burger
burger

Flexible Heart (ProZecco) – Groove Resident Podcast 32

- Advertisement -
- Advertisement -

Foto: Felix Adler (Flexible Heart)

„Auf die Residents kann man sich verlassen, persönlich und inhaltlich. Sie kennen den Club, die Gäste, die Anlage, und sie sind ein Grundpfeiler der musikalischen Identität eines Clubs, also ebenso wichtig wie die Architektur, der Raumklang oder die Gestaltung“, sagte einst Nick Höppner in der Groove. Mit unserem monatlichen Resident Podcast wollen wir ihnen den gebührenden Respekt zukommen lassen.

Mit ihrem Beitrag zu unserem Resident Podcast macht Flexible Heart ihrem Namen alle Ehre: Über gut 65 Minuten mischt sich die Dresdnerin versiert durch verschiedene Stimmungslagen und Stile, lässt die Emotionen Achterbahn fahren und verfolgt doch eine klare Linie. Die auch als regelmäßige Gästin beziehungsweise seit Kurzem offizielle Resident der MIDI / Mittwochsdisko in der Groovestation bekannte DJ macht aber nicht nur hinter den Decks klare Ansagen. Als Mitbegründerin des vielseitigen Kollektivs ProZecco leistet Flexible Heart mit ihren Mitstreiter*innen Aufbauarbeit für eine musikalisch wie personell vielseitigere Clubkultur in der Elbstadt und weit darüber hinaus.

Neben einer Workshop-Reihe kümmert sich das mehrköpfige Team auch um einen eigenen Podcast, der DJs und Produzent*innen aus aller Welt mehr Sichtbarkeit verschaffen soll. Damit nicht genug: Während zwei weitere ProZecco-DJs gerade mit Unusual Suspects ein Label an den Start gebracht haben, bereitet sich das Kollektiv schon auf den sechsten Geburtstag und eine November-Veranstaltung im objekt klein a vor, für die unter anderem Schacke gebucht ist. Wenn das mal keine guten Aussichten sind.


Du hast ProZecco mitbegründet, zusammengefunden hat das Kollektiv im Jahr 2016 bei einem für FLINTA* ausgerichteten Workshop. Aus welcher Motivation heraus habt ihr im Anschluss daran ProZecco gegründet?

Als wir uns kennengelernt und ausgetauscht haben, waren wir uns alle einig, dass wir unsere Szene mitgestalten wollen. Ein wesentlicher Impuls zur Gründung von ProZecco ging von DJ L_sa aus, die einen DJ-Workshop für FLINTA* anbot, und daran anschließend für kollektive Auflegemöglichkeiten beim „Jugendtanz“ in der Dresdner Chemiefabrik sorgte. Das Organisieren dieser ersten FLINTA*-DJ-only-Partynächte in Dresden brachte uns als Gruppe näher zusammen. Diese Erfahrungen waren eine gute Grundlage, auf der wir als Einzelakteur*innen im Clubkontext weitermachen konnten. Der Name ProZecco entstand in dieser Zeit. Wir haben dann alle ähnliche Erfahrungen im Clubbetrieb gemacht, waren unzufrieden über das einseitige heteronormative Cis-male-only-Booking, und die oftmals fehlende Awareness für feministische Themen. Ich persönlich musste mir oft anhören, dass es dafür keine Notwendigkeit gäbe, und was ich denn überhaupt damit wollen würde … Und ja, leider haben all die Diskussionen kaum zu Veränderungen geführt. Meine Kollegin*innen von ProZecco haben da ähnliche Storys auf Lager. Und so kam es, dass wir uns dachten: Okay, reden hilft nicht. Darauf zu warten, dass sich etwas verändert, auch nicht. Also mussten wir selbst zu unserer Struktur werden. Wir haben versucht unsere Ideen in die Praxis umzusetzen und angefangen selbst Partys zu veranstalten, uns Gedanken darüber gemacht wie wir unser Booking gestalten wollen, wie wir unsere Partys sicherer machen können, Angebote und Schutzräume geschaffen wie DJ- und Producer-Workshops, die sich ausschließlich an FLINTA*-Personen richten. Außerdem teilen wir unsere Plattform mit DJs, die gerade am Anfang stehen oder bisher noch nicht so viel Aufmerksamkeit bekommen haben wie beispielsweise durch unseren ProZecco Cast. In den nun sechs Jahren seit unserer Gründung hat sich in Dresden ziemlich viel getan. Mir fällt da das AZ Conni als Ort ein, der schon länger queer-feministische Ansprüche verfolgt. Es gibt weitere feministische Netzwerke, an denen Einzelne von uns teilweise beteiligt sind wie beispielsweise das Producer:innentreffen Flimmergrenze, das regelmäßige stattfindende FLINTA*-Netzwerktreffen Feuer & Furore, es gibt das queerfeministische Booking-Kollektiv böse und gemein und viel mehr Druck und das Bedürfnis nach diverseren Bookings. DJ Coline hat seit 2018 ihr wiederkehrendes FLINTA* only Festival Pressure Vibes umgesetzt. Klar ist das eine erfreuliche Entwicklung, aber es gibt noch viel Luft nach oben! Es reicht nicht, unter die Veranstaltung Grundsätze wie “No Racism, No Homophobia, No Sexism, No Transphopia” zu schreiben und dann aber nicht für schützenden Rahmenbedingungen vor Ort zu sorgen.

