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MEHR BASS! September/Oktober 2011

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Dass die Piraten-Radiosender Londons traditionell das wichtigste Medium für die verschiedenen elektronischen Musikszenen der Stadt sind, wurde an dieser Stelle bereits häufiger betont. Zum unumstrittenen Champion unter den pirate radios entwickelte sich in den vergangenen Jahren die Station Rinse FM, die seit diesem Jahr erstmals auf einer legalen Frequenz sendet. Die Rinse-Macher haben diesen Aufstieg ihrem guten Netzwerk und einem ausgeprägten Geschäftssinn zu verdanken: Zum erweiterten Konglomerat des Senders gehören etwa die Clubnacht Forward, das Dubstep-Label Tempa und seit einer Weile auch eine Plattenfirma unter dem eigenen Namen. Zu den bekanntesten Rinse-DJs gehört der UK-Funky-Pionier Roska, der vor kurzem die 15. Ausgabe der Mix-CD-Reihe der Station zusammenstellte. Die CD funktioniert im Grunde wie eins von Roskas Clubsets, bei denen er – schnell und präzise gemixt – das gesamte Spektrum von UK-Funky abdeckt. So finden sich auf dem Mix poporientierte Stücke wie „Lights On“ vom Rinse-Eigengewächs Katy B. oder Roskas Remix von Magnetic Mans „I Need Air“ neben Deephouse wie MA1s „High Definition“ und rohem Ravematerial wie JKenzos „Ruckas“. Warum Roska aber als Produzent längst über die Grenzen des Königreichs hinaus bekannt ist, zeigt die begleitend zur Mix-CD erschienene „Jackpot EP“ (Rinse). Die sechs Stücke sind eine eindrucksvolle Demonstration dafür, wie man unter dem Einsatz minimaler Mittel (hier eine Kickdrum, da eine ungerade Snare) einen unheimlich dichten und druckvollen Klang erzeugen kann. Die Percussionbeats, die den UK-Funky-Stil lange prägten, kommen bei Roska nur noch in Fragmenten vor, die aber dennoch die entscheidenden Akzente setzen. Dafür ist die Palette der Einflüsse, die in Roskas Stücken zu hören sind, größer geworden: So besitzt „4th Blind Mouse“ einen erschütternden Dubstep-Bass, und das etwas schlüpfrig betitelte „Wie Alt Bist Du“ beeindruckt mit mächtigen Synthesizerakkorden.


Stream: RoskaJackpot EP (Promo Mix)

Ähnlich wie Roska benötigt auch der finnische Produzent Teeth nur wenige Elemente für seine Musik. Hinter dem Pseudonym steckt Matti Pentikäinen, der als Clubbetreiber und DJ in Helsinki tätig ist und unter den verschiedenen Pseudonymen bereits Techno- und HipHop-Platten herausgebracht hat. Nachdem er Anfang 2011 mit einem Hybriden aus 2Step und Südstaaten-Rap namens „Shawty“ (502) zum ersten Mal im Bassmusik-Kontext größere Aufmerksamkeit erregt hatte, knüpft er jetzt mit der EP „Swarm/Shift/Sequence/Spawn“ (Ramp) an den von Electro und Juke beeinflussten Stil an, der die Post-Dubstep-Partys im Frühjahr 2011 beherrschte. Dabei ragt unter den vier Titeln der EP das Stück „Frequencies“ heraus, bei dem Teeth sehr elegant 808-Beats mit fernöstlichen Samples verbindet.


Stream: TeethSwarm/Shift/Sequence/Spawn (Promo Mix)

Der Bassmusik-Trend der zweiten Jahreshälfte ist jedoch schon längst wieder ein anderer. Nach Electro und Juke macht sich eine ganze Reihe von Produzenten nun an die Aufarbeitung von UK-Hardcore und Acidhouse. Besonders gelungen ist dabei die EP „You Gotta Do You“ (Orca) von XXXY, die auf der A-Seite ein düsteres Electroacid-Monster bietet, während auf der B-Seite „Open Your Eyes“ die euphorische Hardcore-Rave-Kombination von Amenbreaks und Divavocals eine triumphale Wiederauferstehung feiert. In eine ähnliche Kerbe schlägt die Single „Angry Acid“ (Tectonic) des Amerikaners Distal, der sich bisher vor allem um die Verschmelzung von US-Südstaaten-Bounce, House und Dubstep verdient gemacht hat. Der Titeltrack seiner neuen Platte ist praktisch klassischer Acidtechno auf 140 Beats pro Minute mit einer massiven geraden Bassdrum. Die etwas langsamere B-Seite ist rhythmisch komplexer und erinnert nur durch ein hochgepitchtes Stimmsample an die Vergangenheit. Der Londoner Produzent mit dem ungewöhnlichen Namen West Norwood Cassette Library wiederum setzt bei „Get Lifted“ (WNCL) das Retrokonzept mit Hilfe von HipHop-Samples und einem Breakbeat-Rhythmus auf Housetempo um. Auf der B-Seite verwandeln die beiden hochgehandelten Post-Dubstep-Produzenten Blawan und Pariah unter dem Projektnamen Karenn das Stück in eine nostalgische Industrialtechno-Nummer.


Stream: West Norwood Cassette LibraryGet Lifted (Karenn Remix)

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