiterung von genau dem sind. Das ist es doch, warum wir feiern gehen, denke ich. Weil wir versuchen, etwas über uns selbst herauszufinden. Ich bin sehr glücklich darüber, dass die beiden Dinge so eng miteinander verknüpft sind.
Du kommst aus einer Künstler- und Musikerfamilie. Wie hat sich dein Hintergrund auf deinen künstlerischen Ansatz als Musiker und bildender Künstler ausgewirkt?
Ich bin in einem Haus aufgewachsen, wo mir jederzeit der Raum zugestanden wurde und in dem ich ermutigt wurde, mich kreativ auszutoben. Mir wurden ständig Papier und Stifte in die Hand gedrückt. Während meiner Kindheit hatten wir die meiste Zeit über keinen Fernseher, weshalb ich mir mit Zeichnen die Zeit vertrieben habe – stundenlang. Das Studio meines Vaters befand sich im Erdgeschoss und ich hing die meiste Zeit im Hintergrund rum. Manchmal habe ich ihn damit vielleicht abgelenkt. Natürlich ist das nicht normal. Aber das war meine Lebensrealität, ich habe den ganzen Tag über gemalt. Für ein Jahr habe ich sogar eine Kunsthochschule besucht und sie verlassen, weil ich den Freiraum, der mir dort geboten wurde, schon in meinem Privatleben vorfand.
Du hast einmal erwähnt, dass du die Musik aus pragmatischen Gründen der Malerei vorgezogen hast – weil es dich nicht so viel Zeit kostete. Wie hättest du dich entschieden, wenn die nötige Zeit dafür gehabt hättest?
Das habe ich jetzt. Ich habe immer schon gemalt und mache das auch weiterhin. Für dieses Album habe ich 300 Zeichnungen angefertigt, die als 7″-Sleeves verwendet werden, weil ich meine künstlerische und musikalische Arbeit verbinden wollte. Manchmal will ich mich nicht in Musik ausdrücken, manchmal nicht auf visueller Ebene. Ich springe zwischen beidem hin und her. Ich sehe da keine wirkliche Grenze. Genauso, wie ich in der Musik nicht zwischen Genres unterscheide. Es gibt Musik, die mich inspiriert und Kunst, die dasselbe tut. In meinem Kopf herrscht ein wahnsinniges Chaos und ich hüpfe von einem zum anderen.