Seit 2010 gibt es nun einen Club, der Berghain-Flair auf Fünf-Sterne-Niveau anbietet: Das Asphalt im Untergeschoss des Hilton-Gebäudes am Gendarmenmarkt. Die Betreiber engagierten Karhard und setzen auf den bewährten Industriecharme, gewürzt mit einer Prise berlinerischem Trash, natürlich von der edlen Sorte. Beides musste jedoch erst hergestellt werden, denn der Keller war zwecks Schalldämmung mit Gipskarton ausgekleidet. „Man muss da schon in die Trickkiste greifen. Fast alles, was alt aussieht, ist neu“, erklärt Thomas. Wo keine poetische Fabrikruine zur Hand ist, werden Oberflächen eben aufwendig patiniert.

„Urbanität in einem puristisch gestalteten Ambiente, geschaffen von Karhard, den Architekten der Panorama Bar!“, heißt es werbewirksam auf der Website. Es ist ein Club für Erwachsene mit gehobenen Ansprüchen und entsprechendem Portemonnaie. Räumliche Besonderheit ist eine zentrierte Bühne mit Ledervorhang, der den Bar- und Livemusik-Bereich von DJ-Booth und Dancefloor trennt. Exquisit ist auch die Akustik: Die Ausrichtung der Anlage folgt Erkenntnissen, die bei akustischen Simulationen im digitalen Raummodell gewonnen wurden. Eine von Rammsteins Toningenieuren entworfene Bassdecke mit 400 Lautsprechern verspricht, kein Ohr trocken zu lassen. Karsten: „Die Betreiber des Asphalt haben ein ambitioniertes Konzept umgesetzt: einen flüssigen Verlauf von gesetztem Dinner über Bar und Livemusik bis hin zum gefüllten Dancefloor. Als ich vor einem Jahr das letzte Mal da war, schien das zu funktionieren.“

Karsten und Erhard freuen sich über Clubgestalter und -betreiber, die bereit sind, in Qualität zu investieren, und sich trauen, ausgetretene Pfade zu verlassen. „Der Besucher ist einfach anspruchsvoller geworden, nicht mehr so kompromissbereit. Heute kann man niemanden mehr mit warmem Bier und ’ner miesen Anlage beeindrucken, und die Sanitäranlagen, wie ich sie aus dem Planet oder dem E-Werk kenne, würde man auch keinem Menschen mehr antun. Wir finden es schade, dass hier für Bars und Clubs immer dieser Abbruchcharme vorausgesetzt wird, und würden uns generell etwas mehr Mut zur Eleganz wünschen. Das ist so ein selbstreferenzielles Berlin-Problem. Anderswo funktionieren Clubs ja völlig anders.“ Wie zum Beispiel in München, wo Karhard 2012 den bayerischen Ableger des altehrwürdigen Pacha auf Ibiza neu organisierten und gestalteten. Bewegte Membranen aus vertikalen Metall- und Holzstreben rhythmisieren jetzt die Innenräume, verleihen ihnen elegante Dynamik und Wärme.

Geduld und Emotionen

Die Architekten wünschen sich frischen Wind für Berlin. „Man muss sich überlegen: Möchte man wirklich im Ausland immer an diesen Dingen gemessen werden, an denen man sich hier vielleicht schon sattgesehen hat?“ Die erhoffte Brise weht möglicherweise schon durch die Stadt. Jüngstes Projekt von Karhard ist der Club Marx im Café Moskau. Das denkmalgeschützte DDR-Kulturgebäude mit der spätmodernen Fassade wird vielen Berlinern und Berlinophilen bekannt sein. Es beherbergte von 2002 bis 2004 das WMF, das seit seinem Auszug aus der Metallwarenfabrik Zwischennutzungsverträge
in verschiedenen Locations in Mitte hatte.

Karsten erzählt: „Ich erinnere mich, dass Ralf Regitz im Namen der Berggruen-Holding einen Betreiber für den Club im Café Moskau suchte. Er sagte, viele Clubmacher hätten Interesse angemeldet, auch das WMF sei im Gespräch. Und jetzt, sieben Jahre später, sitzen wir dran und in ein paar Wochen ist Eröffnung – manchmal muss man eben Geduld haben!“ Wenn man den Beschreibungen glaubt, hat sich das Warten gelohnt. Karhard haben versucht, den aparten Reiz des Baus aus den frühen Sechzigern einzufangen, und gebäudetypische Details wie die Wabenstruktur der Fassade verwendet. Auf zwei Floors gibt es Platz für 800 Leute und einen Livemusik-Bereich. Void liefert die Anlage, und zusammen mit Room Division wurde ein aufwendiges Lichtkonzept geschaffen.

Karhard sind bisher hauptsächlich in heimischen Gefilden tätig, doch wer heute in Deutschland einen ambitionierten Club plant, kommt kaum umhin, einen Blick auf ihre außergewöhnliche Arbeit zu werfen. Trotzdem verstehen sich Thomas Karsten und Alexandra Erhard nicht als ausgesprochene Clubarchitekten. Sie gestalten Friseursalons, Arztpraxen, Büros und zudem Wohnungen, wie etwa jüngst auch von einem der Resident-DJs des Berghains. „Uns interessiert alles, wo Emotionen im Spiel sind.“

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