Die Berliner Künstlerin Jana Irmert arbeitet crossmedial. Ihr musikalisches Debüt End Of Absence (Fabrique Records) changiert unangestrengt zwischen fragil atmosphärischer Soundart, audiovisueller Surround-Sound Installationskunst und augenzwinkerndem Avantgarde-Pop. Die oft so ungleich scheinenden Gefühls- und Gedankenwelten von universitärer Klangforschung und ambienter Lust am Klang vereint sie offenbar mühelos. Ein beachtlicher erster Schritt aus der Stille und Unsichtbarkeit.
Video: Jana Irmert – End Of Absence (Installation)
Eva Pfitzenmaier agierte in Norwegens junger innovativer Jazzszene bislang eher im Hintergrund. Ihr zweites Album als By The Waterhole, Two (Playdate) führt Jazz-Vorläufer wie Spirituals und „Chain Gang“-Blues in unerhörte neue Formen. Wichtigstes Instrument dieser verblüffenden Wandlung kollektiv-traditioneller Wurzelmusiken in intime Electronica ist Pfitzenmaiers digital aufgefächerte, raum- und gedankenfüllende Stimme.
Video: By The Waterhole – A Thought Caught Fire
Für Rebekah Dobbins, die sich nach dem Titel eines Dokumentarfilms der Avantgarde-Ikone Maya Deren The Living Gods Of Haiti nennt, spielt der exaltierte Gesang eine mindestens ebenso entscheidende Rolle. Ihr Debütalbum Bone Dry (Kwaidan) bringt avancierte bassgetriebene Electronica und Cold Wave nahen Synthpop mit archaisierenden Tribal-Elementen zusammen in eine zukunftsfähige Variation von Electropop.
Video: The Living Gods of Haiti – Killing Lotus
Die Vocals der (mächtig erfolgreichen) Modefotografin Wendy Bevan sind mindestens ebenso so dringlich und theatralisch raumgreifend wie die Rebekah Dobbins‘. Musikalisch und inhaltlich bleibt Bevan mit Rose & Thorn (Kwaidan) weitgehend im Rahmen einer Ästhetik die von Dark Wave und den kühleren Seiten der synthetischen Disco der frühen achtziger Jahre geprägt ist. Da Bevan die lebensabgewandten Seiten der Gothic-Szene aber nicht allzu ernst nimmt und die Produktion nicht allzu puristisch an vergangenen Zeiten hängt, sondern sich eher an aktuellen Tech-House orientiert, wirkt Bevan Solodebüt dennoch modern und frisch.
Stream: Wendy Bevan – Sweet Dedication
Für Marc „Black To Comm“ Richters Projekt Jemh Circs spielt die menschliche Stimme eine ganz andere, aber vergleichbar zentrale Rolle. Jemh Circs (Cellule-75) loopt sich clever und handwerklich ähnlich ausgefeilt wie The Field durch kurze kaum noch wiedererkennbare Samples. Wie im ähnlich temperierten Vaporwave trifft hier ein nostalgischer Windows95-Futurismus aus den Müllhalden des Internet und den guten Geistern vergessener Pophits auf zu Unrecht aus dem Harddisk-Gedächtnis gelöschten Neunziger-Glitch.
Video: Jemh Circs – Est