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RÜCKSCHAU Dekmantel Festival (Amsterdam, August 2015)

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Text: Leopold Hutter, Fotos: De Fotomeisjes

Innerhalb kürzester Zeit hat es das Dekmantel geschafft, zu einem der beliebtesten Festivals für House- und Technoliebhaber überhaupt zu werden. Kein Wunder eigentlich, wenn man die perfekten Rahmenbedingungen betrachtet: eine wunderschöne Location im Stadtwald von Amsterdam, verlässlich hohe holländische Produktionsstandards und allem voran ein Lineup, das sich wie das gemeinsame Best-Of eines Jahresprogramms von Berghain, Fabric und Trouw zusammen liest. Unsere Sammlung von Eindrücken der dritten Ausgabe verrät, ob die naturgemäß hohen Erwartungen auch erfüllt werden konnten.

Een wandeling in het bos

Ein wichtiger Wohlfühlfaktor für jede Feierei ist die richtige Umgebung. Die Dekmantel-Veranstalter haben hierbei das große Glück, ihr Festival im riesigen Stadtwald von Amsterdam, dem Amsterdamse Bos, ausrichten zu dürften. Der liegt am südwestlichen Stadtrand, ist mit dem Fahrrad aber in einer guten halben Stunde zu erreichen. Da jeden Abend um 23 Uhr Schluss ist, übernachten viele Besucher lieber in der Stadt als auf dem Campingplatz. Die Anfahrt mit dem Rad durchs Grüne war jeweils ein erfrischendes Warm-Up und ließ einen gerade am zweiten und dritten Tag mit frisch getankter Kraft ins Festival starten.

Das Festivalgelände selbst ist erfreulich kompakt, so dass man nie lange von einer Bühne zur anderen braucht. Die nah am Eingang gelegene Mainstage wirkt dank ihrer halbrunden Form erfreulich zurückhaltend, das hallenartige UFO-Zelt ist hingegen sehr dunkel gehalten, und setzte die dort spielenden härteren Techno-Acts mit beeindruckenden Visuals in Szene. Die drei übrigen kleineren Bühnen liegen dicht beisammen und man ist tatsächlich stets von Grün umgeben – auf der Selectors-Stage steht sogar eine Trauerweide mitten auf dem Dancefloor und lädt zum Klettern ein.

Angst sich zu verlieren braucht man auch keine zu haben, denn dank der überschaubaren Größe läuft man sich früher oder später wieder über den Weg. Trotz der Menge von 10.000 Besuchern fühlte sich das Gelände nicht überlaufen an. Und falls es einem doch irgendwo zu eng wurde, gab es zum Glück immer die Möglichkeit, einfach eine Bühne weiterzugehen und dort ebenfalls Musik zu hören, die einen vollends überzeugte.

 

 

Zo veel muziek, zo weinig tijd!

Was uns zur größten Stärke des Dekmantel bringt: der dort gespielten Musik. Kein anderes Festival (vielleicht mit Ausnahme des Dimensions in Kroatien) schafft es derzeit, ein ähnlich umfangreiches und überzeugendes Lineup zusammenzustellen. Einzelne Künstler hier aufzuzählen macht kaum Sinn, zu viele müsste man nennen. Bemerkenswert ist gerade die gelungene, umfassende Abbildung des aktuellen Geschehens im viel zitierten Untergrund, die dabei fast allen modernen wie klassischen Ausprägungen der elektronischen Tanzmusik Rechnung trägt. Neben Techno und House der verschiedensten Schulen waren immer wieder auch Electro und Disco zu hören. Das von der Red Bull Music Academy gehostete Lab hatte zudem einige spezielle Auftritte im Programm, etwa Hiphop-Legende Madlib oder Roy Ayers samt Band. Dieser eigentlich positive Umstand führte aber natürlich dazu, dass man einen Haufen seiner Lieblingskünstler schlicht verpassen musste. Obwohl der Zeitplan an sich gut gesetzt war, gab es doch ständig irgendwo noch einen weiteren Favoriten zu sehen. Sich also damit abzufinden, viel mehr zu verpassen als tatsächlich mitzukriegen, war Grundvoraussetzung für Spaß auf dem Dekmantel.

Die Auswahl der Musik spiegelte sich auch im Publikum wieder: viele Bedroom-DJs mit Labelshirts, wenige ausgefallene Hardcore-Raver und ein Großteil auffallend hippes Jungvolk – meist in schwarzer Technouniform. Dank unmittelbarer Nähe zum Nachbarland traf man hier und dort auch deutsche Feier-Bekanntschaften, der überwiegende Anteil der ausländischen Besucher kam aber von den britischen Inseln. Immer wieder hörte man den Schlachtruf “Dek-MENTAL!” über das Gelände schallen.

 

The Lab

 

Welkom in Nederland!

