Zurück ins The Forum: Als drittes Stück des Konzerts spielen Parrish und seine Band „Chemistry“. Der Meister stimmt das Stück von 2008 mit dem prägnanten Stakkato-Synthesizer-Riff an. Etwas aus dem Takt, doch der junge Schlagzeuger Myele Manzanza – ansonsten Mitglied der neuseeländischen New-Soul-Band Electric Wire Hustle – holt den Meister wieder zurück in den Groove. Am vorderen Bühnenrand haben inzwischen vier Tänzer Position bezogen. Zwei Männer und zwei Frauen, die ausgelassen breakdancen, poppen und locken.

Hier ist sie, Parrishs Antwort auf ein Publikum, das lieber auf die Bühne starrt als sich selbst im Tanz zu verlieren. Und der Plan geht auf: Während sich die Musiker auf ihre Instrumente konzentrieren, übernehmen die vier Figuren im Rampenlicht die visuelle Unterhaltung. „Lasst euch anstecken!“, hatte Parrish ins Publikum gerufen als die vier auf die Bühne kamen. „Klatscht in die Hände, stampft mit den Füßen. Singt, tanzt mit!“

Die Tanzeinlagen haben allerdings nichts mit einer akrobatischen Darbietung zu tun. Die Choreographien wirken spontan, nicht einstudiert. Die Tänzer zeigen lässige Top-Rocks, keine spektakulären Salti. Und das ist gut so. Denn genau das verleiht der Live-Show ihren entspannten Charakter. Block-Party-Feeling. Ein Abend unter Freunden und Nachbarn. Teilnahme willkommen.

Danach folgt „Soul Control“, der vielleicht beste Track von Parrishs letztem Album. Im Original ein klappriges, staubtrockenes Groove-Gerüst, über das Alena Waters mantraartig schmachtet: „Do you wanna control me?“ Live übernimmt das Piano die schroffe Bass-Linie, Synthesizer-Flächen schichten sich in- und übereinander, das polternde Beat-Skelett weicht synkopischem Jazz-Schlagzeug, zumindest die rhythmischen Stolperer des Originals bleiben erhalten. Beim anschließenden „Ah“ nähert sich Manzala mit einem Schlagzeug-Solo dann noch einmal gefährlich nahe dem Muckertum. Er wirbelt, erhöht das Tempo langsam, das Publikum klatscht euphorisch im Takt mit. Ein Moment, wie er auch beim Jazz-Brunch im Kleinstadt-Café vermutlich nicht fehlen darf.

Doch dann passiert etwas: Die Band geht in einen monoton psychedelischen Jam über. Krautige Synthesizer flirren durchs Spektrum, der Beat prescht voran. Nach fünf Minuten dreht sich Parrish zum Keyboard und spielt eine zarten Melodie, die im Kontrast zur wuchtigen Sound-Wand steht. Die ersten erkennen die Tonfolge und johlen lautstark: „Solitary Flight“. Der Track mit dem Vangelis-Sample, der Parrish 2002 breite Aufmerksamkeit bescherte. Die Band lässt sich Zeit, baut das Stück gemächlich auf. Weiter und weiter. Bläser kommen auf die Bühne und übernehmen den Streicher-Part des Originals. Gänsehaut. Wahnsinn. Als Manzala sein wirbelndes Trommelspiel schließlich auflöst und in einen geraden Groove übergeht, steht keiner im Publikum mehr still. Es ist der Moment, der alle Zweifel beseitigt: Ja, Parrishs Band-Experiment geht auf. Und wie!

Als Parrish im Anschluss die aktuelle Single „Footwork“ anstimmt, hat er nichts mehr zu befürchten. Die Tänzer batteln sich, das Publikum feuert sie an und tanzt mit. Parrish grinst übers ganze Gesicht, so beseelt, dass er am Mikrofon fast seinen Einsatz verpasst: „Let me! See! Your Footwork! Ba-by!“

Als Zugabe nach anderthalb Stunden serviert Parrishs Band dann noch eine Coverversion des Disco-Klassikers „Ain’t No Need“ von Skye. Mit einem Shout-Out an den Chicago-DJ-Veteran Specter, der ihm das Stück einst vorspielte. Zum Abschluss treten alle zwölf Akteure Arm in Arm an den Bühnenrand. Winken, theatralische Verbeugung, Abgang. Nur Ideeyah kommt noch einmal zurück in die Bühnenmitte. Sie dreht sich mit dem Rücken zum Publikum, zückt ihr Telefon und macht, genau, ein Selfie.

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