Ihr bietet mittlerweile selbst Workshops an, zuletzt eine vierteilige Reihe, die im – aktuell wegen eines Brandes geschlossenenSektor Evolution ihren Auftakt nahm. Welche Tools und welches Wissen wollt ihr im Rahmen dieser Workshops vermitteln?

Es geht uns darum, in einem geschützten Rahmen für Fragen rund ums DJing, Produzieren und Veranstalten Raum zu lassen. In unserem ersten Workshop, der stattgefunden hat, haben wir uns darauf konzentriert, Basics im digitalen Auflegen, zu vermitteln. Zum Beispiel sind wir zusammen durchgegangen, wie man Tracks vorbereitet, welche Funktionen ein CDJ hat, was ein Mixer ist, wie die Verkabelung funktioniert und so weiter. Die Teilnehmer*innen konnten ihre Tracks ausprobieren und über eine große Anlage hören. An dieser Stelle nochmal ein großes Dankeschön an das Sektor-Team, die uns bedingungslos ihre Technik zur Verfügung gestellt haben! Da nun der Club leider erstmal geschlossen bleibt, aber hoffentlich bald wieder öffnen kann, wollen wir dort auch später weiterführende Workshops anbieten. Geplant sind Workshops in den Bereichen Awareness oder DJ-Techniken – wie auflegen mit Vinyl – sowie der elektronischen Musikproduktion. Bis der Sektor wieder öffnen kann, werden wir erstmal unseren Basic-DJ Workshops im Dresdner Club objekt klein a weiter führen. Wir sind sehr dankbar darüber, dass der Club uns so schnell seine Räumlichkeiten zugesagt hat.

Mit dem ProZecco Cast betreut ihr auch einen Podcast mit DJ-Mixen, bei dem nicht nur Mitglieder des Kernteams ihr Können zeigen. Worauf kommt es euch bei der Kuration an?

Die Sets von unserem aktuellem ProZecco Cast sind durch einen internationalen Open Call bei uns gelandet, der sich an FLINTA*-DJs gerichtet hat. Wir waren total überrascht von der hohen Anzahl der Rückmeldungen, denn mehr als über 31 Sets haben uns erreicht. Außerdem waren wir sehr gerührt von den lieben Mails, die wir aus aller Welt für unsere Arbeit bekommen haben. Unser Gedanke bei dem Open Call war, uns als Plattform zu öffnen, und noch unbekannteren DJ Acts und Producer*innen Sichtbarkeit zu verschaffen. Jedes Set wurde angenommen und bekam die gleiche Chance, Werbung und Support. Die Reihenfolge wurde nach dem Motto „Wer zuerst eingesendet hat, kommt als erstes“ bestimmt. Und so gibt es jetzt seit Mai letzten Jahres im Rhythmus von zwei Wochen immer wieder ein neues Set auf unserem Soundcloud-Account.

Die im Kontext von ProZecco aktiven DJs stehen für eine sehr große stilistische Bandbreite ein. Wie würdest du die musikalische Philosophie von ProZecco umschreiben?

Bei ProZecco gibt es keine stilistischen Grenzen. Jeder Sound war und ist willkommen. DJ Aset und Feriga haben beispielsweise einen schnellen Techno-Sound während DJ AngelConda und Twisted_Liz für einen Hip-Hop-/Trap-/Breakbeat-/Bass-Sound bekannt sind, DJ Luiser für ihre Mischung aus Breakbeat bis Trance. Ostbam, Crline und Shannon Soundquist spielen wiederum härteren Techno, Tekno bis Gabber. Ostbam und Crline haben, mittlerweile sogar ihr eigenes Label Unusual Suspects. Shannon Soundquist ist außerdem eine Produzentin, Künstlerin und Radiomacherin. Ich merke gerade: Wir könnten einen kompletten Clubabend mit allen Musikrichtungen füllen.

Du selbst bist vor allem für dein Acid-Faible bekannt, aber noch in anderen Genres zu Hause. Wo liegen derzeit deine musikalischen Interessen?

Acid-Faible? Stimmt, wenn man sich so meine ersten Sets durchhört, kommt da ein Acid-Track nach dem anderen! Raufige, kernige Acid-Lines und Techno haben mich nie losgelassen und gefallen mir noch immer. Mich aber auf ein oder zwei Genres festzulegen, würde nicht meiner Art und Vorstellung vom DJing entsprechen. Mein Sound hat sich mehr zu düstererem, rauerem und schnellerem Techno, EBM, Breakbeat und Doomcore verschoben. Mich interessieren vor allem Songs, die rhythmisch und dramaturgisch auch mal etwas ausgefallener sind, oder mir etwas erzählen durch ihre Melodien, Lyrics, Field Recordings oder Samples.

