Interview: Florian Obkircher, Fotos: Mads Perch
Erstmals erschienen in Groove 140 (Januar/Februar 2013)

Zwei junge Briten wühlen in der Vergangenheit. Sie entstauben antiquierte Produktionsweisen, entschlacken den britischen Polter-Sound der neunziger Jahre und führen die gute alte „Vinyl only“-Politik wieder ein. Mit ihrem neuen Projekt Karenn kehren Jamie „Blawan“ Roberts und Arthur „Pariah“ Cayzer ihrem Stamm-Label R&S sowie der Londoner Bass-Music-Szene erstmal den Rücken – um Techno zu produzieren. Tanzmusik der kratzig rauen Sorte. Techno, wie ihn Computer niemals ausspucken könnten.

Wie hat das mit Karenn eigentlich angefangen?

Blawan: Arthur und ich kennen uns durch unser gemeinsames Label R&S. Wir legten öfters gemeinsam auf und merkten, dass wir ähnliche Platten spielen. Deshalb setzten wir uns einfach mal gemeinsam ins Studio. Anfangs unverbindlich. Aber wir merkten sehr schnell, dass da mehr Potential war.
Pariah: Wir schrieben die ersten Tracks im Frühsommer 2011, die erste Platte kam dann im November.

Als ich zum ersten Mal von eurer Kollaboration hörte, dache ich, das passt irgendwie. Andererseits aber auch gar nicht. Wisst ihr, was ich meine?

Pariah: Da hast du Recht. Oberflächlich betrachtet, haben unsere beiden Solo-Projekte nicht allzu viel gemeinsam. Uns war aber von Anfang an wichtig: Karenn ist nicht die Summe aus Blawan und Pariah. Es geht nicht darum, unsere Stile zu verschmelzen. Karenn ist ein neues, eigenständiges Projekt.
Blawan: Das hängt mit dem Arbeitsprozess zusammen. Am Anfang arbeiteten wir noch mit Computern. Derzeit verwenden wir die aber nur noch zum Aufnehmen. Unsere neue Platte haben wir live eingespielt – mit Hardware-Geräten. Ein Take, keine Nachbearbeitung.
Pariah: Wenn ich meine eigenen Tracks mache, tüftle ich oft Monate an winzigen Details. Die Arbeit mit Jamie ist da richtig befreiend. Wir starten den Sequencer und nehmen auf. Ein paar Minuten später ist der Track fertig.

Wie kam es zu dem Sinneswandel?

Blawan: Der Sound klingt einfach voller, wenn du echte Maschinen verwendest. Gerade im Club. Und das Gefühl beim Live-Spielen ist unglaublich. Viel direkter, viel unmittelbarer. Und genau darum geht’s bei dem Projekt.
Pariah: Den Floh setzten uns die Analogue Cops ins Ohr…
Blawan: Das stimmt. Deren militanten Analog-Ansatz und ihre Live-Jams fanden wir sehr inspirierend. Sie schreiben ihre Musik ganz anders. Als ich zum ersten Mal mit den beiden in ihrem Studio in Berlin war, produzierten wir in drei Tagen zehn Tracks. Ich konnte das erst gar nicht glauben, was da passierte. Von den Analogue Cops lernten Arthur und ich sehr viel.

Wenn ihr von Hardware und Maschinen sprecht, meint ihr dann altes Analog-Equipment?

Blawan: Nicht unbedingt. Unsere Ausrüstung ist recht neu. Uns geht’s auch gar nicht darum, diesen alten Analog-Sound nachzustellen, wichtig ist die Arbeitsweise. So zu produzieren, wie früher Techno gemacht wurde. Natürlich klingt die Platte zum Teil recht räudig. Aber das hat damit zu tun, dass wir die Stücke nicht polieren oder nachbearbeiten. Unser Ziel ist es, mit alten Methoden Neues erschaffen. Vielleicht kannst du mit dem Computer in gewisser Weise kreativer sein. Aber das nehme ich gern in Kauf.

Tut diese Einschränkung gut?

Blawan: Anfangs dauerte es Ewigkeiten, bis wir einen Track fertig hatten. Seit wir Hardware verwenden, geht’s zackig: Zwei Tracks an einem Tag. Und weiter geht’s. Du fühlst dich frei, so als ob zu zum ersten Mal ein Auto besitzt.

Das heißt, ihr habt den Computer als Musikinstrument überwunden?