Man kann es den Briten aber auch nicht verdenken, denn daheim scheint es ganz anders zuzugehen: so bescheinigte etwa ein anderer Review-Autor dem Dekmantel-Publikum eine besondere Reife, weil ihm das gesamte Wochenende über nicht ein einziger Becher mit Pisse entgegen geflogen sei – wow! Tatsächlich aber muss man den Holländern ihre hohen Produktionsstandards und Sorgfalt bei der Durchführung zugute halten. Der Sound war dank üppiger Ausstattung mit Function-One-Anlagen auf alle Bühnen laut und präsent, im jeweiligen Sweetspot auch mal sehr gut. Die Toiletten blieben erstaunlich sauber, die vielen Bars waren stets voll besetzt und es gab eine ordentliche Auswahl an gutem Essen (Frietjes!). Auch typisch holländisch waren allerdings die krumm bepreisten Wertmarken. Die sollen wohl hauptsächlich dazu dienen, dass man nicht mehr nachvollziehen kann, dass man gerade eigentlich absurd viel Geld für Getränke, Essen oder auch Merchandising ausgibt. Der offizielle Dekmantel-Hoodie kostete etwa stolze 36,5 Marken, umgerechnet ganze 100 Euro.

Trotz der überzeugend vorgetragenen Liebe der Veranstalter zur elektronischen Musik und ihrer Kultur ist also der kommerzielle Aspekt des Festivals leider unübersehbar. So wurde im Vorfeld noch stolz angekündigt, dass es in diesem Jahr endlich kostenloses Leitungswasser geben sollte. In der Praxis gab es aber nur zwei Auffüllstationen, die bei durchgehend voller Auslastung an jedem Hahn nur noch tröpfchenweise Wasser abgaben. Vollends zur Farce werden ließ die Aktion schließlich der Umstand, dass gekaufte Wasserflaschen nur ohne Deckel herausgegeben wurden, um das Wiederauffüllen noch unattraktiver zu machen. Genau wie angekündigt umgesetzt wurde dagegen die kompromisslose Drogenpolitik: immer wieder sah man Festivalbesucher, die von den (dankbarerweise in auffallendem Gelb gekleideten) Securities zum Hinterausgang begleitet wurden. Der sofortige Rauswurf drohte dabei auch jedem Kiffer, was wohl viele sich in Sicherheit wägende ausländische Festivalbesucher überraschte.

 

Mainstage

 

Al voorbiij?

Erwähnenswert ist auch die tägliche Spielzeit von mittags bis kurz nach Einbruch der Dunkelheit. Die Amsterdamer sind dies gewohnt. Hier finden jedes Jahr unzählige Ein-Tages-Festivals mit ähnlichem Konzept statt. Ist man allerdings hiesige, oft das Wochenende durchlaufende Veranstaltungen, gewohnt, scheint es als ständig unterbrochenes Festival-Erlebnis. Hinzu kommt, dass es sich beim Großteil der Musik um wirklich für den nächtlichen Clubkontext maßgeschneidertes Material handelt, was in der Mittagssonne kurz nach dem Frühstück einfach noch nicht funktioniert. Noch dazu kamen die meisten Besucher nicht vor dem späten Nachmittag auf das Gelände. Wenn dann abends bei bester Stimmung pünktlich um 23 Uhr bereits die letzten Töne verhallten, konnte man nicht umhin, sich einen im Ganzen nach hinten geschobenen Ablauf zu wünschen.

Wer partout noch nicht genug hatte, konnte sich aber zur Afterparty im Stadtzentrum aufmachen. Nach der Schließung des Trouw fanden diese nun im Melkweg statt, einer Location mit mehreren Etagen, aber wenig Festival-Charme. Für knapp 30 Euro pro Abend (die nicht im Eintrittspreis für das Festival inklusive waren) wurde auch hier wieder ein außerordentlich gutes Lineup geboten, darunter solche Schmankerl wie das Live-Set von Gesloten Cirkel oder die von Resident Advisor zusammengebrachte Back-to-back-Kombinationen wie Peverelist vs. A Made Up Sound. Stimmung aufkommen wollte dort aber so recht keine. Trotz ausverkaufter Tickets blieben manche Floors durchgehend leer und auch sonst schienen die meisten Besucher ihre Energie schon auf dem Festivalgelände verballert zu haben.

 

Melkweg

 

Tot ziens!
Zum Schluss bleiben Erinnerungen an Licht und Schatten. Wer sich auf anderen Festivals bei Schunkel-House und Stadion-Techno nur langweilt, dafür aber umso lieber in Clubs mit Liebhaber-Bookings geht, wird hier zweifelsohne auf seine Kosten kommen. Im doppelten Sinne, denn über das ausreichende Budget muss man erst mal verfügen. Ob es dieses Wert ist, auch Abstriche beim etwas zahmen Festival-Flair hinzunehmen, wird jeder nach persönlichen Prioritäten entscheiden müssen. Sollten aber im nächsten Jahr Größe und Lineup gleich gut bleiben, wird die Kombination aus Urlaub in Amsterdam und Dekmantel auch weiterhin ein starker Anwärter auf den Titel in der Kategorie Highlight des Sommers sein.

 

Ein von Dekmantel (@dkmntl) gepostetes Foto am

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