Thor Harris mag grimmig schauen und mit einer Krachmacher-Vergangenheit bei den Swans nicht gerade einen naheliegender Kandidat für ein goth-folkig angehauchtes traditionelles Ambient-Album abgeben. Aber ach, der will nur spielen. Thor & Friends (Living Music/Dupli-Cation) klöppelt sich tiefenentspannt durch selbstgefertigte Percussion (der Mann ist schließlich ausgebildeter Tischler und Instrumentenbauer), Vibraphon, Xylophon und verwandte hölzerne Schlaginstrumente. Mit den vorwiegend weiblichen „Friends“, vor allem Peggy Ghorbani an der Marimba und Sarah Gautier an den Saiten- und Tasteninstrumenten, pendelt Harris locker zwischen etwas zupackenderem Instrumental-Postrock à la Amiina und schwebendem New Age Ambient a la Laraaji.
Video: Thor Harris – Crusades (Live)
Es gibt viele Wege ein einen Zustand „zwischen den Welten“ zu zelebrieren. Paco Sala, das Electropop-Projekt der in Berlin lebenden kanadischen Sängerin Marie-Pascale Hardy und dem Hauptstadtbriten Antony Harrison (bekannter unter seinem Ambient/Drone-Alias Konntinent) produziert in einem unmarkierten Territorium jenseits jeglicher Mainstream-Ambitionen, folgt dabei aber einem untrüglichen Kompass für eingängige Sequenzen. Die leider sehr kurz geratene LP Ko Yo (Denovali) verschiebt ihren schleppenden, von Vaporwave und Trip-Hop gezeichneten Lo-Fi-Sound in eine neue Richtung. Slowhouse-Beats und eine gefühlte Nähe zum modernistisch-abstrakt queeren R&B weisen den Weg. Pop ist das Ziel.
Stream: Paco Sala – Skin Job
Die Verbindung von Spoken Word Performancekunst und elektronischen Loops und Beats hat gerade wieder ein Konjunkturhoch, vielleicht das stärkste seit den frühen achtziger Jahren. Kate Tempests immenser Erfolg dürfte da keine kleine Rolle spielen. Die kanadische, schon lange in Berlin lebende Lyrikerin Myra Davies gehört zur ersten Generation dieses Crossovers, sie ist schon beinahe so lange aktiv wie die ersten, am Rande und zumindest kurzzeitig mitten im Mainstream operierenden Ikonen des Genres wie Laurie Anderson oder Anne Clark. Mit Gudrun Gut hat sie kongeniale musikalische Partnerin gefunden, eine Zusammenarbeit über bereits fünfundzwanzig Jahre. Sirens (Moabit Musik) an dem noch Beate Bartel, Gudrun Guts Bandkollegin von Mania D, beteiligt war ist eines der zwar spärlichen aber doch stetig kommenden Ergebnisse dieser von Poesie getragenen Freundschaft. Was bei Kate Tempest Hip-Hop ist, ist bei dieser Zusammenarbeit Techno. Myra Davies hochkomplexe, anspielungsreiche, von Pop, Literatur- und Theoriezitaten durchwirkte Lyrik bleibt immer hervorgehoben und wird von Gudrun Guts typischen, unaufdringlichen Beats zwischen Club und Wohnzimmer begleitet.
Stream: Myra Davies – Do Ya
Die Zusammenarbeit von Anna Homler & Steven Moshier besteht sogar noch zehn Jahre länger. Breadwoman & Other Tales (RVNG Intl.) ist eine direkte Fortführung – oder besser Wiederaufnahme – ihrer gemeinsamen Arbeit von 1985. Die Brotfrau ist eine faszinierend absurde, essbare Kunstfigur, die die kalifornische Performancekünstlerin Anna Homler in einer Phantasiesprache vortragen lässt und die von Moshiers blubbernden Synthesizerschleifen kongenial unterfüttert wird. Das ist nicht weniger als brillanter Avantgarde-Pop, der kein bisschen gealtert ist. Den Mainstream haben sie vor dreißig Jahren nicht einmal tangential berühren können. Vielleicht klappt es jetzt.
Video: Anna Homler & Steve Moshier – Yesh’ Te
Das Postrock-Duo Blueneck ist in der ländlichen Umgegend von Bristol beheimatet und hat diese nie verlassen. Sie veröffentlichen seit zehn Jahren hauptsächlich in der langen Form. Das Pastoral-Bukolische war immer ein wichtiger Aspekt ihrer unaufgeregten Stücke. Wie schon bei vielen anderen Bands des Genres zu beobachten war, wurde auch ihr Sound im Laufe der Zeit immer elektronischer und gitarrenärmer. Gleichzeitig ist der sowieso schon eher zarte und unrockige Gesang immer mehr in den Hintergrund gerückt. Ihre sechste LP The Outpost (Denovali) ist so wieder ziemlich ruhig geworden. Die Stücke zwischen Song und Track sind krautig zerdehnt und von delikaten Momenten aus Ambient und Drone bereichert.
Stream: Blueneck – Ghosts