Pariah: Je mehr Hardware ich kaufe, desto weniger Lust habe ich auf Blöcke-Verschieben am Bildschirm. Der Groove einer Drum-Maschine klingt einfach natürlicher und lockerer. Trotzdem werde ich den Computer als Pariah weiter verwenden, ich will ihn nicht verteufeln.

Hat diese neue Arbeitsweise auch Einfluss auf die Track-Strukturen?

Pariah: Absolut, auf sehr positive Weise. Viele Arrangements auf der Platte würde man mit dem Computer so einfach nicht machen. Weil sie viel spontaner sind. Es gibt sogar einen Fehler auf der Platte: einmal läuft die Melodie-Linie einen Takt zu lang weiter. Ich vergaß im richtigen Moment den Knopf zu drücken. Aber ich mag das. Dadurch entstehen interessante Arrangements. Und die sind mir beim Musikmachen am wichtigsten. Bei vielen Pariah-Tracks laufen manche Elemente zu lang…
Blawan: Ach komm, sei nicht so streng mit dir selbst.
Pariah: Nein, absichtlich! Ich will Tracks anders arrangieren. Auch wenn das manche DJs beim Auflegen verwirrt. Manchmal irritiert es mich selbst, wenn ich meine Tracks auflege.

Wie übertragt ihr diesen Aufnahme-Ansatz auf die Bühne?

Pariah: Bei jeder Show entsteht zirka eine halbe Stunde neue Musik. Wir spielen nur einen Track von der Platte live. Es ist auch der einzige, den wir live spielen können, weil viele unserer Synthesizer nichts speichern können. Es ist schwierig, manche Sounds wiederherzustellen.
Blawan: Es ist jedes Mal anders. Manchmal ziemlich radikal anders. Du schraubst an einer Maschine und denkst dir: Hey, was passiert da gerade? Aber so lange es gut klingt, lässt du es weiterlaufen. Oft habe ich das Gefühl, dass die Kisten uns kontrollieren.

Video: Karenn live im Boiler Room (23.11.2012)

Was an eurer neuen Platte sofort auffällt, ist die Entschlossenheit, die Härte, mit der ihr die Maschinen poltern lasst.

Blawan: Stimmt schon. Wir wollten einen aggressiven, verzerrten Sound. So viel Energie wie möglich – ohne, dass es stumpf klingt.
Pariah: Die Platte ist aggressiv, keine Frage. Aber das ist nur eine Ebene. Es gibt viele Feinheiten. Und gerade deshalb bin ich so glücklich damit. Die Tracks sind nie hart bloß um der Härte willen.

Während die einen House-Pianos der neunziger Jahre wiederentdecken, flirtet ihr mit der dunklen Seite dieser Epoche: mit dem UK-Techno der British Murder Boys. Ist dieser Eindruck richtig?

Blawan: Wir sind große Fans von Surgeon und Regis, keine Frage. Wir sind auch gut mit ihnen befreundet. Es ist schon ziemlich nett, die Leute persönlich zu kennen, die dich beeinflussen.

Surgeon und Regis betonen immer Industrial als wichtigen Einfluss. Waren Coil und Throbbing Gristle auch für den Karenn-Sound wichtig?

Blawan: Ich weiß nicht. Ich stieß zwar durch Throbbing Gristle überhaupt erst auf Techno, aber das liegt so viele Jahre zurück.
Pariah: Bei mir war’s genau umgekehrt: Ich entdeckte Throbbing Gristle durch Techno. Davor hörte ich vor allem Punk-Platten. Und die komischen Sachen auf dem Southern Lord-Label. Sunn O))) fand ich immer spitze.

Wie bist du dann auf elektronische Musik gestoßen?

Pariah: Ich wuchs in der schottischen Einöde auf. Musikalisch gab’s da gar nichts. In der Schule war ich immer der Typ mit dem komischen Geschmack. Erst später fand ich heraus, dass es noch andere Leute mit komischem Geschmack gab. Ich spielte damals mit fast religiösem Eifer Gitarre. In Bands, die versuchten Minor Threat zu kopieren. Zur Elektronik fand ich über Warp Records – aber musikbesessen war ich schon immer. Als ich sechs Jahre alt war, gab mir meine Mutter eine Gloria Estefan-Kassette. Mein Hund fraß die – und ich war total fertig. Ich meine, Gloria Estefan, echt keine tolle Musik eigentlich.