Neben deinen Aktivitäten mit ProZecco bist du auch als Resident bei der zweiwöchentlichen Veranstaltungsreihe MIDI / Mittwochsdisko in der Dresdner Groovestation. Wie kam es dazu, dass du Teil des Kollektivs geworden bist, und wie hat es dich als DJ geprägt?

Die MIDI in der Groovestation gibt es ja schon seit 2015. Wenn ich mich recht erinnere, habe ich dort vor fünf Jahren das erste Mal aufgelegt. Daraus wurden dann noch ein paar weitere Dates, und weil das so gut geklappt hat, wurde ich dann direkt von Albrecht Wassersleben, der Initiator und Kurator der MIDI ist, gefragt, ob ich Resident werden möchte. Geprägt hat mich die MIDI insoweit, als dass es eines meiner ersten Engagements war, wo ich das erste Mal mit professionellen DJ-Equipment drei Stunden am Stück spielen durfte. Das war anfangs sehr herausfordernd, aber ich habe sehr viel dabei gelernt. Und da das MIDI-Publikum sehr wohlwollend und offen für Neues ist, konnte ich über einen längeren Zeitraum immer wieder am Aufbau meiner Sets feilen, viel ausprobieren und meinen eigenen Stil finden. Die MIDI ist in der Dresdner Szene sehr gut etabliert. Es spielen spannende und durchgängig diverse Acts. Ich bin wirklich sehr froh, so talentierte DJs wie Anna Adams, ROB/NSON, Marcel Koar und Albrecht Wassersleben an meiner Seite zu haben und mit ihnen meine Musik und Ideen zu teilen. Es ist spannend, zu sehen und zu erleben, wie sich das Format ständig weiterentwickelt.

Was war die Idee hinter deinem Beitrag für unseren Resident-Podcast?

Die Idee hinter dem Mix ist ein Versuch, Experimentelles mit Clubtauglichem zu verbinden. Meist fange ich in einem Meer von Tracks an, von denen ich nur weiß, dass ich sie irgendwie mag. Dann geh ich meist alte Set-Sessions von mir durch, und schaue, welche Kombination von Songs ich zu der Zeit interessant fand. Danach versuche ich das Dramaturgisch für mich in eine stimmige Reihenfolge zu bringen. Das dauert mitunter am längsten. In diesem Set konnte ich meine Neigung zu klassischen, düsteren aber auch fröhlich, sphärisch und knallig klingenden Tracks verbinden.

Last but not least: Was sind deine Pläne für die Zukunft und was steht mit ProZecco in nächster Zeit an?

Ich freue mich auf meine Residency bei der MIDI, die jetzt ab August richtig losgeht. ProZecco feiert am 24. September sechsten Geburtstag und am 5. November gibts eine Party von uns im objekt klein a mit Schacke als Headliner*in.

Stream: Flexible Heart – Groove Resident Podcast 32

01. Roy of The Ravers – Thirteen Bar Waltz
02. Edna King – Bunker Comp
03. Peder Mannerfelt – Like We Never Existed
04. Schacke – Motorsports
05. Annika Wolfe – The Art of Abduction Dark
06. Debby Friday – Void
07. Mayflo – Get This
08. Edna King – The Bird
09. Code Walk – Eighteen A
10. Ufo95 – Me Happy
11. Mac Declos – Trust Your Eyes
12. Yozy – Let’s Go
13. Bored Lord – Dub Alive & War Kickin
14. Ani Klang – Fahk (Ani Klang Remix)
15. Brutalismus 3000 – Good Girl
16. benuebermensch – SPLIT
17. Viikatory – Too Good to Rave
18. Ufo95 – Almost There
19. Paul Copping – Ghost
20. DJ Coldsteel – Ice Diamond
21. Lady Neptune – TIME 2 MAKE U FEEL GOOD

In diesem Text

Weiterlesen

Features

Lehmann Club: „Als Club musst du heutzutage mehr bieten als eine Anlage und ein bisschen Sound”

Groove+ Seit 14 Jahren sorgt der Lehmann Club für Techno in Stuttgart. Wir haben mit den Betreibern über ihre Vision und Vergangenheit gesprochen.

Rave The Planet: „Techno ist genauso viel wert wie andere Kulturen”

Techno ist UNESCO-Kulturerbe! Wir haben mit den Initiator:innen von Rave The Planet über die Anerkennung gesprochen.

Franziska Berns: „Don’t believe the hype!”

Groove+ Was die Club-Mentalität von Frankfurt und Offenbach ausmacht und wie man zur Peaktime-DJ im Robert-Johnson wird, verrät uns Franziska Berns im großen Porträt.