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RÜCKSCHAU Her Damit Festival (Rügen, Mai 2015)

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Fotos: Nadia Cortellesi

Ein Kurzurlaub direkt am Meer? Dafür nicht durch halb Europa gurken müssen? Mit Sonne, Strand und richtig viel guter Musik? „Her Damit!“, dachten sich auch die Veranstalter des gleichnamigen Festivals, das von 8. bis 10. Mai auf der Ostseeinsel Rügen stattfand. Heimlicher Star des Spektakels, bei dem sich hauptsächlich junge Acts der deutschen Techno- und House-Szene die Fader in die Hand gaben, war dabei die Location selbst. Prora, oder auch das wahrscheinlich längste Gebäude der Welt, zieht sich als über vier Kilometer langer Betonblock zwischen Dünen und Wald an der Ostküste der Insel entlang. Das Nazi-Regime hatte hier einst ein gigantisches Seebad für bis zu 20.000 Menschen geplant. Nach Ausbruch des Krieges blieb Prora im Rohbau stecken und wurde schließlich in DDR-Zeiten als Kaserne genutzt.

 

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Heute steht der größte Teil von Prora leer, wurde aber bereits an private Investoren verkauft. Im sanierten nördlichsten Block gibt es eine Jugendherberge mit angrenzendem Zeltplatz. Hier befand sich auch das Festivalgelände. Gleich der ersten Spaziergang am Freitagnachmittag führte an dem in großen Lettern seit Jahren auf einem Mauerrest prangenden Spruch „Her mit dem schönen Leben!“ vorbei, der als Inspiration für den Namen des Festivals und seines im vergangenen Jahr erstmals ausgerichteten Vorgängers diente. Hier merkte man auch schon, dass 2014 um diese Zeit schon deutlich mehr los war. Der bundesweite Bahnstreik just an diesem Wochenende sowie die klammen Wetteraussichten hatten wohl eine Menge potenzieller Besucher ferngehalten. Diejenigen, die es dann dank teilweise selbst gecharterter Reisebusse doch schafften, waren im Schnitt relativ jung, schienen aber allesamt sehr musikinteressiert zu sein und dementsprechend enthusiastisch hier so viele ihrer Club-Favoriten auf einmal hören zu können. Neben dem üblichen Food-Court gab es eine Chillout-Area mit Hängematten, aber auch Angebote wie Yoga am Strand oder eine Führung zur Geschichte Proras. Das geringe Besucheraufkommen sorgte für eine durchweg entspannte Situation an den Bars, Toiletten und Duschen. Das im Vorjahr kritisierte Sicherheitspersonal war diesmal freundlich und angenehm zurückhaltend. Schön war auch die Abwesenheit auffälligen Sponsorings mit Ausnahme lediglich eines Tabak-Standes.

 

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Karocel auf der Wiese

 

Die beiden Open-Air-Bühnen lagen auf einem Wiesenstreifen zwischen den Dünen und dem Prora-Betonklotz. Während die „Wiese“ mit einigen zugänglicheren Acts wie Oliver Schories oder Schlepp Geist, aber auch den Leipzigern Manamana und dem Niederländer Job Jobse lockte, ging es vor der „Ruine“ deutlich technoider zu. Hier stimmten sowohl Sound als auch Kulisse, denn das DJ-Pult war als charmanter kleiner Holzverschlag unmittelbar vor der riesigen Häuserwand aufgebaut. Auf dieser waren nach Einbruch der Dunkelheit eindrucksvolle Projektionen zu bestaunen, während bunte Lampen im Inneren die Fenster synchron zum Beat leuchten ließen. Musikalisches Highlight für viele Festivalbesucher war sicher auch der hier gebotene Showcase des Münchner Labels Ilian Tape am Samstag. Über acht Stunden hinweg führten Dario Zenker und seine Jungs die Tänzer durch ein weites Spektrum an Techno, von dubbig bis hypnotisch, gespickt mit Breakbeats, analogen Drums und vielen housigen Ausreißern. Der großartigen Stimmung konnte nicht einmal der einsetzende Regen während dem Set von Zenker und dessen Kollegen Stenny (die spontan zusammen spielten) etwas anhaben.