Vor einem Jahr interviewte ich Dan Foat zum Neustart von R&S Records. Er sagte, ganz wichtig für den Neubeginn sei ein junger Produzent namens Pariah gewesen, dessen Mypace-Profil er entdeckte. Damals erst 30 Mal angeklickt, aber er wusste genau, das würde ein Hit werden.

Pariah: Da meinte er „Detroit Falls“ vermutlich. Das war der erste Track, den ich jemals fertig gemacht hatte. Ich legte also ein Myspace-Profil an. Ganz harmlos – und plötzlich hatte ich eine Rezension auf Pitchfork.com. Dort stolperte Dan über den Track und kontaktierte mich. Ich musste nie Demos verschicken, ich hatte viel Glück.

Nach dem großen Erfolg deiner ersten beiden EPs war’s 2011 dann aber gleich wieder etwas ruhig um deine Person: kein einziger Release. Warum eigentlich?

Pariah: Ich empfinde das als total unangenehm, dass die Leute von dir als Künstler heute erwarten, dass du dauernd Musik veröffentlichst. Sollte man nicht nur dann Platten veröffentlichen, wenn man damit wirklich glücklich ist? Außerdem hatte ich nach diesen beiden Platten einfach keine andere Musik. Alle meiner frühen Tracks wurden darauf veröffentlicht. Ich nahm mir dann einfach Zeit, richtig produzieren und mixen zu lernen. Ich wollte mich nicht unter Druck setzen lassen.

Bei Jamie war ja genau das Gegenteil der Fall. Du hast 2011 fünf Maxis veröffentlicht, die Remixes gar nicht mitgerechnet.

Blawan: Bei mir ergab sich das gut. Viele der Tracks, die 2011 erschienen, hatte ich schon im Jahr davor gemacht. Als sie dann erschienen, konnte ich mich voll auf DJ-Sets konzentrieren. Und ab Sommer dann fokussiert an Karenn arbeiten.

Was die Karenn-Tracks wie auch deine eigenen Produktion auszeichnet, ist dieser extrem wuchtige Drum-Sound. Wie machst du das eigentlich, dass deine Snares wie ein Faustschlag ins Gesicht klingen?

Blawan: Ich lege großen Wert auf Equalizing und Sättigung. Ableton Live bietet da gute Möglichkeiten. Tricks gibt’s keine, ich tüftle aber eben sehr lange und leidenschaftlich an Drum-Sounds.

Hast du dir deshalb „KICK DRUM“ auf die Finger tätowieren lassen?

Blawan: Eigentlich ging’s dabei um eine dumme Wette. Mein Mitbewohner meinte, das traust du dich nie. Das konnte ich nicht auf mir sitzen lassen. „KICK DRUM“ lag eben nahe, weil sich mein Leben um sie dreht.

Schließlich hast du schon als Kind Schlagzeug gespielt, richtig?

Blawan: Bis ich 17 war, das stimmt. Ich spielte damals in einer Band. Wir versuchten Post-Punk im Stil von Gang Of Four zu machen. Dann bekam ich meinen ersten Drum-Computer. Zwei Jahre später spielte ich bei Konzerten nur noch die Hi-Hat live, alle anderen Drum-Sounds kamen von der Maschine. Und wenig später stieg ich dann ganz um. Seit etwa acht Jahren habe ich kein Schlagzeug mehr gespielt.

Im Gegensatz zu Karenn verwendet ihr beide bei euren Solo-Projekten Vocal-Samples…

Blawan: Ich finde es einfach spannend mit Stimmen zu arbeiten. Weil sie einem Track eine neue Wendung geben können. Außerdem tun sich viele Leute mit Stimmen leichter – das merkt man im Club. Es hat ja auch einen Grund, warum so viele Bands Sänger haben. In verwende Stimmen des Klanges wegen, als Textur, nicht unbedingt wegen dem Text.

Trotzdem würde es mich interessieren: Hast du schon rausgefunden, warum unter deiner Garage Leichen liegen?

Blawan: Das hat mit meiner Mutter zu tun, die ist ein großer Fugees-Fan (Blawans Track „Why They Hide Their Bodies Under My Garage“ samplet „How Many Mics“ von The Fugees, Anm. d. A.). Der Song lief früher bei mir daheim ständig im Wohnzimmer. Irgendwann fand ich eine Acapella-Version davon und fing an, damit herumzuspielen. Als der Track fertig war, lief ich ganz stolz wie ein kleiner Junge zu meiner Mutter: „Schau Mutti, ich hab für mein neues Stück die Vocals von deinem Lieblingssong genommen!“ Bei „Getting Me Down“ war das im Prinzip ganz das gleiche.

