Nadja ist eine Band die sich nicht nur zwischen die Genres und Befindlichkeiten gestellt hat, sie haben diese vielmehr erfunden und belebt. Für die Anerkennung und Einbindung von Drone, Ambient und Drumcomputern in Heavy Metal hat das Duo eine ähnliche Erweiterer-, Crossover- und Vermittlerfunktion eingenommen wie Stephen O’Malley von SUNN O))) oder Atsuo, Takeshi und Wata von Boris. Die Kombination der smart-coolen Bassistin Leah Buckareff (die in ihrem anderen Leben eine Werkstatt zur Restaurierung wertvoller Bücher betreibt) mit dem im Fusselbart-Halbglatzen-Style offensiv nerdig daherkommenden, selbstermächtigten Gitarren-Alleskönner Aidan Baker (er hat vom Folkpop bis Free Jazz, von Elektroakustik zur Soundart schon alles gemacht) erweist sich auch nach fünfzehn Jahren und zig gemeinsamen Album wieder als kongenial. Die LP mit dem enigmatischen Titel The Stone Is Not Hit By The Sun, Nor Carved With A Knife (Gizeh) durchmisst die Koordinaten ihres Projekts in drei langen Tracks, reicht von derben Metal-Riffs über akustische Zartheiten zu dunkel verwaschenen Ambientklängen. Selbst die mit ihrer Musik gerne verbundenen Klischeevorstellungen, wie etwa „klingt wie Wacken aus drei Kilometer Entfernung“, sind nicht falsch. Abzüglich der von Nadja definitiv in Ehren hochgehaltenen Metal-Ästhetik könnte das auch eine moderne Art und Weise sein, Shoegaze als Pop zu spielen. Das Album ist so etwas wie ein Querschnitt ihres Schaffens und damit ideal für Einsteiger
Stream: Nadja – The Stone (Edit)
Das formidable Debüt Resina (130701/Fat Cat) von Karolina Rec alias Resina kam überraschend und (beinahe) unvermittelt. Die Newcomerin aus Warschau ist gelernte klassische Cellistin. Ihr Debüt schlägt in eine nicht gerade selten bearbeitete Kerbe: auf Cello und anderen Streichern basierende Instrumentalstücke zwischen Postrock und Neoklassik. Dass sie zwischen den ähnlich arbeitenden aber wesentlich prominenteren Musiker*nnen wie Sarah Neufeld (von Arcade Fire), Julia Kent (von Antony And The Johnsons) oder Owen Pallett (Final Fantasy) locker bestehen kann und dem Genre noch etwas Neues hinzufügen kann ist wohl einer gewissen Angstfreiheit geschuldet, auch etwas forderndere, experimentelle, elektroakustische Signale in ihre Stücke einfließen lassen zu können.
Stream: Resina – Not Here
Die Dänin Ane Østergaard alias Band Ane sucht in ihrer seit zehn Jahren laufenden Versuchsreihe Anish Music die Versöhnung von experimenteller Klangkunst und freundlichem Ambient. Ihr Werkzeug ist das Laptop, digitales Soundprocessing von Field Recordings und allerlei kleinteiligen Samples. Das ist auch auf der Mini-LP Anish Music V (Clang) nicht anders. Wo allerdings bislang knusprig heller Glitch vorherrschte sind die drei Stücke des fünften Teils deutlich massiver, dynamischer und raumgreifender. Bewegungen kontinentaldriftender Langsamkeit von jähen Brüchen durchwirkt, mitunter harsch aber nie verletzend, schroff aber nicht abweisend. So deutet sich vor allem im epischen „The Pool“ eine nonkonformistische Variante von Dark Ambient an, die nicht entlang der üblichen Entwicklungslinien des Genres von Industrial über rhythmisiertem Noise zu verdüsterter Neoklassik verläuft.
Stream: Band Ane – The Pool
Wo Band Ane noch positiv futuristisch klingt ist die Welt von Cindy, Gordon Sharps in den Nachwehen der Postpunk- und New-Wave-Avantgarde geborenes Transgender-Alias, dystopisch und mürrisch. Sein knapp 35 Jahre bestehendes Bandprojekt Cindytalk hat sich nie von Konventionen einschränken lassen. Von radikal unstrukturiertem Lärm bis hin zu ätherischem Pop war und bleibt alles möglich. The Labyrinth Of The Straight Line (Editions Mego) ist nicht nur darin ein ganz typisches Cindytalk-Album. Verrostete Noise-Partikel und sirrendes Feedback, verrottete Elektrik mit offenliegende Stromleitungen formen einen Noise-affinen Dark Ambient, der mit hochfrequenten Drones und zerschmetterten Neoklassik-Fragmenten spielt. Dazu geben enigmatische Sprachsamples dem ganzen einen surrealistischen Spin. Und doch schimmert hinter dem aufgehäuften musikalischen Missmut immer wieder Wärme, postapokalyptische Geborgenheit auf.
Stream: Cindytalk – In Search Of New Realities
Was die winterliche Lichtarmut angeht schenkt sich Svarte Greiner, das dunkle Alias des nach Berlin umgesiedelten Norwegers Erik Knive Skodvin nicht allzu viel. Moss Garden (Miasmah) bedient in dieser Hinsicht sämtliche Erwartungen die an skandinavischen Ambient gestellt werden. Ohne den Piano-Impressionismus Otto A. Totlands, seines Partners bei Deaf Center, wirken Skodvins Drones aus digital bearbeiteter bogengestrichener Gitarre düsterer, konfrontativer, aber auch ungebundener, wie von der Last der eingängigen Melodie befreit. Die zwei langen Tracks des Albums, überaus folgerichtige A- und B-Seite der Vinylausgabe, wuchern organisch von den harten Schlägen “The Marbles” zu den weichen, sich unterwandernden und aufwirbelnden Klangströmen von “Garden”. „Zen-Musik für Verwirrte“ nennt er das selber.
Stream: Svarte Greiner – The Marble