Fotos: Marcus Simaitis
Am Anfang war der Loop. Eine Endlosschleife aus Tonbandspulen, mit der man Töne, Geräusche und Klänge sich permanent wiederholen lassen konnte. Mit solchen Tonbandloops arbeitete etwa der kalifornische Komponist Terry Riley in den sechziger Jahren. Aus diesem Ansatz entwickelte er repetitive Kompositionsverfahren, die ihn nicht nur zur Gründerfigur der Minimal Music werden ließen, sondern auch zum großen Inspirator für die Popmusiker seiner Zeit und später – sofern sie ihn kannten – für die House- und Technoproduzenten der achtziger Jahre. Diese arbeiten „nach sehr ähnlichen Methoden wie Riley in seinen Tonband-Stücken“, so der Kulturwissenschaftler Tilman Baumgärtel in seinem vor Kurzem erschienenen Buch „Schleifen. Zur Geschichte und Ästhetik des Loops“.
Terry Rileys größter Hit bedient sich allerdings keiner maschinellen Loops, sondern arbeitet mit menschengemachten Wiederholungen: „In C“ aus dem Jahr 1964 ist ein Ensemblestück für mehr oder minder freie Besetzung, bestehend aus 53 kurzen Phrasen, die alle auf einer einzigen Notenseite Platz finden. Man spielt sie, so lange man will, und wechselt dann zur nächsten Phrase, bis alle Spieler irgendwann bei Nummer 53 angelangt sind. In der Regel dauert das ungefähr eine Dreiviertelstunde.
Als Terry Rileys 80. Geburtstag dieses Jahr bei der Ruhrtriennale in Bochum mit einem eigenen Konzertabend begangen wurde, gab es „In C“ gleich in zwei verschiedenen Versionen zu hören. Um Rileys Einfluss auf die elektronische Musik zu würdigen, hatten Mouse on Mars, Tyondai Braxton und Sonic Robots eine elektronische Fassung erarbeitet, bei der die Spieler reichlich Gebrauch von den heutigen digitalen Möglichkeiten der Looperzeugung machten.
Mouse On Mars und Tyondai Braxton feat. Sonic Robotos mit riesiger TR-808
Das Roboterkollektiv Sonic Robots hatte zudem einige Musikautomaten beigesteuert, besonders prominent ein riesiger TR-808 Drumcomputer, dessen Klänge im Inneren mechanisch erzeugt wurden, während die fenstergroßen Schaltflächen dazu im Takt blinkten. Auf der Bühne verteilte Trommeln und Gitarren spielten ebenfalls mit maschineller Unterstützung, besonders prominent eine Gitarre, die den bei Riley vorgegebenen durchgehenden pulse wie von Geisterhand schlug. Das Quartett auf der Bühne hielt sich teils streng an Rileys Phrasen, teils wurden sehr freie Elemente bis hin zu einem leicht unpassenden Marschmusik-Rhythmus ergänzt. Von der Idee der allmählichen, prozesshaften Entwicklung des Stücks blieb so nicht wirklich viel übrig, es waren eher Variationen über Riley, die gelegentlich ins Abstrakt-Geräuschhafte überwechselten, an anderer Stelle an einen improvisierten Jam denken ließen.
Einer der Beteiligten, Andi Toma von Mouse on Mars, war zuvor schon zu erleben gewesen bei „In C Mali“ von Africa Express. Das von Damon Albarn mitgegründete Projekt Africa Express war vergangenes Jahr, zum 50. Jubiläum von „In C“, nach Bamako gereist, wo Andi Toma, der Dirigent André de Ridder oder Olubenga Adelekan, Bassist der Band Metronomy, auf malische Musiker trafen und mit ihnen das Stück einspielten. In dieser Fassung stimmte der Fluss auf jeden Fall.
Koreless und das Ensemble Stargaze
Eine Hommage an Terry Riley schließlich lieferte der walisische Produzent Lewis Roberts alias Koreless. Sein Stück „Cycles 1“, aufgeführt vom Ensemble Stargaze, beruht auf dem Prinzip der Phasenverschiebung, wie sie im Minimalismus häufig vorkommt: Bei Koreless wurden die Töne der ausführenden Streicher allmählich zeitlich auseinandergezogen und wieder verdichtet. Dieser Vorgang wiederholte sich einige Male, ohne groß variiert zu werden, dafür kam mit dem abschließenden Stimmen-Loop „over and over“ eine willkommene Abwechslung hinzu.
Elektronische Musik hatte es auf der Ruhrtriennale schon zur Eröffnung bei dem „Mini-Festival“ Ritournell gegeben. Mit Künstlern wie Caribou, Roman Flügel, Barnt, Rødhåd und Pantha du Prince hatte der Dramaturg Tobias Staab den musikalischen Auftakt des Festivals gestaltet, weitere Konzerte gab es unter anderem mit James Holden und Camilo Tirado oder Mika Vainio und Arne Deforce. Vainio wurde sogar zur Inszenierung von Wagners „Rheingold“ hinzugebeten, um das Orchester des Dirigenten Teodor Currentzis mit ein paar Brummfrequenzen zu unterstützen. Auf seine Weise war das bestimmt auch minimalistisch.