Interessant fand ich immer, dass du deine wuchtigen Beats mit R’n’B-Samples konterkarierst.

Blawan: R’n’B ist eigentlich gar nicht mein Ding. Seit „Getting Me Down“ werde ich immer wieder damit in Verbindung gebracht, das ist mir überhaupt nicht recht.
Pariah: Das ist bei mir ähnlich. Der Grund, warum so viele Produzenten auf R’n’B-Samples zurückgreifen: Motown Records veröffentlichte vor Jahren eine CD mit Acapella-Versionen seiner größten Hits. Und viele R’n’B-Künstler der neunziger Jahre pressten Acapella-Tracks ihrer Hits auf die Vinyl-B-Seite.
Blawan: Sonst gibt’s einfach wenig brauchbare Acapellas. Alle bedienen sich aus dem gleichen Fundus.
Pariah: Deshalb hörst du dieselben Samples auch immer wieder. Kennst du den Track „Can’t Stop (Acid)“ von Plez aus den späten Achtzigern? Das Vocal-Sample aus diesem Track hörst du ständig in Future-Bass-Produktionen. Erst vor zwei Monaten gab’s wieder einen Track mit genau dem gleichen Sample. Es ist fast nervig.

Zurück zu Karenn: Ihr habt für das Projekt ein eigenes Label gestartet.

Pariah: Das war eigentlich ein Unfall. Kein Label wollte unsere erste Karenn-Platte so veröffentlichen, wie wir sie konzipiert hatten. Deshalb haben wir unser eigenes Ding gestartet.
Blawan: Das Label ist in erster Linie für unsere Karenn-Veröffentlichungen. Und für Kollaborationen, die Arthur und ich mit anderen Musikern machen. Works The Long Nights soll zeigen, wo wir musikalisch stehen. Wenn wir als Solo-Künstler mit anderen Labels arbeiten, dauert es oft ewig, bis die Platte erscheint. Oder deine Musik wird von der Label-Identität fast erdrückt – wie im Fall von R&S zum Beispiel.

Wofür steht Works The Long Nights musikalisch?

Pariah: Ich erwarte gar nicht, dass die Menschen unsere Tracks auf ihre iPods laden und auf dem Weg zur Arbeit anhören. Das Ziel des Labels ist es, Clubmusik zu machen. Musik, die man im Club erfahren sollte, abgespielt auf einer guten Anlage. Deshalb veröffentlichen wir nur auf Vinyl. Auf gutem, dicken Vinyl. So viele tolle Platten gingen mir beim Auflegen schon zu Bruch oder wurden zerkratzt, so viele musste ich deswegen nachkaufen. Unsere Platten dagegen halten ordentlich was aus. Schon die Testpressung der ersten Karenn habe ich schon 50 Mal gespielt, und sie klingt immer noch super.

Das passt ja zu dem puristischen „Hardware Only“-Prinzip, oder?

Blawan: Uns ist bewusst, dass dieser Ansatz nicht neu ist. Aber wir machen Dinge, so wie wir sie für richtig halten. So wie es Musiker machen, die wir respektieren. So wie die Analogue Cops zum Beispiel. Sie legen großen Wert auf Vinyl, auf die Art eben, wie sie ihre Musik präsentieren. Die meisten Vinyl-Labels veröffentlichen ihr Zeug auch digital. Aber das interessiert uns nicht. Wir machen das nicht wegen der Kohle. Wir müssen keine MP3s verkaufen. Wir wollen Platten verkaufen, weil die Musik, die wir lieben, angemessen veröffentlicht werden sollte. Ganz einfach. Das mag egoistisch sein, aber so machen wir’s. Keine Kompromisse.
Pariah: Viele Leute glauben allerdings wegen der „Vinyl Only“-Politk, dass unsere Platten limitiert sind. Aber das stimmt gar nicht. Wir pressten bisher jede Veröffentlichung nach. Und wir wollen das auch gar nicht exklusiv halten für die ersten Fans, die im Laden stehen. Darum geht’s uns nicht.
Blawan: Das Hauptproblem: Wenn unsere Platten im Geschäft ankommen, werden sie oft mit diesem “Limited”- oder “Eine Platte pro Käufer”-Sticker versehen – und deshalb preislich ein paar Pfund draufgeschlagen. Wir haben darüber keine Kontrolle, und das ist ärgerlich. Wir drucken so viele Platten wie möglich. Bis uns die Kohle ausgeht.

