Dieser Beitrag erschien erstmals auf dem Blog ashore
Was bedeutet Vielfalt? Im Club-Kontext denken bei dem Begriff wohl nicht wenige zu allererst an eine musikalische Bandbreite, die es wagt, über den Tellerrand von Techno und House hinauszuschauen. Doch wie steht es auf Partys um die Vielfalt in Sachen Geschlechtern und Identitäten? Dank Plattformen und Initiativen wie Mint, female:pressure, Marry Klein oder Salt + Sass tat sich diesbezüglich in den vergangenen Jahren schon einiges, doch noch immer bestimmen hierzulande vielerorts größtenteils oder gar ausschließlich männliche und heterosexuelle Line-ups das Bild in den Clubs und auf Festivals. Etwas daran ändern will nun auch die neue Partyreihe XXY_ in Dresden, ins Leben gerufen von Albrecht Wassersleben von Uncanny Valley. Groove-Autor Sascha Uhlig sprach mit Wassersleben für das Blog ashore über Diversität im Club, die Idee hinter XXY_, die erste Party am 15. April im TBA mit Avalon Emerson und Neele, und wie es um die Vielfalt an den Decks in Dresden selbst bestellt ist.
Albrecht, was genau meint „diversity“ und warum braucht es mehr davon in den Dresdner Clubs?
Diversity, also Vielfalt, ist für mich ein Versprechen, ein Anspruch, den ich an mich und die Szene habe, in der ich mich bewege. Mir geht es beim dem Begriff Diversity nicht unbedingt um musikalische Vielfalt, das ist sowieso viel zu subjektiv. Mit Diversity meine ich die Menschen, die sich Freitag und Samstag ganz bewusst vom Großteil der Arbeitswoche abgrenzen. Das macht jeder Mensch auf seine eigene Weise, manche nehmen andere Identitäten an, manche leben oder entdecken ihre Sexualität, andere wiederum suchen neue Bewusstseinszustände oder sind froh, aus dem Alltag entfliehen zu können und die ganze Zeit zu tanzen.
Unter der Woche sind wir angepasst und spielen immer die gleichen Muster durch. Ob man in der Uni sitzt, im Büro hockt, einen Kittel trägt oder mit Nadelstreifen durch lange Flure jagt. Dann sehnen sich einige nach dem Wochenende, um dieses ganze Korsett abzuwerfen und dem Versprechen hinterherzujagen, dass es für ein paar Momente vielleicht auch mal ganz anders sein kann. Aus diesem Grund zieht es doch so viele Menschen in Clubs, wo sie sich dann ungehemmt die Nacht und den Tag um die Ohren schlagen. Natürlich spielt die Musik dabei eine wichtige Rolle. Techno und House Music wiederholen da aber nur den gleichen Takt, mit dem unter der Woche die Fließbandarbeit erledigt wird. Der Unterschied ist dann doch die Lautstärke und der Groove, die alle Konventionen und Angepasstheit übertönt und einen neuen Raum aufmacht, in dem wir uns vielleicht sicher fühlen können loszulassen. Heteronormativität, jene Weltsicht, die uns wahrscheinlich unter Woche so sehr beherrscht, hat dort, wo es um Ausbrechen und sich Freimachen geht, doch eigentlich nichts mehr zu suchen, oder? XXY_ soll Gewohnheiten und Erwartungen aufbrechen. Die Line-ups auf Dresdner Partys sind fast ausschließlich männlich, heterosexuell. Die Leute, die feiern gehen, erleben also eigentlich immer wieder die gleiche Konformität, die sich durch eben jene Weltsicht immer wieder selbstreproduziert. Das will ich gern aufbrechen. Sowohl was das Line-up betrifft, als auch was das Artwork für die Reihe betrifft.
Gab es einen bestimmten Schlüsselmoment oder hast du schon länger mit der Idee zu dieser Veranstaltungsreihe gespielt?
Ich fand es schon immer ziemlich cool, was die Leipziger Musikszene so leistet. Schon vor vier oder fünf Jahren gab es da DJ-Workshops von Frauen für Frauen, und wenn man jetzt mal hinsieht, dann gibt es dort genau so viele tolle weibliche wie männliche DJs. Oder das Institut fuer Zukunft, die einen Raum, einen Safe Space für allerlei Spielereien rund um Techno bieten.
Am meisten die Augen geöffnet hat mir der RA-Artikel „An alternate history in sexuality in club culture“ von Luis-Manuel Garcia. Da geht es darum, welche queeren Wurzeln die Musik hat, zu der alle am Wochenende gerne loslassen. Das hat mich sehr begeistert, und als ich länger darüber nachgedacht habe, kam in mir der Wunsch auf, diese Vielfalt in Dresden mehr an den Start zu bringen.
Stream: s.ra – 2 Jahre Institut fuer Zukunft Podcast
Wieviel Potenzial für ein nicht-„heterosexuelles, ausschließlich männliches Line-up“ bietet Dresden selbst überhaupt?
Das Potenzial verbirgt sich bisher noch vor mir, aber ich hoffe, dass ich damit vielleicht einige aus ihrem Winterschlaf wecken kann.
Wie war die Reaktion der Clubbetreiber/Booker auf die Idee, war es schwer dafür einen passenden Ort zu finden?
Die Partyreihe wird in dem neuen TBA Club stattfinden, dessen einen Betreiber ich ganz gut kenne. Er war sofort begeistert von der Idee und unterstützt das Vorhaben voll und ganz. Sicherlich gab es von einigen Leuten kleinere Bedenken, aber neue Ideen muss man manchmal einfach auch durchsetzen.
Das Artwork für die Poster stammt von Michael Satter, der sich auch um die Visuals des Robert Johnson kümmert. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?
Mir ist ein Artwork wichtig, das weder einen männlichen noch weiblichen Eindruck hinterlässt. Weder stark noch zart, sondern offen und simpel ist. Die Buchstaben selbst spielen ja schon genug mit Identität, XX, XY oder auch XXY – je nach dem wer du bist oder was du sein möchtest. Dieser Gedanke sollte sich auch im Artwork wiederfinden. Ich wollte auch unbedingt jemanden haben, der die Dresdner Szene nicht kennt, hier vielleicht auch noch nie gewesen ist. Ich war schon immer Fan von Michaels Arbeiten und deswegen war er auch für mich erste Wahl.
Wie oft wird XXY_ stattfinden? Kannst du schon etwas zu zukünftigen Line-ups sagen?
XXY_ wird einmal im Monat stattfinden. Die zweite Party ist am 20. Mai mit den Sthlm Murder Girls aus Schweden, Solaris aus dem Ifz und Felix Valentin aus Dresden. Die dritte Party vor der Sommerpause ist am 17. Juni, das Line-up wird aber erst im Mai verraten.
Wir verlosen 2×2 Gästelistenplätze für XXY_ mit Sthlm Murder Girls, Solaris und Felix Valentin am 20. Mai! Schickt uns zur Teilnahme am Gewinnspiel bitte bis spätestens Donnerstag, den 19. Mai eine Mail mit dem Betreff XXY_!
Stream: Solaris – Am Deck 22
XXY_
20. Mai 2016
Line-Up: Sthlm Murder Girls, Solaris, Felix Valentin
TBA Dresden
Schlesischer Platz 1
01097 Dresden-Neustadt