In vielerlei Hinsicht ist Fabric 91 ein Spiegelbild von Nina Kraviz’ Beitrag für die DJ Kicks-Reihe aus dem vergangenen Jahr. Anhand bestimmter Prämissen wird im Vergleich dazu deutlich, was von einer Kraviz-Compilation aktuell zu erwarten ist. Da wäre zuallererst einmal die immense Auswahl an Musik. 40 Tracks in einem Mix von gut 75 Minuten einzusetzen ist schon eine Hausnummer. Zweitens ist sie stolz auf ihr eigenes Label трип. Die Promomaschine rollt und teast mit bisher unveröffentlichten Beiträgen diverser трип-Künstler an, was in den kommenden Monaten auf ihrem Label zu erwarten ist.
Ferner ist Nina Kraviz eine hervorragende Crate Diggerin und besticht jedes mal aufs Neue mit packenden Sammlerstücken. Techno und seine Unterspielarten wie Ambient und Electronica, alles findet hier seinen Platz. Dabei sind die Tracks nicht einfach nach Schema F aneinander gereiht. Stattdessen surrt und zurrt und schichtet Kraviz kapitelweise, ohne etwas in den Vordergrund zu rücken. Fabric 91 fühlt sich tatsächlich wie ein akustischer Fortsetzungsroman an, bei dem sie noch tiefer als zuvor in die musikalische Materie eintaucht.
Der Mix wird in zwei Akten erzählt und beginnt mit Bedouin Ascent mit einem echten Highlight. Groovige und melodiöse Breaks schlingern in einen geraden Beat, der durch Woody McBride und DJ Slip aufgegriffen wird. Der Track von Soren, die erste unveröffentlichte Nummer, verdeutlicht in Villalobos-Manier das ständige auf und ab der Gefühlslagen. Die sich durch den Mix ziehende kopflastige Grundstimmung bildet zwischen all den Genresprüngen insgesamt jedoch den Leitfaden. Die Überleitung von Bjarki zum irren PTU-Track formt ein starkes Moment. Breaker 1 2 und die Acidtracks von Beverly Hills 808303 und Frak zeigen Krallen bis zur Verschnaufpause. Der zweite Akt beinhaltet ausgehend von Pete Namlook über Unit Moebius, zwei unveröffentlichte Kraviz-Tracks bis zu Mike Henk den stärksten Abschnitt des Mixes. Claude Young und The Detroit Escalator Co. formieren weitere zeitgeschichtliche Momentaufnahmen bevor Kraviz mit einem Jungle-Knaller von Aphex Twin im Endgegner-Modus abschließt.
Fabric 91 ist ein polarisierendes Statement gegen den einzelnen Track. Ob es wirklich diese Masse braucht, um eine schlüssige Geschichte zu erzählen, sei dahingestellt. In diesem speziellen Fall funktioniert es aber sehr gut. Es ist jedoch erschreckend, wenn man sich heutzutage bereits dafür rechtfertigen muss, einen solchen Mix der Perfektion zuliebe nicht ausschließlich am Computer arrangiert zu haben.