Aber seid ihr mit dieser Politik nicht ohnehin super-exklusiv? Ihr schließt doch damit viele potentielle Hörer aus, nicht?

Blawan: Mag sein. Aber ich werde mich dafür nicht entschuldigen. Wenn du ein Bild kaufen willst, sagst du ja auch nicht zum Künstler: „Das gefällt mir. Aber ich hätt’s gerne in einer anderen Größe.“ Vielleicht haben einige kein Geld sich Plattenspieler zu kaufen. Aber da muss ich sagen: “Es tut mir Leid, aber ich werde meine Musik nicht kompromittieren, nur weil du keine Decks hast.”
Pariah: Mir ist es egal, ob die Tracks gerippt werden. In Zeiten der Internet-Piraterie machen die Leute das sowieso. Und meistens sogar in unglaublich guter Qualität. In fast so guter Qualität wie das MP3, das du offiziell bei Beatport kaufen würdest.
Blawan: Wenn du die Platte hören willst, lade sie dir gern illegal runter. Uns ist das egal. Wir veröffentlichen Vinyl. Wenn sich Leute mit unserer Vision nicht arrangieren können, dann ist das ihre Sache.

Video: KarennClean It Up (Works The Long Nights ‎– Sheworks 004)

Wie steht’s mit der bisherigen Wahrnehmung von Karenn? Werdet ihr wegen der R&S-Vergangenheit oft als Future-Bass-Künstler abgestempelt?

Pariah: Natürlich werden wir mit dieser Szene in Verbindung gebracht. Und das ist auch verständlich. Aber wir hoffen, dass die Veranstalter spätestens 2014 nicht mehr „Blawan & Pariah“ in Klammer schreiben.
Blawan: In den Plattenläden passiert das besonders oft. Die lieben dieses In-Klammer-Ding.
Pariah: Wir arbeiten konsequent daran: Es macht zum Beispiel keinen Sinn für uns, im Rahmen einer Clubnacht zu spielen, die auf Bass-Musik spezialisiert ist.
Blawan: Zu mir sagte mal jemand, es macht keinen Sinn zu den Bekehrten zu predigen. Ich würde widersprechen: Lass mich zu den Bekehrten predigen, denn das sind die Typen, die mich interessieren. Ich will nicht für Leute spielen, die keine Ahnung haben. Ich will für die spielen, die sich leidenschaftlich für Musik interessieren. Wenn du dich gewissenhaft für Musik interessierst, dann bin ich dein Mann. Das soll jetzt nicht schroff rüberkommen, aber mit Karenn wollen wir die Dinge so echt als möglich machen, nichts verwässern.

Ihr versucht euch also von diesem ganzen Bass-Music-Ding ein wenig zu distanzieren?

Pariah: Das würde ich so nicht sagen. Unsere Aussagen sind oft aus dem Kontext genommen worden, so dass es klingt, als würden wir uns für unsere Herkunft schämen. Das ist überhaupt nicht der Fall. Einige meiner Lieblingsplatten sind Bass-Music. Ich hasse den Begriff so sehr, aber… Einige der besten Platten der letzten 20 Jahre sind von Mala und DMZ, da stehe ich voll dahinter. Karenn ist aber eben Techno. Wir hatten Karenn-Tracks, die als Bass-Music-Tracks abgestempelt wurden. Und es ist einfach der falsche Kontext.

Wo wir davon sprechen, wie ist es denn derzeit um die Londoner Elektronik-Szene bestellt?

Blawan: Ich sehe da wenig Visionen im Moment. Ohne jemanden beleidigen zu wollen: Sehr viele Produzenten springen auf diesen House-Zug auf und produzieren dabei ziemlich mittelmäßige Tracks. Tracks, die wie vor sechs Jahren klingen. Fast Tech-House.
Pariah: Oder Kerri Chandler-Plagiate. Davon gibt’s derzeit so viele.
Blawan: Aber gut, das bewegt sich natürlich immer in Zyklen. Viele Leute werden über unsere Sachen sagen, wir klängen wie British Murder Boys. Und sicher liegen sie da nicht ganz falsch. Und wenn all diese Dubstep-Produzenten jetzt House machen wollen, freut mich das als House-Fan ja eigentlich sehr. Alles besser als diese Half-Time-Beats.

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