Mit der 2012 erschienenen Compilation Musik For Autobahns hat Gerd Janson eine dringend benötigte Schublade aufgemacht. Nicht erst in jüngster Vergangenheit hat sich die Assoziation von elektronischer Musik und mechanisch beschleunigtem Fahren etabliert – mit „Autobahn“ hat Kraftwerk dieses Topos 1974 bereits relativ früh gesetzt. Insbesondere auf Langstrecken stellen sich Inversionen, Verkehrungen, Umstülpungen ein: Wenn für den durch die Weite gleitenden Fahrer die Landschaft es ist, die vorbeizieht; wenn das bewölkte Firmament plötzlich zum Baldachin wird, während die dunkleren Schatten der Kiefernwälder rechts und links den offenen Himmel darstellen. Für diese Zustände hat Janson auf Musik For Autobahns 2 elf (zehn in der Doppelvinylversion) exklusive Tracks zusammengestellt, diesmal unter dem schönen Rubrum „Ambient Race Car Music“. Im Intro von Leon Vynehalls „Midnight On Rainbow Road“ mutieren Straßengeräusche zu balearischer Brandung, bei Joy Orbisons „A213“ folgt eine spannungsgeladene Reise durch finstere Nacht. Ebenfalls nachts und auf einer Autostrada im reizvoll geschwindigkeitsbegrenzten Midtempo bewegt sich Fort Romeau. Shans versunkene Meditation „Awakening“ folgt dem Mantra des Mittelstreifens. Überraschend: „Breaking“ von AKSK mit süßlichen Pop-Vocals. Gelöstes Cruisen mit Conga Radio auf „168 North“. Orson Wells unterwegs durch Acid-Regenwälder des Amazonas. Neun Minuten, nur auf CD: Wie bei einem Hörspiel hält man die Luft an, um den minimalistischen Wendungen in Orlando Voorns „Turn Left Right Here“ zu folgen. Reduzierter Maschinenfunk für die City: „Melancholy“ von Disco Nihilist. Lauers „Autofahrn“: eine humorvolle Verbeugung vor der Düsseldorfer Elektronikinkunabel. Zum Abschluss nimmt „Carmine“ von Bicep den Club mit auf die Strecke: electroid zuckende Synth-Stabs geraten in neblige Flächen.
Die Ausdehnung persönlicher Reichweite mittels Beschleunigung eröffnet ein Territorium der Kontingenz und ist deshalb als Gestaltungsmacht über das eigene Schicksal zu erfahren. Die Benutzungsgebühr für diese individuelle Machterfahrung wird im Sozialen erhoben: Der Preis besteht in der spezifischen Entrücktheit nächtlicher Autofahrten, in der Einsamkeit des Fahrers, seiner Isolation beim Passieren der menschenleeren Hauptverkehrswege der Gesellschaft. Den Soundtrack dazu liefert eine Garde junger Producer, die bereits historische Musiken wie Ambient und New Age neu vermisst. Mit Musik For Autobahns 2 erschließt Janson unter Club-Vorzeichen dasselbe Feld, das ECM vom Jazz aus kommend bestellt. Transportgarantie, auch ohne Führerschein.
Stream: Musik For Autobahns 2