 

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Dario Zenker und Stenny vor der Ruine

 

Wem es draußen doch zu ungemütlich wurde, der konnte auf die beiden Floors im Inneren des Kolosses ausweichen. Auch diese waren dank zylinderförmig von der Decke hängenden bunten Lampen und dreidimensionalem Mapping auf den DJ-Pults echte Hingucker. Leider blieb wegen des komplett weißen Anstrichs das Gefühl in einem halb verfallenen, geschichtsträchtigen Gebäude zu feiern ein wenig auf der Strecke. Trotzdem trugen die enge Gänge, niedrigen Decken und massiven Wände ihren Teil zum undergroundigen Rave-Feeling bei. Auf dem passend bezeichneten “Bunker”-Floor konnte man am ersten Abend den beiden Live Acts von Fjaak und den Analogue Cops beim Fingern an ihrer Hardware zusehen. Im Anschluss daran kam Levon Vincent, dessen Auftritt aufgrund technischer Schwierigkeiten allerdings deutlich kürzer ausfiel als geplant. Umso mehr Zeit hatte danach Rødhåd, um seine eindrucksvollen Mixing-Künste in einem vierstündigen Set unter Beweis zu stellen. Nebenan im etwas größer angelegten „Kabinett“ ging es weitestgehend housig zu, mit diversen Sets aus dem Hause Uncanny Valley oder aber auch einigen unbekannteren DJs, die sich bereits im Vorjahr bewiesen hatten.

 

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Leo Küchler im Kabinett

 

Viele der größten Namen auf dem Lineup hatten die Organisatoren für den „Speicher“ vorgesehen – eine Art längliche Markthalle mit Platz für mehrere tausend Menschen und einer entsprechend riesigen, meterhohen Bühne. Als größter Floor litt dieser am deutlichsten unter der allgemeinen Leere und füllte sich selbst bei den Sets von Roman Flügel, Mike Huckaby oder ItaloJohnson nur ansatzweise. So fühlte man sich hier – im Gegensatz zu der sonst auf dem Festival vorherrschenden sehr familiären und intimen Atmosphäre – unweigerlich irgendwo zwischen Großraumdisco und Abi-Ball. Ein zweiter Stimmungsdämpfer kam in Form des schlechten Wetters im Laufe der zweiten Nacht, infolgedessen die Festival-Leitung sich entschloss, das Sonntags-Programm nach drinnen in den Bunker zu verlegen. Besonders die träumerischen Klänge von Christian Löffler konnten in dem Raum jedoch nur bedingt ihre Wirkungskraft entfalten. Vor allem als dann auch noch die Sonne entgegen aller Vorhersagen strahlend zurückkehrte, war den Leuten deutlich anzumerken, dass sie jetzt gerade viel lieber draußen tanzen würden. Allerdings wurden sie gegen Ende noch versöhnt, als sich beim Closing-Set von Oskar Offermann und Edward der Notausgang öffnete und Sonnenlicht den Saal durchflutete. Mit diesem magischen Moment endete das Festival zwar offiziell, Musik gab es allerdings noch bis wet in den nächsten Morgen hinein – sehr zur Freude aller, die sowieso bis Montag bleiben wollten oder sich spontan dazu entschlossen.

 

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Im Nachhinein muss man den Organisatoren für ihr ambitioniertes Vorhaben ein großes Lob aussprechen. Dank der außergewöhnlichen Location direkt am Meer, einem durchdachten und anspruchsvollen Line-up sowie der guten technischen Umsetzung haben sie es geschafft der Festivalsaison einen mehr als würdigen Auftakt zu bescheren. Auch wenn es nur wenige Besucher gab, haben diese ihr Wochenende auf Rügen doch allesamt sehr genossen – trotz der widrigen Umstände was Logistik und Wetter betrifft. Weitergehen soll es laut den Veranstaltern im nächsten Jahr auf jeden Fall. Wir freuen uns also schon auf den nächsten Kurzurlaub an der Ostsee!

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