Foto: Lou Benesch (Superpitcher)

Angeblich wuchs Aksel Schaufler in einem Haushalt auf, aus dem alle Popkultur verbannt war. Ob das stimmt, ist eins, was allerdings nicht von der Hand zu weisen ist: Als Superpitcher hat der Produzent und DJ seit Mitte der neunziger Jahre alles in sich aufgesogen, was nur irgendwie den Puls der Zeit diktierte. Hip Hop, Dub, Reggae kamen zuerst, dann aber ein Umzug nach Köln und die Aufnahme in den Umkreis um Kompakt. Das wiederum ist 20 Jahre her. Nun meldete Schaufler mit einem Album auf dem von ihm mitbegründeten Label Hippie Dance zurück, das sich über zwölf Maxis erstreckt, welche im Monatstakt veröffentlicht werden. Dem ambitionierten The Golden Ravedays stellt er für unseren Groove-Podcast allerdings eher leise Töne zur Seite: Meditationen, wie er selbst es nennt.

 


 

Seit gut zwanzig Jahren bist du nun als DJ aktiv, als Produzent nimmst du dir manchmal viel Zeit zur Veröffentlichung von neuem Material. Fällt es dir schwer, beides auszubalancieren?
Ich versuche ständig, schneller und auch effektiver zu arbeiten, aber für meine eigenen Produktionen braucht es wohl immer diese gewisse Reifezeit. Es vergeht selten ein Tag, an dem ich nicht an Musik arbeite. Die Kreation erfolgt in der Regel sehr schnell und dann kommt ein kurzer Moment in dem etwas passiert und die ganze Arbeit in etwas Konkretes mündet. Das ist herrlich. Dann kommt das Drama, eine Form und auch den Klang zu finden und die große Frage, ob es auch eine Berechtigung draußen in der Welt hat. Manche Leute sagen, ich denke zu viel nach. Das mag schon sein, aber es nützt ja nix. In gewisser Weise geht es im Leben doch immer um das ausbalancieren, man wird zu diesem Thema wohl niemals auslernen. Man kann es wohl auch niemals besser als Rainald Goetz formulieren: Don’t cry, work!

Ob als DJ oder Produzent hast du immer schon die Kollaboration mit anderen gesucht, unter anderem gemeinsam mit Rebolledo als Pachanga Boys. Was bedeutet die Zusammenarbeit mit anderen für dich?
Da ich von Natur aus eher Einzelgänger bin, ist es in meinem Fall wohl so, dass die Kollaborationen mich finden. Ich genieße daran vor allem, dass man sich selbst zurücknimmt, zusammen die großen und auch kleinen Entscheidungen trifft. Ich finde es magisch, wenn dann alles vibriert und man auf Wege kommt, die man so noch nicht begangen hat.

