Pianisten-Wunderkind Francesco Tristano ist mit seinen musikalischen Grenzgängen einmal mehr in aller Munde. Nachdem er sich für seine wegweisenden Vorgängeralben zuerst Murcof (Not For Piano) und dann Moritz von Oswald (Auricle Bio On) ins Studio geholt hatte, wird für den aktuellen Langspieler gleich die Basisstation in Carl Craigs heilige Planet-E-Hallen verlegt. Das ist nur konsequent, denn offensichtlich will Iiosynkrasia sowohl geografisch als auch musikalisch noch mal näher ran an Clubmusik im Allgemeinen und die Seele Detroits im Speziellen. Und Tristano, der ja eh schon einer der maßgeblichen Wegbereiter für die momentan vielzitierte Symbiose von Akustik und Elektronik beziehungsweise Klassik und Club ist, will genau diese Verschränkung nochmals weiter vorantreiben. Auf seinen vorangegangen Werken, nicht zuletzt auch beim bisher vielleicht Club-orientiertesten Projekt, dem Trio Aufgang, stand das Piano meist klar im Zentrum und war dabei immer eindeutig separiert von Rhythmik und Elektronik. Auf Idiosynkrasia bewegen sich nun beide Pole immer weiter aufeinander zu, indem Tristanos Klavierspiel durch Verfremdung und Modulierung zusehends in der umgebenden Elektronik aufgeht. Die Grenzen verschwimmen, und das Musiker-Ich ergibt sich voll und ganz dem großen Ganzen.
Doch neben diesem strukturellen Schulterschluss ist auch nicht zu überhören, dass selbst die stilistischen Referenzen zur Clubmusik auf Tristanos neuestem Werk noch weitaus mannigfaltiger und breiter gestreut ausfallen als gewohnt. Während Tracks wie „Fragrande De Fraga“ in ihrer leichtfüßig jazzigen Housigkeit durchaus von früheren Herbert-Alben stammen könnten, gemahnt der Neofunk von „Eastern Market“ schon fast an alte Parliament-Funkadelic-Zeiten. Auch sehr schön sind das seriell fließende, krautige Postrock-Derivat „Wilson“ sowie „Single And Doppio“, das in seiner flirrenden Detroitigkeit und mit seinen programmatischen Synthesizern noch am direktesten Carl Craigs Produzentenhand durchhören lässt.
Spätestens hier sollte sich auch der Letzten wieder daran erinnern, dass das Piano schon seit eh und je zum essentiellen Instrumentarium der Clubmusik gehört hat, egal ob bei Disco, Garagehouse oder Detroit-Techno. Da überrascht es fast, mit der wundervollen Pianomeditation „Nach Wasser Noch Erde“ ein zugleich in sich gekehrtes und trotzdem expressives Epos zu finden, das sich voll und ganz auf das Klavier als solches beruft und dabei aufzeigt, welche Ausdruckskraft in gerade diesem Instrument steckt. Vor allem, wenn es von jemandem wie Tristano gespielt wird. Offensichtlich ist noch lange nicht alles gesagt zur Verschränkung von E und U, und Idiosynkrasia gibt sich auch keineswegs mit dem Status Quo zufrieden, sondern entwickelt diesen ganz konsequent weiter. Nichts Geringeres hätte man von Tristano erwartet.