Mit The Golden Ravedays verfolgst du in diesem Jahr ein ambitioniertes Projekt und veröffentlichst über 12 Monate ebenso viele 12″s, die zusammengenommen als mehrstündiges Album zu verstehen sind. Warum ausgerechnet dieses Format statt etwa eines Box-Sets oder einer rein digitalen Compilation?
Dieses Konzept der Veröffentlichung hat sich nach langem Grübeln als das einzig sinnvolle etabliert. Ich bin sehr glücklich damit. Die ganze Musik dieser Serie habe ich sehr schnell aufgenommen. Nach dem Umzug nach Paris hatte ich irgendwann einen Studioraum gefunden und da ich zu diesem Zeitpunkt noch keine Wohnung hatte, habe ich praktisch dort gelebt. Wie ein Höhlenmensch. Über einen Zeitraum von sechs Wochen habe ich dann diese Stücke aufgenommen. Keine Ablenkung, keine Richtung, kein Ziel, kein Konzept, jeden Tag ein neues Stück. Diese Demo Versionen habe ich dann erst nach einer längeren Pause wieder gehört und dann alles so toll und richtig gefunden, dass es mir nicht möglich war, dass in ein gängiges Format zu übersetzen. Die Stücke gehören zusammen, es gibt eine gewisse Energie und Idee, die sie zusammenhält. Dann ist da noch die Länge der Stücke. Ich habe mir schon immer gerne Zeit genommen und jetzt waren sie noch länger. Ich habe dann herausgefunden, dass Kürzen unmöglich ist und dass die Magie dieser Stücke eben auch in der Länge steckt. Ich wollte dann ganz bewusst eine Gegenidee zu dem ganzen Overkill der jetzigen Zeit anbieten. Warum sich nicht mal wieder Zeit nehmen und zuhören und in einer Stimmung bleiben? Gleichzeitig liebe ich Schallplatten und habe persönlich den grössten Spass am Musikhören, wenn ich eine Schallplatte auflege. Dann war da noch die Inspiration von Jazz, Afrobeat und diversen anderen Platten, die eben genau so funktionieren. Ein langes Stück pro Seite zum Eintauchen und Abdriften. Ich verstehe die Einzelteile tatsächlich auch als LPs. Longplay! Die Box dazu wird es hoffentlich auch noch geben. Es ist also sinnvoll, die Platten zu sammeln.

Der Titel impliziert einen gewissen Nostalgiewert, beschrieben wurde das Album als autobiografisches Werk. Liegen deine Golden Ravedays denn wirklich schon hinter dir?
Nostalgie ist nicht so mein Ding. Ich liebe aber einen guten Titel und auch das Spiel mit Wörtern. Es geht um extreme Begeisterung, Emotionen, natürlich auch ums Loslassen. Autobiografische Elemente schwingen sicherlich mit, aber für mich persönlich ist es doch sehr im Hier und Jetzt verankert. Vielleicht eine Art Soundenzyklopädie. Eine Hommage an Sound. Die Ravedays sind wohl nie vorbei und gerade jetzt sind sie eben golden.

Nur sechs Tracks sind in deinem Beitrag zum Groove-Podcast zu hören, von Rave ist darin nichts zu spüren. Was war deine Idee dahinter?
Die Idee war, eine Schwingung, einen Fluss zu erzeugen, der einen langsam und beständig mit sich nimmt. Reisen mit Sound, ganz im Geiste der Golden Ravedays.

Dein Track “Yves” bereitet mit seinen wirbelnden Harfenklängen auf Alice Coltranes spirituellen Jazz vor. Coltrane war selbst Harfistin. Was verbindet dich mit diesem Instrument?
Ich bin schon lange sehr verliebt in dieses Instrument und auch in Alice Coltrane. Und wie schön, dass gerade jetzt diese wundervollen, spirituellen Aufnahmen aus Alices Ashram-Jahren auf dem tollen Label Luaka Bop wiederveröffentlicht werden, wo sie wiederum weniger Harfe spielt und tatsächlich zum ersten Mal selbst singt.


Stream: Superpitcher – Groove Podcast 101

The Golden Ravedays Meditations #1

01. Superpitcher – Yves (Short Version)
02. Alice Coltrane Turiyasangitananda – Om Shanti
03. Auntie Flo – Rainfall On Red Earth
04. Superpitcher – Howl
05. Body Four – XIV
06. Superpitcher x Joakim x Neil Young – On the Beach (Under The Sea Mix)

Superpitcher auf Tour
12.05.2017 Porto, Plano B
13.05.2017 Lissabon, Lux
20.05.2017 Kiew, Strichka Festival / Closer
11.06.2017 Rennes, Big Love
16.06.2017 Barcelona, Kompakt / Nitsa

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Kristoffer Cornils war zwischen Herbst 2015 und Ende 2018 Online-Redakteur der GROOVE. Er betreut den wöchentlichen GROOVE Podcast sowie den monatlichen GROOVE Resident Podcast und schreibt die Kolumne konkrit.